Experte warnt: Immobilien rentieren sich nicht mehr

Wie viel Käufer zahlen, wie der Wert steigt – und welches Risiko die Gutachter der Stadt in den teuren Deals sehen.
von  Christian Pfaffinger
Wer ein Haus kaufen will, muss mittlerweile teils unvernünftig viel dafür zahlen: eine Neubausiedlung im Münchner Speckgürtel.
Wer ein Haus kaufen will, muss mittlerweile teils unvernünftig viel dafür zahlen: eine Neubausiedlung im Münchner Speckgürtel. © Peter Kneffel/dpa

München - Die Stadt ist süchtig nach Betongold: Der Umsatz mit Immobilien steigt und steigt. Und das, obwohl die Preise in wahnsinnige Höhen klettern. So hoch, dass jetzt ein Experte der Stadt warnt: „Die Preise sind so hoch, dass man sich schon fragen muss, ob eine Immobilie aktuell noch eine so gute Wertanlage ist.

Daran zweifelt: Helmut Thiele. Er ist Vorsitzender des Gutachterausschusses der Stadt und kennt die kühlen Zahlen zum überhitzten Marktgeschehen. Denn sein Ausschuss bewertet nicht nur Immobilien, sondern sammelt auch die Preise der Deals, die abgeschlossen werden. Thiele hat die Übersicht über einen Markt, auf dem die Umsicht verloren geht.

Die AZ fasst die Fakten aus dem neuen Jahresbericht des Gutachterausschusses zusammen und zeigt, warum der Chef der Expertenrunde aktuell vor Immo-Käufen warnt – und Münchens Kommunalreferent sich bereits um die Stadt Sorgen macht.

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Die Preise im Schnitt

Eine Eigentumswohnung im Neubau kostet den Infos des Gutachterausschusses zufolge in guter Wohnlage pro Quadratmeter rund 6800 Euro, in durchschnittlicher Lage noch rund 6000 Euro. Das sind sechs Prozent mehr als im Vorjahr. Beim Bestand liegen die Werte bei 6000 beziehungsweise 4600 Euro. Bei denkmalgeschützten Objekten wird es teurer: 7400 Euro pro Quadratmeter in guter Lage, 5600 in durchschnittlicher. Die Kaufpreise für Einfamilienhäuser bewegen sich mittlerweile zwischen 800 000 und 2,9 Millionen Euro im Neubau, beim Wiederverkauf reicht die Spanne durchschnittlich bis 1,5 Millionen Euro.

Die Extrem-Preise

Es sind schon Mega-Deals: 220 Millionen Euro für einen Büro- und Geschäftshauskomplex, 160 Millionen für ein Bürohaus und 65 Millionen für eine Wohnanlage – das sind laut Gutachterausschuss die höchsten Kaufpreise 2015. Beeindruckend sind aber auch die Preise für Prestige-Immobilien im jeweiligen Segment, zum Beispiel bei Einfamilienhäusern. Hier fand eine Altbau-Villa mit 520 Quadratmetern Wohnfläche für 13 Millionen Euro einen neuen Besitzer. Eine denkmalgeschützte Doppelhaushälfte in bester Lage kostete 6,7 Millionen Euro. Und für die teuerste Eigentumswohnung legte der Käufer 6,5 Millionen Euro hin, für 340 Quadratmeter.

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Die teuerste Neubauwohnung ging für rund drei Millionen Euro weiter, bei 170 Quadratmetern Wohnfläche. Das macht rund 18 000 Euro pro Quadratmeter. Ganz schön viel, aber Helmut Thiele sagt, er habe auch schon 26 000 Euro pro Quadratmeter erlebt. Welche Objekte hinter den teuren Geschäften stecken, verrät der Gutachterausschuss nicht. „Aber es sind natürlich vor allem die Innenstadtlagen und Viertel wie das Lehel, die Maxvorstadt oder das Glockenbachviertel, wo man zurecht die teuren Objekte vermutet“, sagt Helmut Thiele. Bei Villen seien Bogenhausen, Nymphenburg, Solln und Harlaching die teuersten Pflaster.

Das Rendite-Loch

Kaufst ein Haus, kannst zuschauen, wie’s Geld reinkommt – so leicht ist das nicht mehr. Freilich: Die Münchner Mieten steigen immer weiter. Aber halt bei Weitem nicht so irre wie die Kaufpreise. Die Folge: Wer jetzt eine Immobilie kauft und diese vermietet, verdient damit kaum noch etwas.

