Interview

Ex-Bürgermeister aus München: "Will mich gegen weit verbreiteten Unsinn einsetzen"

Hep Monatzeder von den Grünen ist kein Bürgermeister in München mehr, nun auch kein Abgeordneter. Seit ein paar Wochen ist er Polit-Rentner. Ein Gespräch über sein neues Leben, seinen Blick auf die politische Debatte – und seinen jungen Nachfolger.
von  Felix Müller
"Mein politisches Leben ist zu Ende": Polit-Rentner Hep Monatzeder daheim in der Au beim Termin mit der AZ wenige Tage vor Weihnachten.
"Mein politisches Leben ist zu Ende": Polit-Rentner Hep Monatzeder daheim in der Au beim Termin mit der AZ wenige Tage vor Weihnachten. © Daniel von Loeper

AZ: Hep Monatzeder, vom Bauernbua zum Bürgermeister hieß es einst über Ihr Leben – von Niederbayern an die Münchner Rathaus-Spitze. Viele kehren München als Rentner den Rücken, gehen zurück aufs Land. Ist das auch für Sie eine Option?
HEP MONATZEDER: Überhaupt nicht, war es nie.

Keine Lust auf Niederbayern?
Nein.

Was hält Sie hier?
Ich bin zwar aus der aktiven Politik ausgestiegen, aber ich werde immer ein politischer Mensch sein. Ich will mich weiter einsetzen - gegen den ganzen weit verbreiteten Unsinn, für ein friedliches Miteinander und gegen Hass und Hetze.

Privat zieht es Sie auch nicht raus?
Nein. Ich liebe es hier in meiner wunderbaren Au.

Hep Monatzeder beim Interview mit AZ-Lokalchef Felix Müller im Miss Lilly's an der Oefelestraße in der Au, seinem Herzensviertel.
Hep Monatzeder beim Interview mit AZ-Lokalchef Felix Müller im Miss Lilly's an der Oefelestraße in der Au, seinem Herzensviertel. © Daniel von Loeper

Wie verändert sich der Blick auf die Stadt als Rentner?
Na, so lange bin ich jetzt auch noch nicht Rentner. Ich hole gerade vor allem nach, was ich schon immer machen wollte. Ich laufe sehr viel zu Fuß, eineinhalb Stunden zum Tierpark, rauf zum Grünwalder Stadion bei meinen Sechzgern vorbei. Ich lese ganz viele Bücher.

Hep Monatzeder: Rückblick auf seine politische Karriere in München

Was lesen Sie?
Viel Historisches und über den Ukraine-Krieg.

Noch gar nicht ins Rentner-Loch gefallen, Überforderung mit der vielen freien Zeit?
Nein. Da werde ich auch nicht reinfallen. Ich wollte immer selbst bestimmen, wann ich aufhöre und was ich weitermache. Das hat geklappt und ich konnte mich lange auf die Situation vorbereiten.

Wie sieht ein typischer Monatzeder-Rentner-Tag aus?
Sehr unterschiedlich. Aber der typische Monatzeder-Rentner-Montag ist auf jeden Fall ein Enkel-Tag.

Wie alt ist der Enkel?
14 Monate, wunderbar! Der fängt langsam an zu laufen, das ist alles sehr spannend und schön.

Und an Nicht-Enkel-Tagen?
Ganz verschieden. Ich trinke auf jeden Fall gerne meinen Nachmittags-Tee. Und ich koche sehr gerne, da nehme ich mir jetzt viel Zeit, um auszuprobieren, gute Lebensmittel, spannende Gewürze. Und bei all dem Genuss darf die Bewegung auch nicht zu kurz kommen – ich muss seit meinem Unfall 2012 jeden Tag Dehnübungen machen.

Sie haben angekündigt, sich nach Ihrem Abschied als Abgeordneter anders engagieren zu wollen. Wie sieht das aktuell aus?
Ich habe seit Jahren einige Projekte und Kooperationen, die ich ehrenamtlich unterstütze. Kommendes Jahr werde ich zum Beispiel Feuerwehruniformen nach Sri Lanka liefern. Ich bin da im Moment mit diversen Konsulaten in Kontakt, um die Frachtenangelegenheiten zu regeln. Außerdem fange ich gerade wieder an, mit meinem Sohn Musik zu machen. Uns fehlt allerdings noch ein Bassist.

Alt-Bürgermeister sucht Bassist – in der Abendzeitung!
Spielen Sie? Einen Proberaum haben wir schon.

