Facharzt-Streik: Söder will Reform der Reform

Aus Protest gegen die Gesundheitsreform hatten viele der 12 000 Fachärzte am Dienstag in Bayern geschlossen. Der Verband der Patienten beklagt derweilen Verschwendung und die schwarzgelbe Koalition rudert zurück.
von  Abendzeitung
Leere Wartezimmer am Dienstag in Bayern
Leere Wartezimmer am Dienstag in Bayern © Mike Schmalz

MÜNCHEN - Aus Protest gegen die Gesundheitsreform hatten viele der 12 000 Fachärzte am Dienstag in Bayern geschlossen. Der Verband der Patienten beklagt derweilen Verschwendung und die schwarzgelbe Koalition rudert zurück.

Das Wartezimmer der kardiologischen Praxis im Tal 21 von Klaus Bödigheimer ist leer. Wie die meisten seiner Kollegen hat auch er alle Termine für den Dienstag abgesagt. Denn die Fachärzte streiken. Die Gemeinschaft Fachärztlicher Berufsverbände (GFB) in Bayern schätzt, dass vier von fünf Facharztpraxen geschlossen sind.

Verärgert waren die Patienten von Bödigheimer aber nicht. „Die meisten haben Verständnis für unsere schwierige Lage gezeigt und meinten, es sei kein Problem für sie“, so der Kardiologe. Mit der „schwierigen Lage“ meint Bödigheimer die neuen Honorarregelungen, gegen die sich der Streik richtet.

Es geht um Geld

Die Argumentation des Vorsitzenden des Deutschen Facharztverbands (DFV) Thomas Scharmann: Stürzt eine Frau und bricht sich dabei das Handgelenk, erhalte der Orthopäde nach dem neuem System für die Behandlung 34,28 Euro. De facto würden sich die Kosten aber auf rund 73 Euro belaufen – der Arzt mache damit ein Minus von 46 Prozent.

Es geht also um mehr Geld. Das sollte aber eigentlich vorhanden sein. Immerhin zahlen Kassenpatienten seit dem 1. Januar höhere Beträge. Insgesamt 2,7 Milliarden Euro mehr fließen in das Gesundheitssystem. Bayern würde davon aber nicht viel erhalten. „Ein Teil davon wurde bereits 2007 verbraucht, ein großer Teil fließt in die neuen Bundesländer und wir bekommen nur noch einen sehr kleinen Teil ab“, beklagt Scharmann.

Allgemeiner Patienten-Verband: Probleme hausgemacht

Christian Zimmermann, Präsident des Allgemeinen Patienten- Verbands, hat dennoch erhebliche Bedenken bei dem Thema Streik. „Die Auseinandersetzung zwischen den Ärzten und der Gesundheitspolitik sollte nicht auf dem Rücken der Patienten ausgetragen werden“, sagt Zimmermann. Seiner Meinung nach seien die Probleme der Fachärzte hausgemacht. Der Medizinbetrieb lebe von Krankheit, weshalb Ärzte nur durch Leistungsausweitung mehr Geld verdienen könnten. „Bei uns wird zum Beispiel doppelt so viel geröntgt wie in Schweden. Dafür gibt es aber keinen medizinischen Indikator“, so Zimmermann.

Durch unnötige Untersuchungen würden jährlich insgesamt rund 20 Milliarden Euro ausgegeben. Die könne man nach Ansicht des Patienten- Verbands leicht einsparen. Deshalb fordert Zimmermann ein leistungsbezogenes System mit Bonusregelungen. „Ein Arzt, der bei Diabetes-Patienten nur zwei Prozent Amputation vorweist, sollte mehr bekommen als einer, der 20 Prozent macht.“

Schwarzgelbe Koalition rudert zurück

Derweil rudert die schwarzgelbe Koalition in Bayern zurück und will die umstrittene Honorarreform wenige Wochen nach ihrer Einführung kippen. Die Honorarverordnung für Ärzte sei von Grund auf gescheitert, sagt Bayerns Gesundheitsminister Markus Söder (CSU) am Dienstag nach einer Kabinettssitzung in München. Die CSU/FDP-Regierung werde eine Initiative im Bundesrat starten, um die Reform auszusetzen.

Stattdessen sollen die kassenärztlichen Vereinigungen zunächst wieder nach dem alten Vergütungssystem abrechnen. In den einzelnen Bundesländern müssten die Ärzte auch regional unterschiedlich bezahlt werden können. „Wenn die Bayern mehr Beiträge zahlen, muss davon auch mehr in Bayern übrig bleiben“, sagte Söder.

Regina Haumann

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