Falsche Polizisten: Fahnder aus München decken illegale Callcenter im Libanon auf

Dem Boss der Bande ist der Boden in der Türkei zu heiß. Er zieht mit der Organisation nach Beirut um. Polizisten heben drei seiner Callcenter aus. Neun Verdächtige gefasst: "Es zeigt, wie weit der Arm der Strafverfolger aus München reicht."
von  Ralph Hub
Oktober 2022: Einer der Bandenbosse wird festgenommen.
Oktober 2022: Einer der Bandenbosse wird festgenommen. © Hürriet

München – "Das kommt nicht alle Tage vor", sagt Kai Gräber, Oberstaatsanwalt für Organisierte Kriminalität der Staatsanwaltschaft München I, zuständig für organisierte Kriminalität und lacht. "Es zeigt, wie weit der Arm der Münchner Strafverfolger reicht."

Auf sehr verschlungenen Pfaden kamen die Münchner Ermittler den falschen Polizisten in Beirut auf die Spur, wie Kriminaloberkommissarin Desiree Schelshorn vom neu gegründeten Kommissariat K 61 (bisher AG Phänomene) am Dienstag im Präsidium erzählt. Eine zentrale Rolle spielt dabei eine Abholerin, die in München im Juni 2022 erwischt wurde.

Anrufe als falsche Polizisten in München: Einer der Gangster wird zu gierig

Bei der Vernehmung plaudert die Verdächtige überaus interessante Interna aus u. a. von einem 28 Jahre alten Komplizen aus München. Der sei in der Hierarchie der Bande aufgestiegen und nach Istanbul übersiedelt. Dort arbeitet er in einem der illegalen Callcenter, er ruft vorwiegend ältere Menschen in Deutschland an und macht ihnen Angst. Ein Einbruch in deren Wohnung stehe unmittelbar bevor. Geld und Gold der vermeintlichen Opfer sei in Gefahr – die übliche Masche der falschen Polizisten.

Doch der neue Mann in der Führungsriege der Bande wird offenbar gierig. "Er hat dem Chef der Bande 10.000 Euro gestohlen", erzählt Desiree Schelshorn. Der Boss in Istanbul sinnt auf Rache. Dabei droht er auch, die Mutter des Verräters ermorden zu lassen. Die Frau geht schließlich zur Polizei und bittet um Hilfe. Was aus ihrem Sohn wurde, ist unklar. Seine Spur verliert sich in Istanbul.

Die Polizisten im Libanon kooperieren mit den Münchner Behörden

Die Münchner Ermittler erfahren durch verschiedene Überwachungsmaßnahmen vom Umzug in den Libanon. Sie stoßen auf einen 39-Jährigen aus Bremen. Dem Kopf der Bande, der seinen "Geschäftssitz" von Istanbul nach Beirut verlegt hat. "Offenbar war ihm der Boden in der Türkei zu heiß geworden", sagt Desiree Schelshorn. Der Grund: Die Polizei hatte 2022 mehrere Callcenter in Izmir, Istanbul und anderen Städten auffliegen lassen.

Der Chef (44) dieser Bande hatte sein Domizil in der Stadt Mersin regelrecht zur Festung ausbauen lassen. Ein Gericht verurteilte ihn inzwischen zu 399 Jahren Haft. Die Münchner Fahnder übermittelten ihre Erkenntnisse über den Umzug einer neuen Bande nach Beirut an die dortige Polizei und die Staatsanwaltschaft. "Wir hatten schon befürchtet, dass in Libanon unsere Ermittlungen enden", sagt Desiree Schelshorn. Aber es kommt anders. Die Kollegen in Beirut sind sehr kooperativ.

"Können nirgends vor uns sicher sein": Nach vier Wochen gelingt der Polizei München ein Erfolg

Nach nur vier Wochen gelingt ihnen ein erster großer Erfolg: In Achrafieh, Badaro und Gemayze (drei Stadtteile von Beirut) werden drei illegale Callcenter ausgehoben. Neun Männer im Alter von 21 bis 46 Jahren werden festgenommen. Sieben sitzen im Libanon in U-Haft, darunter zwei Deutsche, der 39-jährige Boss und ein 21-Jähriger, beide aus Bremen. Der Jüngere zählt ebenfalls zur Führungsebene der Bande. Die Münchner Staatsanwaltschaft hat die Überstellung der beiden Verdächtigen nach Bayern bereits beantragt.

Beirut war, so die Bilanz von Oberstaatsanwalt Kai Gräber, das achte Callcenter, das die Münchner Fahnder zusammen mit Kollegen vor Ort seit 2015 in Polen und der Türkei zerschlagen haben. Seit 2021 wurden in München 150 Abholer erwischt. Zuletzt wurde einer vergangene Woche zu fünf Jahren Haft verurteilt. An die Bosse heranzukommen, ist schwerer. Der jüngste Ermittlungserfolg im Libanon sei ein klares Signal an die Hintermänner, betont der Münchner Oberstaatsanwalt: "Egal wo sie hingehen, egal wo sie sich verstecken, sie können nirgends vor uns sicher sein."

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