Feilschen im Rathaus

Dieter Reiters Suche nach einem Rathaus-Bündnis stagniert, deshalb könnte die Bürgermeisterwahl am 2. Mai verschoben werden.
von  Julia Lenders, Willi Bock

München - Die SPD hat sich in eine Sackgasse manövriert. Ihre Suche nach einem Partner, der mit Rot-Grün zusammengeht, war bislang nicht erfolgreich. Zugleich haben die Genossen die CSU als künftig stärkste Ratsfraktion so lange ignoriert, bis Fraktionschef Josef Schmid sich verärgert in den Urlaub verabschiedet hat.

Wie geht’s weiter? Gestern saßen SPD und Grüne erst mit ihren Fraktionen und Parteivorständen zusammen und haben anschließend gemeinsam beraten. Die Verhandlungen gingen bis in den Abend (ein Ergebnis lag bei Redaktionsschluss noch nicht vor). Die Zeit drängt: Am 2. Mai wird der neue Stadtrat vereidigt, und eigentlich sollen an diesem Tag auch die beiden Bürgermeister gewählt werden. Eigentlich.

Doch was, wenn bis dahin immer noch keine Entscheidung über eine neue Stadtregierung gefallen ist? Im geheim tagenden Ältestenrat hat der Noch-OB Christian Ude gestern den Plan erwogen, die Bürgermeisterwahlen auf ein Plenum Ende Mai zu verschieben. Die beiden Ämter blieben dann einen Monat lang unbesetzt.

Diesen Ausweg hat er bereits von der Rechtsabteilung prüfen lassen. Ergebnis: „Es ist nicht zwingend, dass man das am 2. Mai macht.“ Nun wollen sich die Stadt-Juristen noch bei der Regierung von Oberbayern rückversichern.

Der Hintergrund: Die Bürgermeister haben zunächst keine eigenen Zuständigkeiten. Sie bekommen nur die Aufgaben, die ihnen der OB abgibt. Weder die Gemeindeordnung noch die Geschäftsordnung des Stadtrats schreiben einen Termin für die Wahl vor. „Es ist egal, ob wir das am ersten Tag oder einen Monat später machen“, sagt ein versierter Stadtrat.

Der künftige OB Dieter Reiter ist skeptisch, was einen Aufschub angeht: „Das ist nur interessant, wenn es in der gewonnenen Zeit etwas zu verhandeln gibt.“ SPD-Mitglieder urteilen: „Das wäre für ihn gleich am Anfang hochpeinlich.“ Der Stadtrat könne dann in den Ausschüssen erst mit Wochen Verspätung richtig die Arbeit aufnehmen.

Doch das ist freilich nur Plan B. Die Hoffnung, dass es mit einem kleinen Partner doch noch klappt, Rot-Grün zu reanimieren, wollen Verantwortliche beider Parteien noch nicht ganz aufgeben. Bei den Grünen sieht man durchaus kritisch, wie die Roten auf den Piraten Thomas Ranft und auf Wolfgang Zeilnhofer-Rath („Hut“) zugegangen sind. Beide Stadträte haben sich inzwischen mit der FDP zu einer Fraktionsgemeinschaft zusammengetan.

„Vielleicht“, so meint ein Grüner, hätte man das verhindern können.“ Wenn ausreichend Gespräche geführt worden seien. Derzeit prüfen die Stadtjuristen auf Udes Auftrag hin auch, ob FDP, Hut und Piraten sich überhaupt zusammentun dürfen. Eine Fraktion dürfe keine reine „Zweckgemeinschaft“ sein, heißt es bei der Stadt.

Die einschlägige Regelung in der Geschäftsordnung des Stadtrats ist ein Gummiparagraph. Unter §17 heißt es lapidar: „Stadtratsmitglieder können sich zur Erreichung gemeinsamer Ziele zu Fraktionen zusammenschließen, wenn dieser Zusammenschluss mindestens vier Mitglieder hat.“ Mehr nicht.

Der Prüfung sieht der FDP-Rat Michael Mattar gelassen entgegen: Es gibt ein (recht allgemein gehaltenes) Bündnispapier der neuen Fraktion. Im Ältestenrat erklärte Mattar, nur beim Wohnungsbau seien die Partner nicht einer Meinung. Und: Unterschiedliche Auffassungen gebe es in den großen Fraktionen auch. Keiner widersprach ihm. Wenn alle juristischen Stricke reißen, gehen die FDP, Hut und Piraten „nur“ eine Arbeitsgemeinschaft ein.

Auch wer in den rot-grünen Reihen noch auf eine Kooperation mit den Linken gesetzt hatte, dürfte gestern enttäuscht worden sein. Münchens künftiger OB Dieter Reiter hatte eine Kooperation ausgeschlossen, da mit Cetin Oraner ein DKP-Mitglied zum Stadtrat gewählt wurde. Deshalb gab sich der ein oder andere bei Rot-Grün dem Wunschtraum hin, der Kommunist Cetin Oraner könnte parteiintern dazu gebracht werden, sein Mandat nicht anzutreten. Dann wäre der Weg für Rot-Rot-Grün theoretisch frei.

Doch Cetin Oraner will seine DKP-Mitgliedschaft lediglich ruhen lassen, wie es in einer Erklärung heißt. Linken-Stadträtin Brigitte Wolf zur AZ: „Die Wahl gilt. Es ist nicht an uns, Wahlgesetze auszuhebeln, nur damit wir in irgendein Bündnis gehen können oder sollen.“

Und wie wär’s mit einer Kenia-Koalition aus Schwarz, Rot und Grün? Augsburg macht es vor. CSU-Fraktionschef Schmid hatte gerade im AZ-Interview gesagt: „Was ich immer anbiete, ist ein Gespräch über eine Sacharbeit, die nicht die Fortsetzung einer jetzt schon wieder nach Posten heischenden rot-grünen Koalition zum Ziel hat.“

Wären die Grünen bereit dazu, sich auf die Schwarzen einzulassen? „Ein grünes Feigenblatt für eine große Koalition wollen wir nicht sein“, sagt ein einflussreicher Grüner zur AZ. Deshalb müsse man schon etwas anbieten – unter anderem das Musterprojekt Rosenheimer Straße, das die CSU bekämpft. „Bei der Rosenheimer Straße knicken wir nicht ein“, sagt ein CSU-Mann entschlossen. Das Feilschen geht weiter.

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