„Fall Toth“ beschäftigt die Politik

München - Florian Streibl (53) war maßgeblich daran beteiligt, dass sich 2013 ein Untersuchungsausschuss mit dem Fall Gust Mollath beschäftigte und gehörte zwei Jahre später dem Ausschuss „Labor“ an, der die Schottdorf-Affäre durchleuchtete.
Dabei habe er den Eindruck gewonnen, dass im Justizsystem des Freistaats „vieles seltsam oder gar falsch läuft und dass in Bayern schon manchmal das schnelle, nicht das richtige Ermittlungsergebnis im Vordergrund steht“, sagt der Landtagsabgeordnete der Freien Wähler.
Jetzt hat Streibl in einem weiteren Fall „Ungereimtheiten, die auffallen“ ausgemacht und fordert Aufklärung: Es geht um Benedikt Toth (41), der seit fast zehn Jahren als „Parkhausmörder“ in Haft sitzt, weil er seine Tante Charlotte Böhringer († 59) getötet haben soll – was er jedoch bis heute bestreitet.
Florian Streibl hat nun eine Anfrage an die Bayerische Staatsregierung eingereicht, in der er um Antworten auf sechs detaillierte Fragen zur Causa Toth bittet.
Im Zentrum seines Interesses stehen Merkwürdigkeiten rund um den abgelehnten Antrag der Toth-Verteidigung, das Verfahren wieder aufzunehmen.
So möchte Florian Streibl unter anderem wissen, wie es kommen konnte, dass die Staatsanwaltschaft München I – sie hatte im Prozess gegen Benedikt Toth die Anklage geführt – ungefragt eine (negative) Stellungnahme zum Wiederaufnahmeantrag abgab, über den das Landgericht Augsburg zu entscheiden hatte.
Außerdem fragt Streibl, wie sich erklären lässt, dass ausgerechnet der 3. Strafsenat am Oberlandesgericht über die Beschwerde gegen die Ablehnung des Wiederaufnahmeantrags urteilte. Obwohl dessen Vorsitzende Margarete Nötzel mit dem damaligen Chef der Staatsanwaltschaft München I, Generalstaatsanwalt Manfred Nötzel, verheiratet ist.
Ebenfalls erläuterungswürdig erscheint dem Politiker und Rechtsanwalt, warum einer der Richter an der Ablehnung beteiligt war, der auch mit dem Prozess gegen Werner M., den Mörder von Ursula Herrmann, befasst war.
Die Zehnjährige aus Eching war 1981 entführt und in eine Kiste gesperrt worden, in der sie erstickte.
Ein genetischer Fingerabdruck, der an einer Schraube in dieser Kiste gesichert wurde, tauchte mehr als drei Jahrzehnte später wieder auf: an einem Glas in der Spülmaschine von Charlotte Böhringer. Doch weder im Verfahren gegen den Mörder des Mädchens noch im Prozess gegen Benedikt Toth spielte dieser „Spur-Spur-Treffer“ eine große Rolle.
Zudem befasst sich die Anfrage mit dem Wunsch eines ZDF-Journalisten, Benedikt Toth in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Straubing für die Sendung „37 Grad“ zu interviewen.
Während er die Erlaubnis bekam, ein Gespräch mit Werner M. in der JVA Lübeck zu filmen, und Toth dem Interview zugestimmt hat, muss der Reporter in Niederbayern bis heute draußen bleiben. Nicht einmal ein Telefoninterview wird gestattet.
Florian Streibl sieht hier einen Konflikt mit dem „Informationsrecht der Öffentlichkeit und dem Recht des Verurteilten auf freie Meinungsäußerung“.
Mit den Antworten rechnet der Abgeordnete in den nächsten zwei Wochen. Die Familie des Verurteilten Familie spricht von einem „Hoffnungsschimmer“: „Zum ersten Mal muss die bayerische Justiz zu den Formfehlern und Ungereimtheiten im und nach dem Prozess Rede und Antwort stehen.“
Benedikt Toth hat währenddessen entschieden, die 950 Euro Entschädigung für die verzögerte Bearbeitung seines Wiederaufnahmeantrags an eine US-Organisation zu spenden, die sich um die Aufklärung von Justiz-Irrtümern bemüht. „Das Geld soll denjenigen helfen, die auch von dieser Art von Ungerechtigkeit heimgesucht wurden“, sagt er.