Fastenpredigt: Was gut war - und was nicht
Zum vierten Mal derbleckt Luise Kinseher als Bavaria Bayerns Politiker - was saß, was ging daneben? Und wo wurd's richtig scharf? Die AZ-Analyse.
München - Wie auch in den Vorjahren hat sich Luise Kinseher (45) bei ihrer Fastenrede eher für die sanfte Art des Derbleckens entschieden. Ergebnis: Im milden Mama-Eintopf fehlt es an Schärfe und Würze.
DIE GRUNDIDEE
Die Bavaria berichtet, sie habe von ihren Kindern, den bayerischen Politikern, viele Bittgesuche und Geständnisse zugeschickt bekommen. Diese fiktiven Briefe, Mails oder Whats-App-Nachrichten liest sie im Laufe ihrer Rede vor. Nur den Brief von Ministerpräsident Horst Seehofer, den hält sie lieber geheim.
WAS KLAPPT
Spaß machen vor allem Kinsehers Wortspiele und Vergleiche. Von der absoluten Mehrheit der CSU kommt sie zur „Horstokratie“. Derzeit, so fabuliert sie, sei sogar eine Delegation aus Nordkorea da: „Die wollen anhand vom Seehofer herausfinden, wie man Alleinherrschaft absichert, ohne gleich die ganze Verwandtschaft umbringen zu müssen.“
Sie kündigt an, den Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger in ihrer Rede zu übergehen und fordert ihn zugleich auf: „Hubsi, schau nicht so naturtrüb!“
CSU-Haudegen Peter Gauweiler vergleicht sie mit einer alten Jacke im Schrank, die „schon abgewetzt, aber irgendwie zu schade fürs Rote Kreuz“ sei. Seine umstrittene Rede beim politischen Aschermittwoch fasst sie in aller Kürze so zusammen: „Der Russ ist so harmlos wie ein Radler!“
Die Staatskanzlei-Chefin Christine Hadertauer wird bei Kinseher zur „ganz persönlichen Vorhölle“ von Horst Seehofer. Und Wirtschaftsministerin Ilse Aigner gibt sie den Rat: „Du kannst die CSU-Männer nicht alle umbringen, eh klar, aber vielleicht so irritieren, dass sie mal von ganz von selber vor einen Bus laufen!“
WAS NICHT KLAPPT
Die Rede hat ein Aktualitätsproblem. Die Kommunalwahl vom Sonntag spielt darin kaum eine Rolle. Zu den beiden Münchner OB-Kandidaten, die nun in die Stichwahl müssen, will Kinseher offenbar nichts Gescheites einfallen. Dafür kommt sie nochmal ausführlich auf die Landtagswahl vom Herbst zurück.
Außerdem könnte der Zuhörer den Eindruck gewinnen, Kinseher habe nicht so recht gewusst, wie sie mit Uli Hoeneß umgehen soll. Zwar erwähnt sie ihn an prominenter Stelle am Anfang der Rede. Das Publikum auf Hoeneß’ Kosten zum Lachen bringen, will sie aber nicht. So nennt sie ihn eher als mahnendes Beispiel dafür, wie tief man fallen kann.
Manches, was Kinseher an Charakterisierungen und Scherzen über die Politiker bringt, ist inzwischen auch schon arg ausgelutscht – vor allem, wenn es um die Möchtegern-Seehofer-Nachfolger Markus Söder, Ilse Aigner und Christine Haderthauer geht.
WER FEHLT
Gar nicht genannt zu werden, ist am Nockherberg quasi die Höchststrafe. Dieses Jahr ereilt dieses Los bei der Rede zum Beispiel die beiden neuen CSU-Bundesminister Christian Schmidt und Gerd Müller, die namentlich nicht auftauchen – sowie den bayerischen SPD-Chef Florian Pronold. Der kommt dafür im Singspiel vor.
WO’S SCHARF WIRD
An einer Stelle zieht die Bavaria dann doch mal vom Leder. Und es trifft: die CSU – wen sonst? Was mache die, wenn’s in Berlin nicht richtig laufe? „Ablenken von der eigenen Bedeutungslosigkeit und nach unten treten. Gern mal gegen Zuwanderer!“
Kinseher lästert: Wenn der Spruch „Wer betrügt, fliegt!“ auf Bayern angewendet und alle ausgewiesen würden, die gegen den neuen CSU-Moralkodex verstoßen: „Dann wird einiges frei! Nicht nur Posten! Sondern auch Wohnungen! Da könnten dann die belogenen Mieter der GBW einziehen.“ Autsch, der saß.
WER GUT WEGKOMMT
Wie schon im vorigen Jahr hat Mama Bavaria ein Lieblingskind: Münchens Noch-OB-Christian Ude. In der Vergangenheit war sie auch schon einmal zu dessen Amtsjubiläum aufgetreten. Jetzt machte sie ihn am Nockherberg zum glorreichen Beispiel für die versammelten Politiker. „Fakt ist, Christian Ude ist 20 Jahre lang oben geblieben! In diesem Sinne: Macht das erst mal besser.“ Achtung, Schleimspur!
BEWERTUNG
Starkbier macht genügsam und weckt den Lach-Trieb. Zum Glück. Denn nüchtern betrachtet war das sicher nicht die beste Fastenrede von Luise Kinseher.