Fahrverbot in München? So reagiert die Stadt auf das Diesel-Urteil

München - Den Spitznamen "Diesel-Dieter" haben Umweltaktivisten Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) schon vor einer ganzen Weile verpasst. Denn der OB will ein Fahrverbot für Diesel unbedingt vermeiden. Doch vor gut drei Wochen schien es, als ob es nicht mehr anders geht.
Damals hatte das Bundesverwaltungsgericht geurteilt, dass die Stadt ein vorheriges Urteil des Bayerischen Verhaltungsgerichtshof umsetzen und nun schleunigst für sauberere Luft sorgen muss. Eine Revision dagegen kann es also nicht mehr geben. Muss es aber tatsächlich ein Fahrverbot sein?

In der Vollversammlung Ende November muss der Stadtrat entscheiden, wie er mit den Gerichtsurteilen umgeht. Einen Entwurf der Beschlussvorlage, die das Klimareferat erarbeitet hat, und der offiziell noch nicht veröffentlicht ist, liegt der AZ vor.
Diesel-Urteil für München: Die Schadstoffbelastung ist gesunken
Darin kann man noch einmal nachlesen: In der Vergangenheit wurde der Grenzwert für Stickstoffdioxid von 40 µg/m³ an der Landshuter Allee überschritten. 2023 lag der Wert noch bei 45 µg/m³. Zwischen Januar bis Anfang November diesen Jahres ist der Stickstoffdioxid-Mittelwert gesunken. Er liegt jetzt bei 40,1 µg/m³, also nur noch knapp über dem erlaubten Grenzwert.
Für die SPD ist klar, was dazu geführt hat: Diesen Sommer erließ das Klimareferat auf ihren Vorschlag hin Tempo 30 auf der Landshuter Allee. "Die Luft ist durch Tempo 30 deutlich besser geworden am Mittleren Ring. Unsere Hoffnung ist, dass sich Fahrverbote vermeiden lassen", sagt SPD-Fraktionschefin Anne Hübner. Kann das wirklich klappen?
Es gibt mehrere Knackpunkte. Aufgrund des Gerichtsurteils muss die Stadt schnellstmöglich und langfristig sicherstellen, dass die Grenzwerte eingehalten werden. Das Verwaltungsgericht hat sich damals nur näher mit Fahrverboten (entweder auf einer Strecke oder in einer Zone innerhalb und auf dem Mittleren Ring) beschäftigt, nicht mit Tempo 30. Schließlich stand dieser Vorschlag damals noch gar nicht zur Debatte.
Ein Fahrverbot ist laut Gericht nicht zwingend
Auf eine AZ-Anfrage hin hat das Gericht zwar mitgeteilt, dass ein Fahrverbot trotzdem nicht zwingend ist und dass die Stadt selbst über die Maßnahmen entscheiden kann. Allerdings kann das Klimareferat aktuell noch nicht beurteilen, welche Auswirkung das Tempo-Limit wirklich hatte.
Zu ermitteln, wie Tempo 30 wirkt und wie sich die Immissionswerte langfristig entwickeln, kostet Zeit. Frühestens Ende Januar 2025 rechnet das Referat mit Ergebnissen. Gleichzeitig ist die Stadt wegen der Gerichtsentscheidung verpflichtet, ihren Luftreinhalteplan möglichst schnell fortzuschreiben.
Das Klimareferat schlägt nun vor, ein streckenbezogenes Fahrverbot für Euro-5-Diesel auf dem Mittleren Ring zwischen Georg-Brauchle-Ring und der Auffahrt zur A96 zu erlassen. Allerdings tritt dieses Fahrverbot frühestens zum 1. März in Kraft.
Denn der neue Luftreinhalteplan muss erst öffentlich ausgelegt werden, dann muss die Verwaltung die eingegangenen Stellungnahmen prüfen und gegebenenfalls im Luftreinhalteplan berücksichtigen. Erst im Februar könnte der Stadtrat das Fahrverbot verabschieden. Das bedeutet: Bis dahin ändert sich für Dieselfahrer nichts.
Und: Bis dahin würden auch die Ergebnisse vorliegen, was Tempo 30 wirklich bringt. Das heißt also: Der Stadtrat kann ‒ wenn sich herausstellt, dass das Tempolimit wirkt ‒ im Februar immer noch entscheiden, dieses zu behalten und auf ein Fahrverbot zu verzichten.
Wenn die Werte sinken, kommt es zu keinem weiteren Fahrverbot
Das Umweltreferat schlägt zudem eine Ausstiegsklausel aus dem Luftreinhalteplan vor. Demnach soll das Fahrverbot für Euro-5-Diesel nicht greifen, wenn sich herausstellt, dass für das Jahr 2024 die Grenzwerte eingehalten werden und wenn die Messwerte voraussichtlich 2025 und 2026 auf 38 µg/m³ sinken.
"Wenn Tempo 30 wirksam Fahrverbote ausschließen kann, setzen wir es fort. Das bedeutet für die Anwohner auch, dass es deutlich leiser ist. Und für Autofahrer ist es nur eine kleine Einschränkung, auf 2,5 Kilometer ein Tempolimit beachten zu müssen", sagt SPD-Chefin Anne Hübner.

Auch Grünen-Stadtrat Florian Schönemann verweist darauf, dass Tempo 30 den Lärm reduziert habe. Er sagt aber auch: "Unsere Fraktion hat allerdings immer bezweifelt, dass diese Geschwindigkeitsreduzierung dazu führen kann, die Grenzwerte einzuhalten." Für seine Fraktion sei selbstverständlich, Gerichtsurteile zu akzeptieren.

CSU: "Zehntausende Autos vom Ring auszusperren, ist unverhältnismäßig"
Einem Fahrverbot will die CSU auf jeden Fall nicht zustimmen. Stadtrat Sebastian Schall verweist darauf, dass die Evaluation von Tempo 30 noch laufe. Seriöse Aussagen seien erst möglich, wenn die Prognose vorliege. "Jetzt zehntausende weitere Autos vom Ring auszusperren, ist und bleibt unverhältnismäßig", findet er.