Falsche Polizisten, Schockanruf, Enkeltrick: Aktuelle Betrugsmaschen im Überblick

München – Vom falschen Handwerker bis zum Enkeltrick – immer häufiger haben es Kriminelle mit verschiedensten Betrugsmaschen auf die Vermögen älterer Menschen abgesehen. Und sie sind sehr kreativ darin, Gutgläubigkeit und Gutmütigkeit von Senioren auf immer neue Art und Weise auszunutzen.
Die zunehmende Digitalisierung bietet da neue Chancen – leider auch für Verbrecher. "Wir beobachten, dass Kriminelle gezielt das Vermögen älterer Menschen ins Visier nehmen", sagt Justizminister Georg Eisenreich (CSU).

Staatsanwaltschaft München macht auf Betrugsmaschen aufmerksam
Grund genug für ihn und die Münchner Staatsanwaltschaft, noch einmal auf die miesen Methoden der Betrüger aufmerksam zu machen, um ältere Menschen, aber auch ihre Angehörigen für das Thema zu sensibilisieren.
Der Minister nennt Zahlen. So haben verschiedene Täter, die sich als angebliche Verwandte ausgaben, zwei Millionen Euro erbeutet. Noch erfolgreicher war die "Falsche-Polizisten"-Masche. Die Betrüger, die oft aus Call-Centern in der Türkei agieren, erbeuteten 6,1 Millionen Euro.
Bei Betrügern, die aus dem Ausland heraus agieren, ist die Aufklärungsquote gering, muss der Leitende Oberstaatsanwalt Hans Kornprobst einräumen.
Schockanruf-Masche ist bei Betrügern besonders beliebt
Hoch ist auch die Zahl der Schockanrufe. 4.168 Fälle registrierte die Polizei in Bayern. Schaden: 3,7 Millionen Euro. Noch schwerer als der Vermögensverlust wiegen die psychischen Folgen. Oft sind Depressionen die Folge für die Opfer von Betrügern.
Eisenreich: "Wer sich gezielt ältere Menschen als Opfer auswählt und deren Schwäche bewusst ausnutzt, muss mit härteren Strafen rechnen. Für Fälle von organisiertem Callcenter-Betrug schlagen wir eine erhöhte Mindeststrafe von zwei Jahren statt wie bisher einem Jahr vor."
Die AZ stellt hier einige der betrügerischen Methoden vor.
Love Scamming: Wenn die Liebe blind macht
Der von Staatsanwältin Juliane Grotz vorgestellte Beispielfall ist etwas untypisch. Denn die Kontaktaufnahme von Opfer und Täterin fand nicht wie jetzt üblich im Internet statt, sondern bei einem Urlaub in Neapel. Und das Opfer ist entgegen dem Regelfall ein Mann.
Der 70-Jährige erlebte mit seiner 43 Jahre jüngeren Bekannten "Delphina" einen zweiten Frühling. Was er nicht wusste, die 27-Jährige war verheiratet und ihr Ehemann leitete sie bei dem Betrug an. 230.000 Euro wollte die Frau von dem Münchner. Ihre Nichte benötige eine Lebertransplantation, gab sie als Grund an. Und sie arrangierte sogar ein Treffen mit dem angeblichen Arzt, der die Notwendigkeit der Operation bestätigte.
Doch die Überweisung des Geldes ging zwei Mal schief, weil Fahnder bereits auf die Betrüger aufmerksam geworden waren. Das Opfer wurde gewarnt, das Geld gesichert. Doch der 70-Jährige ließ sich erneut von "Delphina" einwickeln, zog die Strafanzeige zurück und gab ihr das Geld. "Delphina" sitzt jetzt in U-Haft.
Falsche Polizisten: Am Telefon wird Druck gemacht
Hier fängt die echte Münchner Polizei meist nur die kleinen Fische. Die Hintermänner in ausländische Callcentern bleiben meist unbehelligt.
So läuft die Betrugsmasche: Ein Anrufer, der sogenannte Keiler gibt sich gegenüber dem Opfer als Polizist, Richter oder Staatsanwalt aus und erklärt, dass der oder die Angerufene auf einer Liste von möglichen Einbruchsopfern stünde. Die Vermögenswerte des Opfers seien in Gefahr und müssten deswegen einem Polizisten, dem Abholer, abgegeben werden.
Besonders verwerflich aus Sicht der Ermittler: die Auswahl der Opfer. Es handele sich dabei durchgängig um ältere Menschen, die oftmals alleinstehend sind und in ihrer Wahrnehmung und ihrer Kritikfähigkeit eingeschränkt seien.
In einem Fall vom 27. März sollte auf diese Weise ein Opfer um 20.000 Euro gebracht werden. Doch der Mann hatte Zweifel, alarmierte die Polizei. Die Abholerin sitzt nun in U-Haft. Aber auch in diesem Fall ging der Polizei nur das schwächste Glied der betrügerischen Kette ins Netz.
Familienuntreue: Der Feind im eigenen Haus
Die Mehrheit der Helfer leiste wertvolle Arbeit, aber im engeren Umfeld eines älteren Menschen kann es auch schwarze Schafe geben, erklärt Justizminister Eisenreich. "Nicht nur Banden- und Trickbetrüger haben es auf das Vermögen älterer Menschen abgesehen. Täter kann zum Beispiel auch ein Bekannter mit Vorsorgevollmacht, ein Familienmitglied oder ein gesetzlicher Betreuer sein."
