Facebook: Reiter, Schmid und Nallinger im Check

Wer in München Oberbürgermeister wird, wird auch im Internet entschieden. So schneiden die drei Kandidaten im AZ-Check ab.
von  Tim Wessling
Das ist die Facebook-Präsenz von Reiters Herausforderer Josef Schmid. Der CSU-Politiker hat rund 1000 Likes mehr als sein Kontrahent.
Das ist die Facebook-Präsenz von Reiters Herausforderer Josef Schmid. Der CSU-Politiker hat rund 1000 Likes mehr als sein Kontrahent. © Facebook

Dieter Reiter (SPD): Fakten und viel Analoges

Webseite: www.dieterreiter.de

Facebook: 7625 Fans

Aktivität: etwa drei Einträge am Tag

Wer steckt dahinter?

Schon im Infokasten auf Facebook heißt es ehrlich: „Das Team von Dieter Reiter pflegt die Seite redaktionell.“ Der SPD-Kandidat und Wirtschaftsreferent selbst behauptet zumindest: „Vieles mache ich durchaus selbst.“

Informationsgehalt

Reiter hier, Reiter dort. Reiter diskutiert, Reiter posiert: auf Facebook sieht man. auf welchen Hochzeiten der SPD-Kandidat so tanzt. Inhalte muss man suchen.

In der sehr ästhetischen Videoreihe zum Slogan „Damit München München bleibt“ hört man Jungwähler, Alt-Oberbürgermeister und Weggefährten sagen, dass Dieter Reiter einfach der Beste ist und dass er das München-Gefühl bewahren wird. Das Wie und Warum bleibt dabei allerdings größtenteils unbeantwortet.

Viele Punkte gibt es für die offizielle Homepage: Wann kann ich Reiter sprechen hören? Was sind seine Positionen? Und wie will er die im Amt umsetzen? Fakten, Termine, Inhalte: sehr hohe Informationsdichte, sehr gut gemacht.

Lässigkeit Geht so. Wer Reiter kennt, weiß, dass er viel Humor hat. Im Netz kommt das nicht rüber – und könnte damit zusammenhängen, dass Reiter sich noch ein wenig Scheu gegenüber dem neuen Medium verhält. Einträge wirken teils verkrampft und irgendwie lasch. München soll München bleiben: keine Experimente.

Viel zu selten beteiligt sich Reiter an Diskussionen mit seinen Facebook-Fans, beteuert aber, das öfter zu tun.

Manchmal blitzt der Kumpel-Reiter auch im Netz auf. Im Video zum 100-jährigen Bestehen der Jusos zum Beispiel. Der SPD-Kandidat an der Gitarre: locker, cool und sympathisch. Vielleicht mehr davon?

Netz-Faktor

Dieter Reiters Wahlkampf spielt sich definitiv nicht im sozialen Internet ab. Auf Facebook kann man höchstens nachlesen, auf welchen analogen Veranstaltungen Reiter so unterwegs war. Reiters Kerngeschäft ist analog. Schade eigentlich, denn im Netz hätte er die Möglichkeit, in aller Ruhe zu erklären was sich hinter dem Slogan „Damit München München bleibt“ verbirgt und darüber auch mit Wählern zu diskutieren. Das passiert nicht.

Sehr gut ist aber die wirklich informative Homepage. Hier kann Reiter seine Stärken ausspielen: Infos und klare Ansagen.

Josef Schmid (CSU): Der Profi auf Facebook

Webseite: www.josef-schmid.de

Facebook: 8285 Fans

Aktivität: etwa zwei Posts pro Tag

Wer steckt dahinter?

Josef Schmid und das „Team Schmid“. Der Großteil der Einträge kommt offenbar vom Kandidaten selbst oder ist mit ihm abgestimmt. Wenn nicht, sind sie mit „Team Schmid“ gekennzeichnet.

Informationsgehalt

Der Gläserne Wahlkampf: Schmid protokolliert online haargenau, was er wo und wann macht. Und dafür nutzt er sowohl Fotos und Videos. Vor allem die Facebook-Seite ist hochprofessionell gemanaged und arbeitet „gespiegelt“ mit der offiziellen Homepage. Heißt: alles, was auf der einen Page erscheint, ist auch auf der anderen zu sehen.

Manchem Eintrag könnte ein wenig mehr Kreativität nicht schaden: „Lounge in the City. Sehr cool.“ Schmid nutzt noch zu wenig die Möglichkeit, seine Standpunkte klarer zu machen: „Mehr Nahverkehr“ liest man ständig – aber eben auch bei seinen beiden Mitbewerbern.

