Flatz' Künstlergarten in Obersendling: "Ende einer Ära"
München - Das besondere Kunstareal auf dem Dach im Kistlerhof in Obersendling ist Geschichte. Der Aktionskünstler Flatz hat sein Atelier, in dem er zwölf Jahre lang gearbeitet und ausgestellt hatte, am Donnerstag geräumt. Sein Skulpturengarten ist zwar noch da: Auf dem Dach stehen unter anderem ein vergoldeter Wohnwagen, eine Totenkapelle, ein Glockenturm und eine kleine Freiheitsstatue - aber das Heaven 7 ist für die Öffentlichkeit nun nicht mehr betretbar. Und auch für Flatz nur in Ausnahmefällen. Was aus den Objekten auf dem Dach wird, ist noch ungewiss.

Zigarette im Mund, Besen in der Hand, Flatz fegt noch mal durch am Schluss. "Das muss ja besenrein übergeben werden", sagt er müde, während seine Helfer noch die letzten Sachen aus den Nebenräumen seines Ateliers zusammenpacken. Immer wieder klingelt es an der Tür, Freunde und Wegbegleiter kommen vorbei, um "Ciao" zu sagen. Über der Klingel-Sprechanlage hängt noch ein Spruch: "Du hast keine Chance, aber nutze sie."
Um 10 Uhr klingelt es erneut: Es ist wie angekündigt die Gerichtsvollzieherin. Irgendjemand drückt auf den Türöffner. Eine freundliche, unaufgeregte Frau erscheint. Flatz erzählt, dass er sie kennt. Vor etwa 30 Jahren sei sie schon mal bei ihm auf der Praterinsel gewesen. "Ich war öfters knapp bei Kasse", erzählt er. "Einen Offenbarungseid musste ich aber nie abgeben." Die freundliche Justizbeamtin wartet das Ende des Letzte-Dinge-Einpackens geduldig ab. Sie ist gekommen, um die Räumung zu vollstrecken.


Die Vorgeschichte ist etwas kompliziert: Ursprünglich war Flatz davon ausgegangen, dass er hier "auf Lebzeit kostenfrei" arbeiten und wohnen dürfe. Er beruft sich auf einen Vertrag mit seinem Freund und Mäzen Christian Hirmer. Das Areal gehörte bis 2019 der Hirmer Immobilien. Doch nachdem diese das Grundstück an der Kistlerhofstraße verkauft hatte, sollte Flatz ausziehen.
25 Lkw-Ladungen mit Kunstobjekten, Material und Büchern mussten raus
Er unterschrieb eine Vereinbarung mit der neuen Eigentümerin, der Empira Group. Problem: "Hirmer hatte mir zugesagt, mir andere Flächen anzubieten", sagt Flatz. Doch es sei "nichts Adäquates dabei gewesen". Die Auszugsfristen verstrichen, nun wirft ihn die Gerichtsvollzieherin raus.
"Wir haben bis 3 Uhr nachts gearbeitet", erzählt Flatz. "Es war eine Woche bis zur Erschöpfung." Tausende Kunstobjekte, Material und rund 10.000 Bücher mussten ausgeräumt, verladen und weggebracht werden. Insgesamt 25 Lkw-Ladungen à 7,5 Tonnen, sagt er. Nicht weit entfernt, in einer ehemaligen Fabrik in der Boschetsriederstraße, kann der Künstler alles erst mal unterstellen. Mal schauen, ob mehr draus wird - also etwas Dauerhaftes.


Zum Abschied des Künstlers aus dem Kistlerhof sind etwa 30 Freunde und Wegbegleiter gekommen. Sie schlendern noch mal übers Dach, schießen viele Fotos. Allen ist bewusst, dass sie diesen Ort so nie wieder sehen werden. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass Flatz noch mal so eine Dachfläche in München angeboten bekommt", sagt einer, der öfters hier war.

Die Justizbeamtin hat derweil das Türschloss auswechseln lassen. Flatz drückt ihr alle seine Schlüssel in die Hand. Dann hält er noch eine kleine Rede. "50 Jahre Künstlerleben steckten hier drin", sagt er und wirkt dabei erstaunlich unsentimental. "Jetzt ist das Ende dieser Ära – am Ende gibt es wieder einen Neubeginn." Wenig später zieht er die Gittertür, hinter der es zwölf Jahre lang zu seinem Künstlerreich ging, einfach zu und geht.