Fall Reiter: Ude startet den Gegenangriff

Am Mittwoch will OB Ude im Stadtrat die ganze Affäre „rückhaltlos aufklären“. Wirtschaftsreferent Dieter Reiter (SPD) sei nicht der einzige gewesen, der zu Fußballspielen eingeladen wurde.
AZ: Herr Ude, die London-Reise Ihres Wirtschaftsreferenten Dieter Reiter hat für großen Wirbel gesorgt. Welche Konsequenzen ziehen Sie daraus?
CHRISTIAN UDE: Dass über einige Zusammenhänge rückhaltlos aufgeklärt werden muss! Wenn es eine Fraktion wünscht, werde ich das schon am Mittwoch in der Vollversammlung des Stadtrats tun können.
Welche Zusammenhänge meinen Sie?
Alles, was man über Fußballeinladungen und die Presse-meinungen zu solchen Vorgängen hören und lesen konnte. Aber auch, wer schon alles eingeladen wurde und das angenommen hat. Das ist doch hochinteressant.
Das finden wir auch. Und wer gehört alles dazu?
Zu viele für ein Interview! Interessant ist auch, wer schon kritisiert hat, dass sich jemand nicht einladen ließ ...
... weil Ihnen in einem Zeitungskommentar vorgeworfen worden ist, dass Sie nicht auch in London waren. Nun prüft die Staatsanwaltschaft die London-Reise.
Dass sich die Staatsanwaltschaft einschaltet, begrüße ich ausdrücklich, weil die strafrechtlichen Vorwürfe nur durch sie geklärt werden können. Und selbstverständlich bekommt sie alle Unterlagen und Hinweise über identische Sachverhalte. Übrigens würde ich als Journalist die Frage stellen, warum nur gegen Dieter Reiter ermittelt wird und nicht gegen den Intendanten der Philharmoniker, Paul Müller. Für den gelten die strengeren Regeln für die städtischen Mitarbeiter, und es liegt der identische Sachverhalt vor. Aber? Der einzige Unterschied ist das fehlende Parteibuch.
Was ist mit dem Chefdirigenten der Münchner Philharmoniker?
Lorin Maazel ist kein Mitarbeiter der Stadt, er hat nur gefragt, ob es stilistische Bedenken gäbe oder ob es unerwünscht sei. Aber er hätte nicht fragen müssen. Der Intendant musste fragen, und er bekam es selbstverständlich genehmigt. Der Fall zeigt, dass für Referenten wie für Beamte gilt: Mit Genehmigung des Dienstherren ist es in Ordnung.
Zwei Rechtsabteilungen im Rathaus haben den Antrag geprüft und ihn durchgewinkt. Da haben Sie sich auf der sicheren Seite gefühlt.
Ich fühle mich auf der bombensicheren Seite. Ich habe eine 20-jährige Erfahrung im Umgang mit diesem Thema. Dabei gelte ich als der Strengste und Penibelste, der deswegen auch schon wiederholt kritisiert wurde.
Von wem?
Von einer Zeitung, weil ich mich nicht von einem Scheich in den Nahen Osten habe einladen lasse, der Baugrundstücke von der Stadt kaufen möchte und über das Baurecht verhandeln will. Da bin ich kurioserweise kritisiert worden.
Sie fordern von Ihren Referenten Fingerspitzengefühl. Haben Sie das hier nicht selbst vermissen lassen?
Ich habe den Referenten empfohlen, sich im Zweifelsfall eine Genehmigung einzuholen. Hier ist eine Genehmigung eingeholt und erteilt worden. Ich bin mir sicher, dass alle Zeitungen mich in der Luft zerrissen hätten, wenn ich den Philharmonikern und dem Wirtschaftsreferenten die Teilnahme versagt hätte. Die Kommentierung kann ich Ihnen fast wörtlich sagen.
Dann mal los!
Der „Blaue“ gönnt den „Roten“ wohl nicht, auch von der Stadt anständig gewürdigt zu werden. Bei einem Jahrhundertereignis ist die Stadt nicht dabei. Deutschlands Wirtschaft trifft sich, aber der Wirtschaftsreferent kann wegen der angeblichen Missstimmung zwischen Ude dem FC Bayern diese traumhafte Chance, Deutschlands Wirtschaft zu erreichen, Sponsoren für Olympia zu werben, nicht nutzen.
Und wer bezahlt das? Hotel und Flug wären doch Sache der Stadt gewesen. Der Ministerpräsident ließ das aus der Staatskasse bezahlen.
Zunächst einmal begreife ich Ihren AZ-Kommentar aus der Vorwoche nicht. Dabei geht es mir nicht um Kritik an einem Verhalten, die muss man immer hinnehmen. Aber warum soll es ein so großes Anliegen des deutschen Steuerzahlers sein, dass er den Fußballzirkus bezahlt, statt der Vereine? Dagegen verwahre ich mich mit allem Nachdruck. Wieso sollen die Steuerzahler die Flüge des FC Bayern bezuschussen? Sie schreiben ja selbst, dass es in Ordnung ist, dass Reiter in London war.
Manche Affäre hat die Akteure gestürzt oder sich nachher in Luft aufgelöst. Wie brisant schätzen Sie diesen Fall ein?
Mit der Aufklärung wird er sich erledigen.
Woher nehmen Sie diese Sicherheit?
Am Witzigsten ist, wer die Dienstreise genehmigt hat. Aber das möchte ich am Mittwoch erst dem Stadtrat mitteilen.
Sie selbst haben sie doch genehmigt.
Ich habe die Annahme der Einladung genehmigt. Aber es braucht dafür einen Dienstreiseantrag.
Den hat Reiter ja gestellt.
Richtig.
Wer kommt dabei sonst noch ins Spiel? Das kann doch nur Bürgermeisterin Strobl oder der grüne Bürgermeister Monatzeder sein.
Abwarten! Übrigens werde ich auch identische Sachverhalte mitteilen – auch bei Champions-League-Finales. Dann wird die Justiz entweder sehr viel oder gar nichts mehr zu tun haben. Dieter Reiter ist doch nicht der erste Vertreter der Öffentlichen Hand, der eingeladen worden ist.
Wie geht es aus?
Meine Prognose: Dass es entweder eine sehr schnelle Klärung der Rechtslage gibt oder eine Ausweitung der Ermittlungen, gegen die ich überhaupt keine Bedenken habe.