Fahrverbote zulässig: So reagiert München auf die Diesel-Entscheidung

Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass Fahrverbote für Dieselfahrzeuge eine rechtmäßige Option zur Bekämpfung des Luftproblems in deutschen Großstädten sind. Die Reaktionen auf das Urteil in München sind unterschiedlich.
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Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden: Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge sind zulässig.
dpa Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden: Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge sind zulässig.

Die Luft in deutschen Ballungsräumen ist schlecht. Seit Jahren werden Grenzwerte für Stickstoffoxide deutlich überschritten - im Fokus stehen Dieselfahrzeuge. Das Bundesverwaltungsgericht hat nun entschieden, dass Fahrverbote eine rechtmäßige Option zur Bekämpfung des Problems sind. Die Reaktionen auf das Urteil sind unterschiedlich.

Alles, was Sie zur Diesel-Entscheidung des BVG wissen müssen, erfahren Sie <strong>hier</strong>

Die bayerische Regierung will nach dem Diesel-Urteil die Möglichkeit von Fahrverboten in bayerischen Städten zur Verbesserung der Luft nun sorgfältig prüfen. Das Bundesverwaltungsgericht hatte Fahrverbote in Düsseldorf und Stuttgart für grundsätzlich zulässig erklärt, aber betont, sie müssten verhältnismäßig sein und Übergangsfristen und Ausnahmeregelungen umfassen. Die Reaktionen auf die Entscheidung fallen unterschiedlich aus, wir haben sie zusammengefasst.

Die Reaktionen aus München

Dieter Reiter (SPD), Oberbürgermeister der Stadt München: "Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig drängt mit dem heutigen Urteil auf die Einhaltung der Grenzwerte. Die Bundesländer, also auch der Freistaat Bayern, haben nun die Möglichkeit, zonen- oder streckenbezogene Fahrverbote in den Luftreinhalteplan aufzunehmen. Eine Befugnis oder Pflicht der Kommunen, selbst Fahrverbote auszusprechen, ist dem Urteil nicht zu entnehmen.

Gleichzeitig hat das Gericht aber auch klar gemacht, dass eine blaue Plakette als einzig sinnvolle Lösung in Betracht kommt. Hier ist die Bundesregierung als Gesetzgeber weiterhin gefordert, umgehend eine bundesweit einheitliche Regelung zu schaffen.

Gefordert ist aus meiner Sicht aber vor allem auch die Autoindustrie, endlich das Vertrauen ihrer Kunden zurückzugewinnen. Sie muss unverzüglich auf eigene Kosten betroffene Dieselfahrzeuge mit einer Hardwarelösung nachrüsten. Nur saubere Autos können saubere Luft gewährleisten."

Josef Schmid (CSU), Zweiter Bürgermeister der Stadt München: "Das Urteil wird weitreichende und schwierig umzusetzende Folgen für die Landeshauptstadt München haben. Die Umsetzung von pauschalen Fahrverboten wird längere Zeit dauern. In dieser Zeit muss der Bundesgesetzgeber für einen verträglichen Übergang sorgen: mit der Fortschreibung der Umweltzone mit Übergangsfristen und Ausnahmetatbeständen. Wirtschaftsverkehr ist für die Landeshauptstadt München unerlässlich. Pauschale Aussperrungen sind Gift für unsere Wirtschaft. Und wir können weder Bürgerinnen und Bürgern, die das Auto privat nutzen, noch den Unternehmen auf einen Schlag die Luft abdrehen."

Jens Röver, Stadtrat der SPD München: "Mit diesem Urteil haben wir die schlechteste aller Lösungen: Die Verantwortung und die Belastung werden auf die Städte und die Bürgerinnen und Bürger abgewälzt. Nun wissen wir also, dass in Städten mit überschrittenen Grenzwerten straßenbezogene  Diesel-Fahrverbote verhängt werden können. Nur leider bringt uns das in München rein gar nichts. Denn straßenbezogene Fahrverbote helfen uns kein Stück weiter. Sollen wir etwa die Landshuter Allee für Diesel-Fahrzeuge sperren, damit diese in die umliegenden Viertel ausweichen und dort alles verstopfen? Solche punktuellen Straßensperren sind ein Schmarrn und keine Lösung für München.

