Falscher Arzt (27) vor Gericht
München/Stuttgart- Nie war Hochstapeln so einfach: Seit im Internet mehr und mehr Dokumente lagern, reichen ein paar Klicks – und man hat eine neue Identität. So hat es zumindest Sascha St. angestellt: Nach Quali und gescheiterter Lehre brachte er es zum Arzt. Aber nur auf dem Papier. Die Arztzulassung hatte er auf Google gefunden, er fälschte einfach den Namen. Ein halbes Jahr ging der Schwindel als „Dr. Sascha Schenk” gut, auch in der Münchner Paracelsusklinik hat er Patienten behandelt. Dann flog alles auf – auch wegen einer Rechtschreibschwäche.
Vorher spritzte er Narkosemittel, legte Infusionen und nahm Blut ab: Rund 160 Patienten soll der falsche Arzt in München und Horb in Baden-Württemberg behandelt haben. Jetzt hat er den Schwindel vor dem Landgericht Stuttgart gestanden. „Ich bin darin aufgegangen, zu sehen, wie man Menschen helfen kann, die andere schon aufgegeben haben”, zitiert die „Neckar-Chronik” den 27-Jährigen.
In erster Linie wollte er sich aber wohl selbst helfen – indem er 2009 seinen Lebenslauf neu erfand: Darin war nichts mehr von Hauptschulabschluss, der abgebrochenen Ausbildung zum Konstruktionsmechaniker zu lesen. Stattdessen rühmte sich Sascha St. mit einem Abischnitt von 1,2 und medizinischen Staatsexamen mit den Noten 1,8 und 2,0.
Eine Urkunde aus dem Internet machte den falschen „Dr. Schenk” perfekt: „Sie geben in der Bildersuche ‚Approbationsurkunde’ und ‚Baden-Württemberg’ ein, können das herunterladen und mit Photoshop bearbeiten”,erläuterte der Angeklagte jetzt. „Ich wollte einfach mal gucken, wie das mit meinem Namen aussieht.” Offenbar verblüffend echt. Eine Arztvermittlungsagentur besorgte ihm die Stelle in der Paracelsusklinik.
Dort arbeitete er von August bis Dezember 2009 auf Honorarbasis, es soll nie Beanstandungen gegeben haben. Ihm wurde sogar eine Festanstellung angeboten. Doch „Dr. Schenk” verschwand. Fürchtete er, dass er auffliegen würde? Ab Januar 2010 war der falsche Doktor jedenfalls am Hospital zum Heiligen Geist in Horb am Neckar angestellt. Neun Mal war er als Notarzt mit dem Roten Kreuz im Einsatz. Als er sich schriftlich über Probleme bei der Zuteilung von Rettungskräften beschwerte, endete das Verwirrspiel. Der zuständige Vorgesetzte stutzte über die Form und die mehr als 60 Rechtschreibfehler und stellte Nachforschungen an.
Nun muss sich Sascha St. wegen MissbrauchS von Titeln, Betrug und Körperverletzung verantworten. Zwei Todesfälle, wegen derer zunächst gegen ermittelt wurde, werden ihm nicht angelastet. Die Richter haben eine Höchststrafe von 3 Jahren und 9 Monaten Haft vorgeschlagen. Der Prozess dauert an.
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