Hep Monatzeder kommt aus Niederbayern, lebt aber inzwischen gerne in der Au. Und möchte hier auch nicht weg.
Hep Monatzeder kommt aus Niederbayern, lebt aber inzwischen gerne in der Au. Und möchte hier auch nicht weg. © Daniel von Loeper

Vom Abgeordneten Monatzeder haben wir in Ihren Landtagsjahren öffentlich sehr wenig mitbekommen. War das Ganze doch ein Missverständnis, hatten Sie unterschätzt, wie schwer es auch als ein Abgeordneter unter Hunderten ist, in München in Debatten vorzukommen?
Nein, das war eine persönliche Entscheidung. Es braucht auch Arbeitsbienen und ich habe in der Fraktion vor allem Entwicklungszusammenarbeit und nachhaltige Entwicklung gemacht. Nachhaltige Vergabe auch – ein altes Steckenpferd. Ich habe einen spannenden, intensiven und produktiven Austausch mit Netzwerken und Verbänden gepflegt. Für mich war klar, dass meine Themenbereiche mir zwar am Herzen liegen, öffentlich aber nicht im Vordergrund stehen. Das war kein Problem - im Gegenteil. Ich wollte ja nichts mehr werden, vorne sollen und müssen die Jungen stehen.

Hep Monatzeder über seine Beziehung zu Münchens neuem Bürgermeister Dominik Krause

Hat es Sie im letzten Jahr nochmal gejuckt – vielleicht doch nochmal weiterzumachen?
Nein. Ich habe meinen Abgang lange vorbereitet, eine vielversprechende Stimmkreis-Nachfolgerin mitbegleiten dürfen. Alles wunderbar.

Sie waren mit über 70 noch im Landtag, kennen sozusagen vom Blick in den Spiegel die Stärken und Schwächen der älteren Herren, die einfach immer weiter Politik machen. Mit Blick auf den nächsten Kommunalwahlkampf – was raten Sie Ihrer Partei strategisch gegen Dieter Reiter?
Ist das nicht auch ein Problem der alten Herren – ungefragt öffentliche Ratschläge zu verteilen? Ich will nicht den Besserwisser machen und mich aufdrängen. Mein politisches Leben hat am 30. Oktober geendet. Es sind kluge neue Köpfe da und das ist auch gut so. Wenn sie mich anrufen, dann höre ich natürlich gerne zu und gebe auch Ratschläge.

Können Sie sich vorstellen, nochmal richtig in Wahlkämpfen zu helfen, Kugelschreiber verteilen frühmorgens am U-Bahnhof?
Ich werde weiter mithelfen, aber zugegebenermaßen wohl ein bisserl gedämpft.

2014 endete Ihre Zeit als Bürgermeister, Sie wurden einfacher Stadtrat. Neu in der Fraktion war damals ein Anfangzwanziger namens Dominik Krause. Dachten Sie gleich: Das ist einer, der wird was?
Ja. Dominik ist ein politisches Naturtalent. Wir haben auch sofort viel zusammengearbeitet.

War der junge Krause eine Ausnahmeerscheinung?
Auf jeden Fall. Er hat schon damals strategisch gedacht, komplexe Zusammenhänge blitzschnell erfasst und lösungsorientiert gearbeitet. Das hängt wohl mit seiner Profession als Physiker zusammen. Und jetzt ist er Bürgermeister - super!

Sind Sie kurz zusammengezuckt? Mit 33, ist das nicht ein bisserl früh?
Gar nicht, der kann das und wird München guttun. Dominik ist einer, mit dem ich mich gern gelegentlich austausche. Wir haben auch übers Bürgermeisteramt gesprochen.

Sie haben mir mal gesagt, als einer, der die Uhl- und Gauweiler-Jahre erlebt hat, ist für Sie eine junge grüne KVR-Chefin eine späte Genugtuung. Nachdem sich die Parteien in der Stadt so ähnlich geworden sind, macht das aber eigentlich gar nicht mehr so den Unterschied, oder?
Ach, es ist halt einfach eine vollkommen andere Zeit. Das hat viel Gutes – wie mehr junge Frauen in verantwortungsvollen Positionen. Aber wir leben in einer Zeit multipler Krisen, die uns alle treffen, parteiübergreifend. Und da unterscheiden sich die Parteien schon. Manche wollen das nicht sehen. Von der Finanz- über die Wirtschafts- und die Pandemiekrise bis hin zu diversen Kriegen und der Klimakrise; alle haben gemein, dass sie von Menschen gemacht sind. Die größte Herausforderung des Jahrhunderts ist doch die Frage: Was hinterlassen wir unseren Kindern oder Enkeln?

