Falsche Polizisten: So leiden ihre Opfer

München - Immerhin, ihr Lächeln hat sie wiedergewonnen. Im Zeugenstand lacht die alte Dame sogar manchmal kurz. Doch der erste Eindruck täuscht. Anna L. (82) leidet nach einem knappen Jahr noch unter den Folgen des Schocks, beinahe Opfer von falschen Polizisten geworden zu sein. Ihr Lachen hat wohl mehr mit starker Nervosität als mit großer Fröhlichkeit zu tun.
„Ich habe seitdem Kreislaufprobleme“, sagt sie beim Prozess gegen die fünf miteinander verwandten Männer, die ihren Opfern mit der Geschichte vom angeblichen Falschgeld 61 000 Euro abgeluchst haben sollen (AZ berichtete). „Das war ein großer Schock, den ich immer noch nicht verkraftet habe.“ Tatsächlich zittert die 82-Jährige noch heute, wenn sie sich an den 20. Mai 2015 erinnern soll.
Die Falschgeld-Masche funktionierte laut Anklage so: Walter M. (40) und David M. (29) kontaktierten Rentner per Telefon. In den Gesprächen gaben sie sich als Polizeibeamte oder Bankangestellte aus. Sie redeten von Falschgeld, das im Umlauf sei und dass die Herrschaften doch bitte mal die Seriennummern ihrer Geldscheine vorlesen sollten. „Aha, ein X, das bedeutet Blüte“, riefen die Anrufer dann sinngemäß. Was natürlich Unsinn ist. Das X ist nichts weiter als eine Kennung für deutsche Euro-Noten.
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Die angeblichen Banker oder Polizisten, wollten dann einen Kollegen vorbeischicken, der die vermeintlichen Blüten abholen sollte. Kurz darauf klingelte Danny M. (26) bei den Geschädigten.
In zehn von 15 Fällen war er damit erfolgreich. Das Geld schickte Danny M. laut Anklage an seine Onkel oder übergab das Geld persönlich. „Ich habe mir immer 300 bis 400 Euro als Provision rausgenommen“, gibt er gestern zu. Er ist der einzige der Angeklagten, der geständig ist.
Anna L. fürchtete damals sogar, von Danny M. überfallen zu werden. Nachdem ihr die Falschgeld-Geschichte am Telefon von der „sympathischen Stimme“ eines etwa 50-jährigen Mannes mit Münchner Tonfall erzählt worden war, stand der Betrüger kurz darauf an ihrer Tür.
Die ehemalige Buchhalterin ahnte bereits, dass die Geschichte nicht stimmen könne, wollte den Mann nicht hereinlassen. Sie machte die Wohnungstür nur einen Spalt weit auf. „Verschwinden Sie, ich lass’ sie nicht rein“, habe sie gesagt.
Ein dramatischer Moment, denn der Mann auf der anderen Seite habe versucht, die Tür aufzudrücken. Dass ein Nachbar im Parterre auf die Situation aufmerksam geworden war, habe sie damals gerettet. „Da hat sich der Verbrecher nicht mehr getraut, die Tür aufzustoßen“, sagt sie.
Bleibt die Frage, wie die Täter auf ihre Opfer kamen. Anna L. glaubt, dass sie beim Geldabholen in der Bank beobachtet worden war und man ihr dann gefolgt sei.
Oder war sie einfach als Zufallsopfer im Telefonbuch aufgrund ihres Vornamens ausgesucht worden? Anna L. steht im Telefonbuch. So wie Rosa B. (85), die einen Rollator in den Gerichtssaal schiebt. Die Rentnerin war zwei Tage vor Anna L. heimgesucht worden und verlor 500 Euro. „Das war mein Monatsgeld, das ich bei der Bank abgeholt hatte“, berichtet sie.
Auch der 64-jährige Georgi A. sollte am 20. Mai 1250 Euro übergeben. Er rief stattdessen seine Frau an. Die sagte ihm, dass er die Polizei rufen solle. Das seien Betrüger. Richter Frank Zimmer anerkennend: „Sie haben eine kluge Frau.“
Die Folgen: Georgi A. zeigt sich zwar unbeeindruckt von der Tat. Aber: „Meine Frau sieht es nicht so locker.“ Rosa B. hat die Konsequenz gezogen. Ihr Name taucht im Telefonbuch nicht mehr auf: „Das passiert mir nimmer.“ Und bei Anna L. ist am 20. Mai die Angst in ihr Leben getreten. „Wenn es jetzt klingelt, gehe ich erst zum Balkon und schaue runter, wer da ist.“
Der Prozess dauert an.