Film ab im Pärchenkino

Ein Erotikkino soll richtig Lust machen – darauf, es an Ort und Stelle zu tun. Im „Cinestar“ warten die Männer nur darauf - ein Besuch im ältesten Pärchenkino der Stadt.
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Eingang zum "Cinestar" in der Landwehrstraße
Ronald Zimmermann Eingang zum "Cinestar" in der Landwehrstraße

MÜNCHEN - Ein Erotikkino soll richtig Lust machen – darauf, es an Ort und Stelle zu tun. Im „Cinestar“ warten die Männer nur darauf - ein Besuch im ältesten Pärchenkino der Stadt.

Ist das ein Knirps? Schwarz, 30 Zentimeter lang und mit Schlaufe am Ende verschwindet das Ding zwischen den Beinen der Frau. Ohohoh sagt sie dazu, aus den Lautsprechern im Rücken hören wir „That's the way, aha aha, I like it“ und vor uns sitzt ein Dutzend Männer auf den Kinostühlen – entweder schauen sie nach vorne, auf die Leinwand, wo ein Porno läuft. Oder sie schauen sich um nach uns, einem Paar im Pärchenkino, das einfach nicht zur Sache kommen will.

„Cinestar“ heißt das Lokal am Beginn Landwehrstraße. Es hat im Oktober 1975 eröffnet und ist damit Münchens ältestes Pärchenkino. Damals gab es sogar auf der Leopoldstraße so ein Etablissement. Doch was wir uns darunter vorzustellen haben, wussten mein Mann und ich vor dem Besuch nicht. Und ob ein Erotikkino für Paare wirklich so sein muss wie der Cinestar, wissen wir auch nicht. Ein bizarres Erlebnis an einem Samstagabend.

Schon der Beginn ist verheißungsvoll: Der Betreiber – Typ Phil Collins mit Lederweste – sagt durch das Kassenfenster zu uns: „Sie waren noch nie hier? Wenn Sie sich in die 1. oder 2. Reihe setzen heißt das, dass sie Männer dabei haben wollen.“ Schluck. „Die Damentoilette können Sie nur mit einem Schlüssel öffnen, den es an der Bar gibt.“

Lüsterne, durchdringende Blicke

Achja, und außerdem müssen wir zu zweit nur 17 Euro bezahlen, alle Getränke inklusive. Bevor er die Tür öffnet, sagt er noch: „In die abgesperrten Bereiche für Paare dürfen keine Männer rein.“ Rein ins Sexparadies. Schlagartig treffen mich so viele lüsterne und durchdringende Blicke, dass mir der Atem stockt. Alle Männer an der plüschigen Mini-Bar schauen her. Auffallend viele Schnauzbärte. Auf dem Ledersofa ein älteres Paar, es wirkt, als ob es seit 1975 hier sitzt. Außer mir noch zwei Frauen, beide wohl über 50 und tief ausgeschnitten.

Der Chef scheucht ein paar Männer weg von der Bar, damit wir – das einzige junge Pärchen im Raum – hier was trinken können. Eingeschüchtert schütten wir den ersten wässrigen Drink runter. Noch einen. Zwei Brillenträger starren mich an. An der Bar ein Flachbildschirm. Zwischen die Pornoszenen, die zwei Plastik- Blondinen mit ihren glattrasierten Typen erleben, ist sekundenweise ein palastartiges Gebäude geschnitten. Es ist das Edelste, was ich an diesem Abend zu sehen bekommen werde.

Ein Kino für "Bärchen"

Ok, Luft anhalten, rein ins Kino. Dichte Rauchschwaden, riesige Polstersitzreihen, rechts ist ein kleiner Bereich abgesperrt. Links fast die Hälfte des Raumes. Diese Bereiche sind deutlich ausgeleuchtet. Zu hören ist Flutschen, Schmatzen und Stöhnen vom Film. Vor, hinter und neben uns setzen sich Männer. Wir geben uns einen Kuss, wenige Zentimeter hinter uns erscheint ein teigiges Gesicht mit randloser Brille. Wir sitzen ganz ruhig, schauen uns den Film an, beobachten. Eine Männertraube steht vorn links und schaut zwischen die Sitzreihen. Ich schicke meinen Mann hin: „Schau mal, was da geht.“ Währenddessen betrachte ich auf der Leinwand aufmerksam die Frau, die den vermeintlichen Regenschirm in sich verschwinden lässt. Mein Mann kommt zurück und flüstert mir zu: „Da liegt eine unten ohne und einer fummelt an ihr rum.“ Hm.

