Flüchtlinge in München: Olympiastadion als Unterkunft
München - Jeden Tag kommen in München derzeit 200 bis 300 Flüchtlinge an und stoßen auf eine völlig überfüllte Erstaufnahmeeinrichtung. Die Regierung von Oberbayern bringt mittlerweile sogar im VIP-Bereich des Olympiastadions Asylbewerber unter – und die Polizei ermittelt, weil sich die Vorwürfe gegen das Wachpersonal der mit mehr als 2000 Menschen deutlich überbelegten Bayernkaserne häufen.
Der erste Übergriff soll bereits am 3. oder 4. September geschehen sein. Ein unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (17) behauptet, er sei von Mitarbeitern eines Sicherheitsdienstes geschlagen worden, weil ihm ein Zettel zu Boden gefallen sei. In diesem Fall liegt der Polizei eine Anzeige vor – bislang die einzige.
Anschuldigungen gibt es jedoch weitere: Am Abend des 9. Oktober gerieten offenbar zwei Männer aus Syrien in Streit. Als ein Palästinenser schlichten wollte, ging ein Wachmann auf ihn los – zumindest sagen das Zeugen. Ein Flüchtling habe die Vorgänge mit seinem Handy gefilmt und sei angeblich dazu gezwungen worden, das Video zu löschen. Als die 17-jährige Cousine des Palästinensers ihm zu Hilfe eilte, soll sie ein Security-Mann mit einem Stock geschlagen haben. Sie wurde am Arm verletzt und im Rot-Kreuz-Krankenhaus behandelt.
Als Dieter Reiter vergangene Woche die Bayernkaserne besuchte, erzählte sie dem OB davon. Diesen Donnerstag wurden erneut Vorwürfe laut: Ein junger Syrer sagte im Interview mit dem BR, Flüchtlinge, die am Boden schliefen, seien von Sicherheitsleuten mit Fußtritten geweckt worden. Am Freitag war nur noch von „angestupst“ die Rede. Bei einer Auseinandersetzung mit Wachmännern soll zudem ein Baby am Kopf verletzt worden sein. Hintergrund: Die aus Syrien stammende Mutter des Neugeborenen hatte angeblich starke Blutungen. Weil der Wachdienst sich weigerte, den Rettungsdienst zu rufen, setzte sich der Ehemann mit dem Baby in den Eingangsbereich der Kaserne. Als ein Wachmann versucht, ihn von dort wegzuziehen, trifft die Wickeltasche das Baby.
„Wir versuchen, jeden einzelnen Sachverhalt aufzuklären“, sagt Polizei-Pressesprecher Thomas Baumann. „Wir ermitteln aus eigenem Antrieb auch in den Fällen, in denen keine Anzeige vorliegt.“ Oft wüssten die Ermittler aber nur vom Hörensagen von den Vorwürfen, was die Arbeit nicht einfacher mache. Baumann: „Wenn weder die Täter noch die Opfer bekannt sind, erschwert das die Ermittlungen.“
Die Regierung von Oberbayern – die für die Verwaltung der überfüllten Unterkunft zuständig ist – hat eine eigene Untersuchung eingeleitet. Sofern sich die Angaben bestätigen, will man Konsequenzen ziehen. „Wenn es Verfehlungen gibt, gehen wir auf den Wachdienst zu“, sagt Sprecher Florian Schlemmer. „Wir nehmen die Vorwürfe sehr ernst.“ Von den beiden Sicherheitsdiensten, die auf dem Gelände der Bayernkaserne tätig sind, wollten sich weder „Jonas Better Place“ noch „Siba Security“ gegenüber der AZ zu den Vorwürfen äußern.
VIP-Bereich des Olympiastadions als Unterkunft
Um die Situation dort zu beruhigen, bringt die Regierung von Oberbayern immer mehr Neuankömmlinge in Behelfsunterkünften unter. So wurde am Donnerstagabend der VIP-Bereich im Olympiastadion für 180 Menschen hergerichet. Die ersten trafen noch in der Nacht dort ein. Weitere 200 sollen bei Bedarf im Landkreis Mühldorf am Inn unterkommen. Außerdem habe man die Erstregistrierung der Flüchtlinge von der Bayernkaserne in ein ehemaliges Bürohaus an der Lotte-Branz-Straße verlegt, sagte Florian Schlämmer der AZ. Ein 24-Stunden-Shuttle bringe neu eintreffende Flüchtlinge direkt dorthin, ein medizinisches Team sei vor Ort. Nach der Registrierung würden die Frauen, Männer und Kinder dann auf die Ausweich-Quartiere verteilt.
Trotzdem kam es am Freitagvormittag erneut zu Tumulten auf dem ehemaligen Bundeswehrgelände in Freimann. Laut Polizei hatten mehrere Menschen in einer Schlange im Freien gewartet, als es zu regnen begann. Beim Versuch, sich unter einem Dach ins Trockene zu stellen, sei es zu einem ziemlichen Gedränge gekommen. Mehrere Streifenwagen rückten an. Die Beamten hätten schlichtend eingegriffen und die Personalien der Beteiligten aufgenommen.