Exklusiv: Nach 113 Jahren - Das Gabriel Kino macht dicht!
München - "Realistisch", sagt Alexandra Gmell, "wird sich niemand finden, der hier weiter ein Kino betreibt." Leicht fallen ihr diese Worte nicht, denn Gmell, "Alex", wie sie die fünfzehn Mitarbeiter nennen, ist im Gabriel Kino in der Dachauer Straße 16 aufgewachsen. Jetzt will ihre Familie das vierstöckige Haus mit Kino im Erdgeschoss und ersten Stock verkaufen. Bisher waren nur Familienmitglieder und Mitarbeiter in die Pläne eingeweiht. "Wann und wer steht noch nicht fest, aber wird werden das ganze Haus verkaufen", sagt Gmell.
Bereits in der vierten Generation betreibt Alexandra Gmell mit ihrem Vater Hans Walter Büche (75) das Gabriel Filmtheater. Der Bruder von Büche fungiert laut Gmell als Hausverwalter, hat Kinder, die selbst schon Eltern sind. Sie alle erhalten ihren Anteil, wenn das Haus verkauft wird. "Da geht’s natürlich um Geld und dass wir das Haus so, wie es jetzt ist, nicht teilen können. Wir müssen verkaufen und das dann ausbezahlen", sagt Gmell. Sie macht aber auch deutlich: "Die Entscheidung ist natürlich der Tatsache geschuldet, dass immer weniger Menschen ins Kino kommen. Würde sich das Kino tragen, hätten wir weiter alles versucht."

Immer mehr Kinos in München müssen schließen
Das Kinosterben in München (und auf der Welt) hat eine lange Tradition: erst die Konkurrenz durch den Fernseher, dann durch VHS und DVD, jetzt die Streamingdienste. Vor einigen Jahren schon haben das Tivoli an der Fußgängerzone, das Filmcasino am Odeonsplatz, das Atlantis an der Schwanthalerstraße und 2016 das Eldorado in der Sonnenstraße zugemacht. Stattdessen zogen Einzelhandel oder Gastronomie ein. Das Neue Maxim in Neuhausen wurde durch vier engagierte Münchner und einen Förderverein gerettet. Ein Gegenkämpfer ist auch Christian Pfeil, der am Nordbad sogar ein neues Kino baute: das Monopol mit drei Sälen.
Gmell und ihr Vater aber beobachten seit Jahren schon, dass immer weniger Menschen ins Kino gehen. "Es wäre gut für uns, wenn jemand Netflix und all die anderen Streamingdienste abschalten würde", sagt Gmell.
Wie lange der Kinobetrieb noch weiterlaufen wird, kann Gmell nicht sagen: "Aber: Der nächste Sommer kommt bestimmt und mit ihm gehen die Zuschauerzahlen wieder sehr zurück. Vielleicht sperren wir zu, wenn es warm wird." Und was macht "Alex", wenn ihr Kino zu ist? Langes Schweigen. "So weit kann ich noch gar nicht denken. Hier sind meine Freunde, hier ist meine Familie, hier bin ich jeden Tag."
Auch Gmells Vater steht noch jeden Tag in seinem Kino, kennt seine Stammgaste, die seit Jahrzehnten kommen. "Die Oma ist – bis sie 91 war – fast jeden Tag im Kino gewesen", sagt Gmell. 2007 hatte das Gabriel Filmtheater 100-jähriges Jubiläum gefeiert, war eines der ersten Filmtheater der Welt, Pornokino und dann wieder Popcornkino (siehe Kasten). Ein Leuchtreklameschriftzug mit "Farbfilm" erinnert daran, dass der Kinobesuch hier an einem historischen Ort stattfindet, wo noch Stummfilme über die Leinwand liefen. Jetzt hat das Kino im Erdgeschoss 208 Sitzplätze. Das Kino 2 im Obergeschoss hat 63 Sitzplätze. Trotz der drohenden Schließung: Erstmal wird der Betrieb wie gewohnt weitergehen.
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Gabriel Kino: Gespräche über einen Verkauf laufen
Am Donnerstag läuft "The Mule", der neue Thriller von und mit Clint Eastwood an. "Wir versprechen uns viele Zuschauer von dem Film, aber es ist halt ein Auf und Ab", sagt ein Mitarbeiter. Außerdem läuft weiter "Bohemian Rhapsody" rund um Queen-Sänger Freddie Mercury und "Glass" mit James McAvoy, Bruce Willis und Samuel L. Jackson.
Wer im Gabriel einen Film schaut, weiß, dass er pünktlich zu kommen hat, denn es laufen nur fünf bis zehn Minuten Werbung. Montag und Dienstag, wenn Kinotag ist, kostet der Eintritt nur 6,50 Euro. Für die Stammgäste gibt es eine Bonuskarte – der elfte Kinobesuch ist gratis.
Noch ist das Kino nicht verkauft, Gespräche laufen aber bereits. Das Grundstück im nördlichen Bahnhofsviertel dürfte einige Interessenten haben; Es liegt sehr zentral und doch ist die Dachauerstraße der ruhigere Teil eines sehr belebten Viertels.
"Was der neue Besitzer dann mit dem Haus macht, bleibt ihm überlassen", sagt Gmell. "Aber bei der Lage schätze ich, dass es abgerissen wird und dass ein weiteres Hotel gebaut wird." Klingt nach einer realistischen Einschätzung.
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