Feiern mit Engeln und Königen

Apres Wiesn: Wenn die Festzelte dicht machen, geht in der Alten Kongresshalle die Party los.
von  Abendzeitung
Apres Wiesn in der Alten Kongressshalle auf der Theresienhöhe.
Apres Wiesn in der Alten Kongressshalle auf der Theresienhöhe. © petra schramek

Après Wiesn: Wenn die Festzelte dicht machen, geht in der Alten Kongresshalle die Party los.

Als Sepp die nackten Schenkel des Engels erblickt, grunzt er vor Freude. Die Fähigkeit, in ganzen Sätzen zu sprechen, hat er irgendwann heute Nachmittag in den Untiefen eines Maßkrugs verloren. „Geil“, japst er nur. Und nach einer kurzen Pause: „Geile Party“.

Es ist halb elf Uhr nachts. Die Festzelte haben jetzt bald zu. Doch direkt hinter der Bavaria geht die Party weiter: im Wiesnclub in der Alten Kongresshalle.

Der Engel, der Sepp so verzückt, heißt Selma und studiert tagsüber Wirtschaftsinformatik. In der Nacht wird die 26-Jährige dafür bezahlt, dass sie nur mit weißem Bikini, goldenen Stilettos und Flügeln aus Plüsch bekleidet auf einer Schaukel in zwei Metern Höhe durch die Luft schwingt und sich anstarren lässt.

Ludwig und der Engel mit Stilettos

Sepp ist mittlerweile bis zur anderen Seite der Eingangshalle gestolpert und studiert Selmas Rückenansicht. „Besser als Dirndl“, sagt er gerade, als eine Fanfare durch das Gewummer des Diskobeats dringt. Ein Mann stolziert durch die Halle. Er hat sich in blauen Samt gehüllt, einen schwarzen Schnurrbart über die Oberlippe geklebt und eine Krone auf den Kopf gesetzt. „Der Ludwig“, entfährt es Sepp, der dem König auf die Tanzfläche folgt.

Im Königskostüm steckt Ivan van Boyzz, ein Brasilianer. „Ich komme gerade aus meiner Sommerresidenz, deshalb bin ich so braun“, erklärt er. Niemand lacht, aber die Gäste klatschen höflich.

Dann geht die Party weiter.

Eine ausgelassene Feier, aber fast schon zahm im Vergleich mit dem Festzelt-Feeling: Im Wiensclub riecht es eher nach teurem Aftershave als nach Schweiß, Erbrochenem und dem nassen Holz der Biertische. Viele Gäste tanzen Hand in Hand und schwofen zu Housemusik im Foxtrott übers Parkett. Auf einer Riesenleinwand läuft Sissi, an den Wänden hängen Portraits der Wittelsbacher und das Dj-Pult wird von einer zwei Meter großen Krone geschmückt. Eine coole Ü-30-Party mit viel Edelschnickscknack? Ja! Aber ein Wiesnclub?

Auch bei Sepp scheint die Festzeltstimmung langsam nachzulassen. „Päuschen“, murmelt er, lehnt sich an eine Wand und schließt die Augen. Eine halbe Stunde später steht er noch genauso da. Als wir ihn wecken, lallt er: „Päuschen. Kraft sammeln. Für morgen.“

Denn morgen geht er weiter: der Wiesn-Wahnsinn.

tkw

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