Falten bis zum perfekten Flug

Papierflieger sind ein Kinderspiel, eine ernsthafte Beschäftigung für Erwachsene und noch immer die Grundlage für neue Flugzeugtypen. Und sogar Werbe-Designer beschäftigen sich damit
von  Abendzeitung
Kein Kinderspiel, sondern Luftfahrttechnik: Papierflieger
Kein Kinderspiel, sondern Luftfahrttechnik: Papierflieger © Maurizio Gambarini

Papierflieger sind ein Kinderspiel, eine ernsthafte Beschäftigung für Erwachsene und noch immer die Grundlage für neue Flugzeugtypen. Und sogar Werbe-Designer beschäftigen sich damit

Es ist nicht nur ein Traum der Erwachsenen: das Fliegen. Wie tief der Wunsch in uns sitzt, vom Boden abzuheben und sich über die Dinge zu erheben, merkt man daran, mit welcher Begeisterung schon kleine Kinder Gegenstände auf ihre Flugfähigkeit prüfen. Und wenn dann noch ein Blatt Papier ins Spiel kommt, ist es geschehen: Falten, knicken, werfen. Beobachten, hinlaufen, neu werfen – und so fort.

Wie groß das Interesse an den leichten Fluggeräten ist, belegen nicht nur die Ausscheidungswettkämpfe zu den inoffiziellen Papierflugmeisterschaften: An 50 deutschen Uni-Standorten haben in den letzten Wochen mehrere tausend junge Männer und Frauen teilgenommen und versucht, ihre Flieger möglichst lange, möglichst weit und möglichst kunstvoll in der Luft zu halten. Und nicht nur das Internet ist voll von Flug-Videos und Faltanleitungen, auch der Buchmarkt bietet eine Vielzahl von Titeln, die in die Welt des geknifften Papiers einführen.

Fragt man einen Faltprofi, worin eigentlich die Faszination des fliegenden Papiers liegt, dann ist die Antwort ebenso schlicht wie eindrucksvoll: „Es ist einerseits die Liebe zum Papier und andererseits eine Art Verlängerung des Spaßes, den man als Kind hatte, als man aus den Schulheften eine karierte oder linierte Seiten herausgerissen hat und einen Papierflieger gebastelt hat.“

Der das sagt, ist einer der bekanntesten Papierkünstler Deutschlands: Zusammen mit seinem langjährigen Partner Renè Lucio hat der in München arbeitende Jan Spütz mehrere Bücher zum Thema verfasst und auch viele Jahre lang selbst Flugtage auf der Flugwerft in Oberschleißheim veranstaltet. „Leider hat das niemand weiterführen wollen, nachdem wir keine Zeit mehr hatten“, bedauert er, wird aber bei dem Event am Samstag auf der Flugwerft in OberSchleißheim zumindest mit seinen Büchern präsent sein.

Die Prototypen starteten aus dem Fenster

„Es ist aber die Liebe zur Form, zur Formfindung und Formgebung, die uns zum Weiterentwickeln von Papierfliegern gebracht hat“, sagt Spütz und erinnert sich an die Zeiten, als er sein Studio in der Widenmayerstraße an der Isar hatte: „Wir haben gerne immer dann, wenn die Ampel den Verkehrsfluss gestoppt hat, unsere Prototypen aus dem Fenster gestartet und geschaut , wie weit sie kamen. Hinterher wurden sie verfeinert, verbessert – und, wenn gar nichts vorwärts ging, auch verworfen.“

Mit Philosophie hat das Papierfalten für Pütz, der auch als „deutscher Origami-Papst“ (www.origami-events.de) vermarktet wird, nichts zu tun, eher mit Technik: „Es gibt kein neues Flugzeug, das nicht am Anfang ein Papiermodell war. Und denken Sie nur an die Segelfliegerei.“

Der längste Papierflieger-Flug

Der Inhaber des Guinness-Buch-Eintrags über den längsten Papierflieger-Flug Ken Blackburn zeigt, wie eng der Spaß mit sehr ernsten wissenschaftlichen Fragen zusammenhängt: Blackburn hat lange Jahre für die Flugzeugindustrie gearbeitet und ist heute Berater der US-Streitkräfte in Sachen „unbemannte Fluggeräte“ – eine Flugzeug-Gattung, die für die Hightech-kriege immer wichtiger wird.

Doch so viel Ernst steht am Samstagnachmittag in der Außenstelle des Deutschen Museums auf der Flugwerft Oberschleißheim nicht auf dem Programm. Zwischen den historischen Modellen geht für die Teilnehmer natürlich in erster Linie darum, aus dem Spaß ein Ticket zu den Weltmeisterschaften nach Salzburg zu machen.

Aber allen, die zusehen, wird auffallen, wie himmelhochjauzend so ein Flug des gefalteten Blatts sein kann, wie schön seine unvorhersehbaren Kurven und Volten sind, wie groß die Freude über jeden geschafften Meter, jede geflogene Sekunde. Wie früher, als die erste Seite aus dem Heft fällig war.

150 Flieger gehen in die Luft

Die Regeln sind streng: Papier in der Standard-Größe A4, mit einem Gewicht von höchstens hundert Gramm pro Quadratmeter – also normales Kopierer- oder Druckerpapier. Hilfsmittel sind verboten. Dann geht es los: Es wird geknifft und gefaltet, geknickt und begutachtet. Und dann geworfen. Die folgenden Sekunden sind die spannendsten im Leben eines Papierflieger-Piloten: Wie wird der Flug: Lang? Weit? Und wie kunstvoll?

Ein bisschen fluginteressiert sollte schon sein, wer am kommenden Samstag zur Außenstelle des Deutschen Museum nach Oberschleißheim fährt. Dort finden die (inoffiziellen) Deutschen Meisterschaften im Papierflug statt – als Ausscheidung für die Weltmeisterschaften, die vom 1. bis 3. Mai in Salzburg stattfinden werden: die „Red Bull Paperwings“, wie die Veranstaltung offiziell heißt. Bei den Ausscheidungswettbewerben haben sich rund 150 Teilnehmer qualifiziert, los geht’s am frühen Nachmittag. Wie auch bei den Weltmeisterschaften werden auf der Flugwerft die Besten in den Disziplinen weitester Flug, längster Flug und Kunstflug gesucht. Und weil der Wettbewerb in der Halle stattfindet, ist auch bei schlechtem Wetter für spektakuläre Flüge gesorgt.

Klaus Dreyer

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