Auch von anderen Veranstaltungen kommt Schmid aus „spannenden Diskussionen“ zurück oder bekam „starken Rückenwind“. Was das genau bedeutet, bleibt er uns in vielen Fällen noch schuldig.

Lässigkeit

Man erwartet es vielleicht nicht von einem CSU-Politiker – aber Schmid kann es! „Ich will authentisch bleiben“, sagt er und bekommt das auch hin. Der VW-Bus, mit dem Schmid durch den Wahlkampf tuckert, verschafft ihm einen netten Running-Gag.

Kleine Videos moderiert der CSU-Kandidat locker herunter. Chapeau!

Und Schmid ist nicht allein im Netz: Seine Frau Natalie bloggt auf der Seite ihres Mannes fleißig über ihre Erfahrungen im Wahlkampf – Obama-Feeling?

Bei aller Lockerheit vermisst man die Diskussion. Schmid schaltet sich praktisch nie in den Kommentarstrang mit ein. Das Büro sagt: „Das wäre auch ein Fulltime Job“ – würde aber gelegentlich praktiziert der Glaubwürdigkeit gut tun.

Netz-Faktor

Schmid ist der fleißigste Internet-Kandidat und hält eine Internet-Kampagne für „State of the art“ – also schlicht notwendig. Das zahlt sich aus: Innerhalb von zehn Tagen sind seine Likes von 6000 auf über 8200 gewachsen. Tendenz stark steigend. Daran hat wohl auch seine Frau einen gewissen Anteil. Von allen drei Kandidaten im Check hat Schmid den mit Abstand professionellsten Auftritt im Netz.

Sabine Nallinger: Lust an der Debatte

Webseite: www.sabine-nallinger.de

Facebook: 3191 Fans

Aktivität: etwa zwei Beiträge pro Tag

Wer steckt dahinter?

Nallinger und zwei bis drei „Profilmanager“. Sie antwortet „immer, wenn sie Zeit dafür findet“.

Informationsgehalt

Wechselhaft. Wenn Nallinger etwas am Herzen liegt (zum Beispiel Verkehrspolitik) kann man auf ihren Plattformen viel über ihre Standpunkte erfahren. Etwas schwach ist die Hofberichterstattung auf Facebook: „Sabine Nallinger war auf Veranstaltung X und hat mit Y über Z diskutiert.“ Das widerspricht auch Nallingers Wunsch, sich im Netz mit den Wählern über Inhalte auszutauschen als sich „selbst zu beweihräuchern“. Vor allem die offizielle Homepage ist sehr ausführlich und übersichtlich. Sehr angenehm ist auch, dass sich Nallinger mit klassischem Politiker-Sprech zurückhält.

Lässigkeit

Nallinger duzt auf Facebook und siezt auf ihrer Homepage. Das ist Social Media nach Lehrbuch: Zielgruppen werden unterschiedlich angesprochen. Die OB-Kandidatin will oft die Meinung ihrer Fans wissen: „Was denkt ihr?“, „Her mit euren Ideen!“. Das klappt mal mehr, mal weniger, gibt aber Fleißpunkte.

Die Posts wirken glaubwürdig und persönlich – so wie es sein sollte.

Ein wenig auf die Nase gelegt hat sie sich mit der Forderung die Stadt-Software zu überdenken. Sie schlug vor, vom freien Linux-Betriebssystem zu Microsoft zurückzukehren, um die Kommunikation mit anderen Städten zu erleichtern. In der analogen Welt verstand das kaum jemand. Im Netz kam der Spott der IT-Nerds. Ein Faux-Pas in diesem Zusammenhang war, dass sie in den betreffenden Kommentarstrang mehrmals die gleichen Sätze reinkopierte.

Netz-Faktor

Nallinger bewegt sich im Netz sicher und vergleichsweise entspannt. Ihr großer Vorteil ist, dass sie ohne Angst in offene Diskussionen einsteigt. Hin und wieder kassiert sie dafür einen Dämpfer (siehe oben) – den Sinn von sozialen Netzwerken hat sie damit offensichtlich verstanden.

Ob es aber wirklich eine Homepage in zwölf Sprachen (darunter Bairisch und Rumänisch) braucht, ist wohl Ansichtssache und auch die 283 Twitter-Follower werden wohl nicht wahlentscheidend sein.

Das sagt sie übrigens auch selbst: „Netzwahlkampf ist Kommunikation im Kleinen“ – gut, um mit Bürgern in Kontakt zu treten, aber (noch) ein Nebenschauplatz.

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