Politik-Rentner Hep Monatzeder: Gedanken zur aktuellen politischen Landschaft

Ein Spruch wie von den Grünen der 80er-Jahre. Was sind die Gedanken des Polit-Rentners Monatzeder dazu?
Ich bin wirklich desillusioniert. Die Überforderung des Planeten ist doch seit Jahrzehnten wissenschaftlich bewiesen. Wir müssten sehen, welche Auswirkungen das, was wir heute tun, auf die Zukunft hat! Dieses Wahrnehmungsproblem ist fatal. Es gibt Studien, dass die Halbwertszeit des Erinnerns irgendwo zwischen sechs und acht Wochen liegt. Die Erinnerung zum Beispiel an Naturkatastrophen verblasst schnell wieder.

Markus Söder sagt gerne, die Grünen, die wollen euch noch in den Kühlschrank schauen, Ihre Partei hat das Label "Verbotspartei" bekommen.
Ja. Dabei ist das Problem eigentlich gar nicht die Dosis der Verbote - sondern wie sehr diese Debatten politisch durchschlagen. Die Grünen kommen oft besserwisserisch rüber, weil sie nicht greifbar vermitteln, warum Maßnahmen notwendig sind. Wir als Partei denken zu oft, dass Logik und Fakten reichen, damit die Menschen sich verändern. Grüne wirken da übergriffig und sind unbequem, weil sie sagen, dass es Veränderung und Verzicht braucht.

Aber?
Aber die Verantwortung komplett auf den Einzelnen zu übertragen, ist unfair und funktioniert nicht. Es muss sich an den politischen Rahmenbedingungen was ändern. Aber unsere Trägheitsdemokratie bestraft die Veränderung und belohnt den Status quo. Die Wahrheit löst sich nicht auf, weil man ständig die Unwahrheit verbreitet. Aber Menschen reagieren schneller auf Emotionen als auf Fakten. Und in den sozialen Medien entscheidet der Algorithmus, dass sich am schnellsten verbreitet, was am lautesten geschrien wird. Damit haben eben auch politische Brandstifter leichtes Spiel. Politiker, die die Menschen mit einfachen Lösungen ansprechen.

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Wie hält es der Rentner Monatzeder mit dem Handy? Stört es beim Lesen?
Nein. Ich habe schon als Abgeordneter samstags und sonntags das Handy ausgemacht. Ich nutze mein Handy meist ohnehin nur zum Telefonieren und habe sonst nur wenige Apps. Digitale Mobilitätsangebote finde ich toll, zum Zeitunglesen geht's unterwegs im Zweifel auch mal. Aber Social Media ist nicht meine Welt.

Sie haben die vielen Krisen angesprochen, die in diesen Jahren mit unheimlicher Intensität und Schlagzahl aufeinanderfolgen. Kommt Ihnen Ihre eigene Rathaus-Zeit im Rückblick recht sorgenfrei vor?
Ja, ganz klar! Heute spielen die globalen Zusammenhänge eine viel größere Rolle mit der Klimakrise, den Vertriebenen und Geflüchteten, das können Sie nicht vor Ort allein lösen. Wir konnten damals sehr viel lokal und regional gestalten. Wir haben zum Beispiel dafür gesorgt, dass die Institutionen der Daseinsvorsorge in städtischer Hand geblieben sind, wir unsere Stadtwerke und unsere Wohnungen nicht dem Markt überlassen haben - so wie es Christian Ude wollte.

Sehen Sie ihn manchmal – zum Rentnerplausch?
Ja, wir treffen uns.

Was machen Sie dann?
Wir essen miteinander, trinken einen guten Wein. Und wälzen natürlich die politischen Themen - im kleinen Kreis. Ude wird wie ich immer ein politischer Mensch bleiben.

Schauen wir noch auf 2024, auf Ihren TSV 1860. Irgendeine Hoffnung auf Besserung?
Nicht so richtig.

Haben Sie heuer Spiele gesehen?
Ja, aber Gott sei Dank immer nur im Fernsehen. Im stillen Kämmerlein kann ich besser schimpfen.

Und politisch: Was macht Ihnen für 2024 Angst?
Dass die Menschen mehr Angst vor den Maßnahmen gegen die Klimakrise haben als vor dem Klimawandel selbst. Das macht mir wahrlich Angst.

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