Feilschen, bis der Regen kommt

MÜNCHEN - Alles zwischen Plüsch und Plunder: 2000 Stände, 25000 Schnäppchenjäger: So war’s am Samstag auf der Theresienwiese, Münchens größtem Trödelmarkt.
Regen ist super. Gerade auf dem Flohmarkt. Am Samstag auf der Theresienwiese war die Festwiese bis 14 Uhr noch gesteckt voll. Noch war es mild. Noch war es trocken. Dann aber kam das Wasser vom Himmel. Am Anfang wie gesprüht, verwirbelt und leicht, dann etwas schwerer, mit mehr Druck von oben. Schließlich kam das Wasser windschief von der Seite. Es wurde Platz.
Der Nachmittagsregen spülte die Münchner von der Festwiese. Viele – das Bayerische Rote Kreuz, das den Flohmarkt organisiert, schätzte die Gesamtzahl der Besucher auf 25000 – waren schon im Morgengrauen gekommen: Die Oma mit ihrem altem Spiegel, die Dame mit dem feinem Geschirr und der Student mit dem wackligen Stuhl auf dem Rücken. Die Frühaufsteher feilschten, bis der Regen kam.
Der Regen weicht die Widerstandskraft auf
Ab zwei Uhr waren dann die richtig Harten dran. Die Profis, aalglatte Rabattjäger, die wissen, dass der Regen die Widerstandskraft der Händler aufweicht. Sie stapften durch matschigen Kies, lugten unter grauem Zellophan und boten siegessicher lachhafte Preise für unschätzbare Kostbarkeiten. Die mürrischen Verkäufer knurrten und nickten. Was blieb ihnen übrig? Bloß der Kaffee aus der Thermoskanne.
An 2000 Ständen wechselten allerlei Dinge an diesem Tag den Besitzer: Gläser, Jacken, Skelette, Kindermotorräder, Bierfässer, Lampen, Autoreifen, Stempel, Statuen oder Postkarten. Zwei Kroaten luden sogar ein schmiedeeisernes Gartentor in ihren Kleinlaster. Zugegeben: das meiste war hässlich, speckig oder einfach Glump – schwer vorstellbar, dass selbst der zerschlissenste silberne Plateauschuh mal ein Renner war. Dass jemand sein Erspartes für ihn ausgab, ihn anzog, in ihm tanzte und mit der Zeit doch immer weniger mochte – auf dem Flohmarkt fand sich schnell ein neuer Käufer.
Hier kriegen alle eine zweite Chance – und nächstes Jahr bleibt’s vielleicht trocken.
Thomas Gautier