Was  wir brauchen und wollen, sind zwei Sachen. Erstens: Eine faire, wirkungsvolle und bundesweit einheitliche rechtliche Grundlage, um die Umweltzone um Regeln für Diesel-Fahrzeuge zu erweitern. Mit der blauen Plakette können wir gezielt und nachvollziehbar schmutzige Diesel aus der Umweltzone aussperren. Das verbessert die Luft wirklich, anstatt die Belastung in die Wohnviertel zu verdrängen. Wichtig ist uns auch, dass wir vernünftige Regelungen für Anwohnerinnen und Anwohner sowie Gewerbebetriebe und das Handwerk finden.

Die zweite Forderung ist: Die Autohersteller müssen schmutzige Diesel technisch mit einer sauberen Abgasanlage nachrüsten und die Kosten dafür tragen. Der Bund und die Industrie dürfen die Verantwortung nicht einfach auf Städte und Bürgerinnen und Bürger abwälzen!"

Die CSU gibt sich skeptisch

Manuel Pretzl, CSU-Fraktionschef im Münchner Stadtrat: "Das Bundesverwaltungsgericht hat heute entschieden, dass Kommunen Diesel-Fahrverbote verhängen können. Mit dem Urteil wälzt das Gericht die Verantwortung auf die Kommunen ab und liefert uns unbrauchbare Lösungsvorschläge. Die Folgen dieses Urteils würden schwerwiegend für München sein, sollten wir gerichtlich zur Einführung von straßenbezogenen Diesel-Fahrverboten verpflichtet werden. Wir würden damit einen Teil des Verkehrs von Haupt- auf Nebenstraßen umlenken, der Stau würde die Luft in München sogar noch mehr belasten.

Wenn sich überhaupt jemand daran halten würde, denn wir können die Fahrzeuge schließlich nicht kontrollieren. Wir haben mit unserer Forderung nach Einführung einer Blauen Plakette Recht behalten: Die Erweiterung der Umweltzone auf Diesel-Einfahrbeschränkungen ist in räumlicher und zeitlicher Hinsicht der einzig gangbare Weg, für Bürger, Pendler und Gewerbetreibende faire Zufahrtsregelungen zu erlassen. Wir brauchen in München weitreichende und großzügige Übergangs- und Ausnahmeregelungen, sonst haben vor allem unsere Gewerbe- und Handwerksbetriebe ein ernsthaftes Problem. Pauschale oder streckenbezogene Diesel-Einfahrtssperren wären ein Katastrophe für den Wirtschaftsstandort München"

Ulrike Scharf (CSU), Bayerische Umweltministerin: "Die Entscheidung hat erst einmal keine unmittelbaren Auswirkungen auf Bayern. Die Haltung der Staatsregierung ist klar: Pauschale Fahrverbote für Dieselfahrzeuge in Großstädten lehnen wir ab. Das trifft viele Bürger in unverhältnismäßiger Weise und ist in der Lage, den Wirtschaftsstandort Bayern zu gefährden. Wir setzen auf Anreize statt auf Verbote."

Lukas Köhler, Münchner Bundestagsabgeordnete und Obmann der FDP-Fraktion im Umweltausschuss: "In München darf es kein Diesel-Fahrverbot geben! Schließlich sind tausende Menschen in München und dem Umland täglich auf ihr Auto angewiesen. Von einem Verbot betroffen wären insbesondere Pendler und Handwerker. Diese dürfen nun nicht dafür bestraft werden, dass sich die Autohersteller und die Bundesregierung beim Diesel-Skandal aus der Verantwortung gestohlen haben. Wer in gutem Glauben einen Diesel gekauft hat, muss diesen auch ohne Wertverlust weiternutzen können.