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Die Immo-Lobby jammert schon seit Jahren darüber. Und Gutachter-Chef Thiele kann sie verstehen: „Die Rendite liegt im Moment üblicherweise bei zwei Prozent, in einigen Fällen aber sogar unter einem Prozent“, sagt er. Hält man die Inflation dagegen, bleibt erst einmal nichts viel über, teils sogar ein Verlust. Erst sehr langfristig könne es sich rentieren – aber dann müsse man auch die Kosten für Instandhaltung beachten.

Das Missverhältnis

Seit dem Jahr 2011, dem Ausbruch des Immo-Irrsinns in München, ist die Zahl der Kaufverträge um 27 Prozent gesunken. Gleichzeitig sind die Umsätze seither um 36 Prozent gestiegen. Das heißt: Das Angebot wird immer kleiner, die Nachfrage immer größer. Das Missverhältnis wächst und wächst. Noch vor einigen Jahren war das anders, das zeigen die Daten des Gutachterausschusses. Zwischen 1996 und 2010 lag die Wertsteigerung von Eigentumswohnungen in München sogar unter der allgemeinen Teuerungsrate – keine tolle Anlage also. Seit dem Jahr 2011 aber boomt der Markt, was da ist, wird weggekauft – die Angebot-Nachfrage-Schere geht immer weiter auseinander. Und je weiter diese Schere auseinandergeht, desto teurer werden die Geschäfte – und desto unvernünftiger.

Die Warnung

"In München sind die Preise in allen Marktsegementen überhöht", sagt Helmut Thiele. Das heißt: Wer etwas kauft, zahlt im Vergleich zum Objektwert zu viel. Vielen seien Mängel dabei Wurscht: „Vor allem 50er-Jahre-Bauten werden völlig unkritisch gekauft.“ Durch fehlende Rendite und die starke Überbewertung der Immobilien sieht Thiele eine Gefahr: „Hinter die Aussage, dass Immobilien eine sichere Wertanlage seien, muss ich ein großes Fragezeichen setzen.“ Er fügt hinzu: „Künftig sind dadurch nur Spekulationsgewinne durch einen weiteren Preisanstieg bis zum Wiederverkauf möglich.“

Im Klartext heißt das: Wer sein Objekt nicht entweder teuer weiterverkaufen oder es selbst nutzen will, für den lohnt sicht ein Immobilienkauf in München momentan wirtschaftlich nicht mehr.

Das ist ein Problem, das nicht nur die Wohnungskäufer betrifft. Kommunalreferent Axel Markwardt fürchtet negative Folgen für alle Bürger: „Ich bin in Sorge, weil das für die Stadtentwicklung ganz schädlich ist.“ Denn unter dem Preiswahnsinn leide der „vernünftige Wohnungsbau“, womit er bezahlbaren Wohnraum meint.

Die Stadt habe sich in den vergangenen zehn Jahren insgesamt rund 240 Millionen Euro entgehen lassen, um gefördertes Wohnen zu ermöglichen, statt Geld mit freifinanziertem Wohnungsbau zu verdienen. Darauf ist er stolz. Um den Wahnsinn auf dem freien Markt aufzuhalten, reicht das aber nicht. Denn Markwardt sagt selbst: „Solange die Preise bezahlt werden, geht es immer weiter.“

Und schon der Grund ist ein Grund zum Weinen

Gäb’s in der Kaufinger Straße noch Bauland zu vergeben, würde es 85 000 Euro pro Quadratmeter kosten. So viel wäre das teure Pflaster zumindest laut Bodenrichtwert des Gutachterausschusses unbebaut wert. Abseits dieser extremwerte gibt aber schon normaler Grund einen Grund zum Weinen: Denn die Preise für Bauland steigen stark, aktuell liegen sie für Einfamilienhausgrundstücke in München im Schnitt bei rund 1400 Euro pro Quadratmeter in durchschnittlicher, bei 1800 Euro in guter und bei 3600 Euro in bester Wohnlage.

Ein Grundstück wurde 2015 sogar für 7000 Euro pro Quadratmeter verkauft – rund sechs Millionen kamen dabei am Ende raus. Und dann steht da noch kein einziger Ziegelstein. Der durchschnittliche Kaufpreis für ein Grundstück, auf dem Geschossbau vorgesehen ist, beträgt rund zehn Millionen Euro.

Damit müssen die Stadt aber auch private Bauträger also rechnen, wenn sie ein neues Wohnhaus hinstellen wollen. Unbebaute Ein- bis Mehrfamilienhausgrundstücke werden in München im Schnitt für rund 870 000 Euro verkauft – ein bereits erschreckend hoher Preis.

Der Jahresbericht des Gutachterausschusses ist gegen eine Schutzgebühr von 65 Euro bestellbar unter Telefon 233 396 06

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