Familie mit Drillings-Frühchen: Ein paar hundert Gramm Glück

Gülsah und Ercan Tekes haben Frühchen – gleich drei. Hier erzählen sie, wie sie Schwangerschaft und Geburt gemeistert haben.
von  Sophie Anfang
Ercan und Gülsah Tekes mit ihren Frühchen Levin, Mael und Lias.
Ercan und Gülsah Tekes mit ihren Frühchen Levin, Mael und Lias. © Daniel von Loeper

München - Es war Freude, erinnert sich Gülsah Tekes und doch ein kleiner Schock: Damals beim Frauenarzt, als sie und ihr Mann Ercan auf dem Ultraschall drei kleine Herzen schlagen sahen. Vier Jahre hatte das Paar versucht, Kinder zu bekommen. Die Hoffnung war schon weg gewesen, die Familienplanung beiseitegeschoben und dann: Drillinge.

Jetzt sind wir also schwanger, dachte sich die 32-Jährige. Doch die Euphorie darüber wurde überschattet von Fragen.

Mehrlingsgeburt heißt Frühgeburt, heißt Risikoschwangerschaft. „Schaffe ich das?“, ging es ihr durch Kopf.

Wer Mehrlinge erwartet, muss sich auf eine Frühgeburt einstellen

Nur 31 Wochen später sitzen Gülsah und ihr Mann entspannt auf der Couch in ihrem hellen Wohnzimmer in Bogenhausen. Im Nebenzimmer stehen drei Bettchen. Fotos und bunte Glückwunschkarten mit den Namen der Babys hängen an der Wand: Mael, Lias und Levin. Sie haben winzige Hände und kleine Köpfe, aber sie sind gesund und putzmunter.

Die Kleinen haben das Leben der Eltern umgekrempelt. „Wir sind von einer Mini-Familie auf eine Maxi-Familie“, sagt Ercan (32). Auto, Wohnung, Kinderwagen, alles muss größer werden als geplant. Anstrengend, sicher. Aber entspannt im Gegensatz zur Schwangerschaft.

„Als wir schwanger waren“, Gülsah und Ercan benutzen beide diese Formulierung. Sie haben die Schwangerschaft gemeinsam gemeistert, das merkt man nicht nur an diesen sprachlichen Details.

Rund neun Prozent aller Kinder werden in Deutschland zu früh, also vor der 38. Schwangerschaftswoche, geboren. An den städtischen Kliniken waren es vergangenes Jahr 377. Für ganz München gibt es keine Statistik – dafür für Drillinge. 2014 gab es in München neun Drillingsgeburten.

Wer Mehrlinge erwartet, muss sich auf eine verfrühte Geburt einstellen. Das macht im ersten Moment Angst.

Im Internet fanden die Eltern nur Horrorgeschichten

Gülsah und Ercan Tekes haben in der ersten Zeit viel gegoogelt. „Wir haben vor allem Horrordokumentationen gefunden“, erinnert sich Gülsah. Berichte, in denen viele negative Faktoren zusammenkamen. „Macht mein Körper das mit?“, fragte sich die Visagistin, „und wie lange?“

Sie sei eben nicht die Größte und Kräftigste. Man könnte auch sagen: Gülsah Tekes ist eine sehr zierliche Frau. Aber eine, die nach vorne schaut und das Positive sucht.

Statt sich weiter mit Schreckensgeschichten aus dem Internet zu beschäftigten, gingen die Tekes’ zu Infoveranstaltungen, schauten sich Kliniken an. Beim Schwabinger Krankenhaus blieben sie. „Man achtet bei der Krankenhauswahl auf andere Sachen“, sagt Ercan. Statt nach einem kleinen Geburtshaus zu suchen, ging es darum: Gibt es eine Intensivstation? „Wir wussten, dass wir die in Anspruch nehmen müssen“, sagt er.

Die Medizin hat in den vergangenen Jahrzehnten große Fortschritte gemacht. Trotzdem: Eine Geburt mit Drillingen ist keine normale Niederkunft, die überall stattfinden kann. Die Klinik muss sowohl technisch als auch vom Personal her darauf eingestellt sein.