Statt Autofahrer durch ein Fahrverbot zu enteignen, muss die Landeshauptstadt München sinnvollere Maßnahmen zur Luftreinhaltung treffen. Dazu gehören der weitere Ausbau des ÖPNV sowie ein verbessertes Angebot für Radfahrer. Außerdem ist zu prüfen, wo Ampeln für einen besser fließenden Verkehr intelligenter geschaltet werden können."

Kreisgruppe München fordert Blaue Plakette

Marcel Huber, Staatskanzleichef: "Es gibt noch tausend Fragen, die die Verhältnismäßigkeit beschreiben, die man sich jetzt nochmal genau anschauen muss."

Martin Hänsel, Stellvertender Geschäftsführer der Kreisgruppe München: "Wir erwarten von Oberbürgermeister Dieter Reiter und Ministerpräsident Horst Seehofer, dass sie in Berlin in Sachen Blaue Plakette Druck machen. Gleichzeitig müssen die Autos auf Herstellerkosten wirksam mit Hardware nachgerüstet werden."

Christian Magerl, Die Grünen: "Es besteht ja auch absolut dringender Handlungsbedarf in vielen deutschen Großstädten. Die Stickoxidwerte müssen jetzt absolut dringend runtergefahren werden."

Jürgen Resch, Chef der Deutschen Umwelthilfe: "Wir haben heute einen ganz großen Tag für die saubere Luft in Deutschland erreicht. Der Bund muss nun verstehen, was das bedeutet: Ganz schnell für eine einheitliche Regelung mit einer Blauen Plakette sorgen und die betrügerische Autoindustrie dazu bringen, die neun Millionen Euro-5- und Euro-6-Diesel auf Einhaltung der Abgaswerte auf der Straße nachzurüsten."

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Christian Hierneis, Bund Naturschutz München: "Die Entscheidung ist richtungsweisend. Wir brauchen für München Lösungen, die kurzfristig wirken und flächendeckend sind. Wirksam wäre die massive Förderung des Radverkehrs. Zudem braucht München die Weiterentwicklung eines etablierten Instrumentes: eine bundeseinheitliche Kennzeichnung, jetzt durch eine Blaue Plakette zur Fortschreibung der Umweltzonen."

Sylvia Hladky, Sprecherin des "Bündnisses für saubere Luft in München": "Das Ja zu Fahrverboten ist ein Sieg für die Gesundheit. Wenn Politik und Autoindustrie weiter glauben, mit Scheinmaßnahmen und Aussitzen geltendes Recht ignorieren zu können, haben sie sich heute eine schallende Ohrfeige abgeholt."

"Jetzt geht es darum, dass Fahrverbote verhindert werden"

Daniel Föst, Chef der FDP Bayern: "Fahrverbote treffen diejenigen Bürger, die sich nicht alle zwei Jahre ein neues Auto leisten können und wegen hoher Mieten und miserablem Nahverkehr in die Städte pendeln. Jetzt geht es darum, dass Fahrverbote verhindert werden. Die Autohersteller müssen die betroffenen Diesel-Fahrzeuge schnellstmöglich nachrüsten. Statt Verboten brauchen wir smarte Verkehrskonzepte, moderne saubere Antriebe und autonomes Fahren."

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Matthias Wissmann, Präsident des Verbands der Automobilindustrie: "Die Vorgaben zur Luftqualität in den Städten können ohne Fahrverbote erreicht werden. Die Frage der Luftqualität wird sich mittelfristig lösen, wenn mehr Fahrzeuge mit neuen Abgasstandards in die Fuhrparks kommen."

vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt: "Diese Entscheidung darf nicht zu einer kalten Enteignung Hunderttausender Diesel-Besitzer führen. Nutzungsverbote für bereits nach geltendem Recht zugelassene Fahrzeuge würden nicht nur Privatleute hart treffen, sondern vor allem Gewerbetreibende. Aus unserer Sicht sind Fahrverbote unverhältnismäßig. Was wir brauchen, sind Verbesserungen – Verbote bedeuten hingegen Stillstand."

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