Wir gehen wieder an die Bar und ich rede mit Mario, Typ Zirkusdirektor. Akkurat frisiertes Haar, Anzug. „Das Bali- Kino hatte Format, ein wunderbares Bärchenkino.“ Er ist Italiener, daher sagt er „Bärchen“ statt „Pärchen“. Das Bali war früher gleich beim Hotel Vier Jahreszeiten, da sind „Ärzte, Anwälte, hohe Schweizer Beamte ein- und ausgegangen“. Mario fängt an, meinen Oberschenkel zu streicheln, während er durch seine Hose hindurch ausgiebig sein Gemächt knetet.

Wir flüchten – ins Kino. Dort hat sich die Männertraube um die Reihe vorne deutlich vergrößert – viele knien um die Sessel drumherum. Jetzt muss auch ich wissen, was da los ist . . . stelle mich zwischen die Männer, sehe einen nackten Frauenkörper, der über und über bedeckt ist von Männerarmen. Zwischen den Beinen der Frau der Kopf des etwa 20-Jährigen, der vorhin noch an der Säule lehnte und mich starr beglotzt hat. Ja sakra! An meinem Hintern spüre ich eine Hand, ich will schreien, da sehe ich Gottseidank meinen Mann. Halt mich an ihm fest und ruhigen Schrittes gehen wir wieder an die Bar. Es ist vermutlich der vierte Wodka Lemon.

Da, plötzlich, ein Paar betritt den Raum. Sie sind jung, sie sehen nicht schlecht aus, er eher unscheinbar im Karohemd. Sie im seriösen Business- Look. Enger grauer Rock, weiße Bluse, die blonden Haare kunstvoll hochgesteckt. Was wollen die hier? Offenbar ist es eins jener „unerschrockenen Paare“, wie einer im Internet schreibt, die es hierher treibt. Denn in der Regel sind Pärchenkinos nur für solche zu betreten, verfügen über Waschgelegenheiten und bieten Separees für Paare, wo sich Vorhänge auf- und zumachen lassen. So ist es wohl im Atlantic City in der Schillerstraße – heißt es im Internet, ausprobieren sollen das gern andere.

Die Blondine reitet auf ihrem sitzenden Typ

Das schicke Paar knutscht nun heftig an der Bar, das Teiggesicht steht ganz nah an den beiden dran. Das Paar geht ins Kino und sehr schnell leert sich die Bar. Fast alle gehen rein. Der Rest geht so: Die Blondine befriedigt ihren Partner oral und um die beiden herum steht eine Männerhorde. Nicht wenige fummeln an sich rum, einige holen ihr bestes Stück der Einfachheit halber gleich an die Luft. Wir gehen leicht benommen zurück an die Bar, es läuft „There must be an Angel“ von den Eurythmics.

Noch ein Wodka Lemon. Mein Magen wird sauer, meinMann mag heim. Die Neugier treibt uns noch mal ins Kino, kurz stellen wir uns zwischen die Zuschauer, mittlerweile reitet die Blondine auf ihrem sitzenden Typ – beide sind bekleidet – und ein Voyeur mit Dauerwelle sitzt mit im Separee und ziept und zuppelt an sich herum. Genug Bärchenkino. Wir gehen.

Zum Abschied sagt der Chef „Bis zum nächsten Mal“. Vielleicht glaubt er wirklich, dass wir jetzt erst richtig angetörnt sind für das Erotikkino Cinestar. Wo sich die rote Deckenbespannung wellt und künstliche Bananenstauden im Vorführraum stehen. Denn wie heißt es auf der Website so treffend: „Seit 30 Jahren begleiten unvergessliche Erinnerungen unsere Gäste in alle Welt hinaus.“

Katharina Rieger

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