Die Babys sind klein, aber gesund

Generell versucht man, den Geburtstermin so weit wie möglich nach hinten zu legen. Je früher ein Kind zur Welt kommt, desto größer ist das Risiko. Die Lungen sind dann noch nicht vollständig ausgebildet. Bei sehr kleinen Frühchen kann es zu einer Gehirnblutung kommen. Es ist eine Abwägungsfrage. Wie geht es den Mehrlingen im Bauch, aber auch: Wie hoch ist die körperliche Belastung für die Mutter.

Während der letzten Schwangerschaftswochen habe man sie oft etwas veräppelt, sagt Gülsah Tekes und lacht: Zuerst komme der Bauch um die Ecke, dann sie, sagten die Schwestern zu ihr. Wenn man sich Fotos aus dieser Zeit ansieht, versteht man den Scherz. In der 25. Woche ging die 32-Jährige in die Klinik. Mit dem Chefarzt war vereinbart, den Geburtstermin in die 32. Woche zu legen. Die Zeit bis dahin verbrachten die Tekes’ mit Vorbereitungen, medizinisch, wie praktisch. Gülsah bekam Cortison-Spritzen, das hilft, um die Kinderlungen der Frühchen fit zu machen. Beiden Eltern wurde die Intensiv- und die Frühchen-Station gezeigt. Sie sollten sich zurechtfinden, wenn es ernst wird.

Dieser Moment war Mitte September. 1350, 1450 und 1550 Gramm Mensch. Drei Babys, so klein, dass sie zu dritt in einen Kinderwagen passten. Aber gesund. Ercan und Gülsah weinten nach der Geburt – vor Freude und Erleichterung.

Nach der Entbindung liegen Frühchen erst einmal im Brutkasten Frühchen kommen nach der Geburt zunächst in einen Brutkasten. Das schützt ihre Haut davor, Flüssigkeit oder Wärme zu verlieren. Zusätzlich werden sie beatmet. Kleine Menschen mit vielen Kabeln. Gülsah hatte gemischte Gefühle, als sie ihre Kinder so sah. „Ich als Mann fand es super, weil ich wusste, so werden sie versorgt und das brauchen sie“, sagt Ercan.

Ercan Tekes durfte gleich am ersten Tag zu seinen Kindern

Aus alten Filmen kennt man Bilder von in Reihen aufgestellten Geburtskästen und Eltern, die etwas verlassen hinter einer Trennscheibe auf der anderen Seite stehen. Weit weg von den eigenen Kindern. Heute ist das nicht mehr so.

Ercan Tekes war gleich am Tag der Geburt bei seinen Kleinen, Gülsah bekam ihre Kinder einen Tag später zum ersten Mal zum „Känguruhn“ auf die Brust gelegt. Eine frühe Bindung und Hautkontakt zwischen Eltern und Kind ist wichtig, in Schwabing legen Ärzte und Pflegekräfte großen Wert darauf. Eltern werden früh einbezogen, helfen bei der einfachen Körperpflege ihres Nachwuchses mit. Vor allem nach dem Umzug auf die Frühchenstation dürfen sie sich selbst immer mehr kümmern.

Wie muss man wickeln, das Kind waschen, was ist der richtige Schlafsack für Frühgeborene? Alles Fragen, auf die man im Internet nicht unbedingt eine Antwort findet, bei den Fachleuten in der Klinik schon. „Wir haben eine Mini-Ausbildung bekommen“, sagt Ercan Tekes.

Daheim erwartet die Familie ein neues Leben

Zwei Wochen nach der Entbindung durften Lias und Levin nach Hause, Mael eine Woche später. Sie seien gut vorbereitet gewesen, erzählen die Eltern. Selbst wenn der Schritt von der behüteten Station ins eigene Heim eine Umstellung ist. Da hilft es, dass einmal pro Woche eine Schwester aus der Schwabinger Klinik vorbeikommt, um die Eltern zu unterstützen. Wenn zwischendrin einmal etwas hakt, können die Tekes’ sie anrufen.

Langsam wird aus dem besonderen Stress der Frühgeburt ein normaler Elternstress – nur eben mal drei genommen. Beim ersten Spaziergang hätten sie noch eine halbe Stunde gebraucht, um alle drei fertigzumachen, erzählt Gülsah: „Jetzt geht’s schon in zehn Minuten.“

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