Bislang müsse das Opfer in solchen Fällen einen Strafantrag stellen. "Dazu sind die Opfer aber nicht immer in der Lage. Deshalb soll die Staatsanwaltschaft in diesen Fällen selbstständig ermitteln können", fordert der Minister.
Staatsanwältin Juliane Grotz hat ein Beispiel: Eine Pflegekraft war im November 2020 angezeigt worden. Einer 90-Jährigen fehlten Diamantringe, goldene Uhren und Armbänder. Bei der Durchsuchung der Wohnung der Beschuldigten fand die Polizei 40 Luxushandtaschen im Wert von 80.000 Euro. Die habe sie wohl durch den Verkauf des Diebesgutes finanziert.
Schockanruf: Keine Zeit zum Nachdenken
Wenn man so will, ist der "Schockanruf" eine Variation der "Falsche-Polizisten"-Masche oder der "Enkeltrick"-Methode. Auch beim Schockanruf geben sich die Anrufer als Polizisten oder nahe Verwandte aus. In der Folge wird eine eilige Notlage geschildert. Eine beliebte Variante: ein schwerer Autounfall, der von einem Angehörigen des Opfers verursacht wurde.
Der sogenannte Keiler setzt das Opfer massiv unter Druck, erklärt, dass eine bestimmte ärztliche Behandlung notwendig sei. Das Opfer soll deshalb einen größeren Betrag auftreiben und an einen Abholer übergeben.
Staatsanwalt Felix Prokop berichtet von einem aktuellen Fall: Am 18. März wurde eine Münchnerin von einer Frau angerufen, die behauptete, dass die Tochter des Opfers einen Unfall verursacht habe und im Krankenhaus liege. Die Münchnerin solle einem Abholer Bargeld und Goldbarren im Wert von 12.000 Euro übergeben. Was sie auch tat. Vom Anruf bis zur Abholung dauerte es nur 15 Minuten. Typisch für einen Schockanruf: dem Opfer keine Zeit zum Nachdenken geben.
Falsche Handwerker: Der Rohrbruch, der keiner war
Auch die Betrüger, die es mit der "Falsche-Handwerker"-Masche versuchen, arbeiten arbeitsteilig. Ein Täter tritt als "Handwerker" auf, ein zweiter agiert als "Sucher", ein Dritter sorgt als "Fahrer" für den Abtransport von Beute und Tätern.
Ihre Opfer finden die Betrüger im Internet, im Telefonbuch oder auf der Straße. Sie verfolgen ältere Menschen nach Hause und geben sich dann dort als Handwerker aus. So erklärt der "Handwerker", es müsse zum Beispiel wegen eines Rohrbruchs, das Wasser abgestellt werden. Während der Handwerker so die Opfer ablenkt, durchsucht der Sucher Wohnung oder Haus. Sobald der Sucher mit der Beute im Auto ist, ruft er den Handwerker an, dass er nun schleunigst den Tatort verlassen soll.
Ermittlungserfolg: Eine Bande, die Anfang 2021 in München und Nürnberg ihr Unwesen getrieben hatte, konnte festgesetzt und vor Gericht gebracht werden. Das Landgericht verurteilte die drei geständigen Männer. Ein Täter bekam zwei Jahre auf Bewährung, die beiden anderen müssen drei und fünf Jahre in Haft.
Microsoft-Betrüger: Die Lösung wird zum Problem
Microsoft Support Call, nennt sich eine weitere Betrugsmasche, berichtet Staatsanwalt Felix Prokop. Auch hier gibt sich der Anrufer für jemanden aus, der er nicht ist. In diesem Fall als Mitarbeiter der Firma Microsoft.
Er schildert, dass der Computer des Opfers von Schadsoftware befallen sei. Um einen Hacker-Angriff abzuwehren, bräuchte man ein neues Sicherheitszertifikat, eine neue Sicherheitssoftware oder die Verlängerung einer Lizenz. Das koste Geld. Zumeist werden dreistellige Beträge gefordert, die überwiesen oder per Gutschein- oder Prepaidkarten zu begleichen sind.
Geht das Opfer auf das Angebot ein, wird von den Betrügern tatsächlich eine Schadsoftware installiert, die gespeicherte Daten auslesen und sich ins Online-Banking einwählen kann. Zudem können die Betrüger nun das Opfer vom Zugriff auf das Gerät ausschließen.
Die Polizei hat ein aktuelles Beispiel parat: Ein 71-Jähriger erhielt am 1. April einen Anruf von einem vermeintlichen Microsoft-Mitarbeiter. Er habe verdächtige Aktivitäten auf dem PC des Rentners beobachtet. Der Anrufer bot Hilfe an. Er überredete den 71-Jährigen, ihm Zugriff über die Ferndiagnose auf den Computer zu gewähren und eine Software zu installieren. Dadurch bekam der Fremde die Kontrolle über den PC und damit auch über das Homebanking des Opfers.
Zudem gab der Rentner die Daten seines Personalausweises weiter. Der Betrüger buchte mit Hilfe der Informationen mehr als 1.000 Euro ab. Erst als der Rentner den Fehlbetrag in seinen Bankunterlagen bemerkte, wurde ihm klar, dass er betrogen worden war. Er ging zur Polizei. "Die Masche ist alt", sagt Kriminalhauptkommissar Reinhard Knitl, "aber leider noch immer erfolgreich."