Europaweite Großrazzia gegen die Mafia ‘Ndrangheta – auch in München

München - Schwerbewaffnete Spezialeinheiten der Polizei in schusssicheren Westen und mit vorgehaltenen Maschinenpistolen haben am frühen Mittwochmorgen Wohnungen in der Stadt und im Landkreis gestürmt. Die Razzia ist Teil der europaweiten Anti-Mafia-Operation "Eureka". An der Razzia in München waren rund 130 Polizistinnen und Polizisten beteiligt. Insgesamt zehn Objekte, Privatwohnungen, Geschäftsräume, darunter auch drei Autopflegecenter (s. unten), wurden durchsucht.
Großeinsatz gegen Mafia: 130 Polizisten durchsuchen Objekte in München und im Landkreis
Vier italienische EU-Haftbefehle sind nach Angaben des Landeskriminalamtes in München vollstreckt worden. Insgesamt geht es um acht Verdächtige. Der in München agierenden Gruppe wird vorgeworfen, sich unter anderem an der Finanzierung des internationalen Kokainhandels beteiligt, mit Logistik unterstützt und Geldwäsche betrieben zu haben.
Fahnder stellten in den Riem Arcaden ein Auto sicher, in dem mehrere Kilo Marihuana versteckt waren. Auch in einem der Geschäftsräume wurde Marihuana gefunden.
Eine Spur führt die Fahnder direkt nach München
Die Spur führte schließlich auch nach München. Ins Visier der Fahnder geriet dabei ein Cousin von zwei belgischen Verdächtigen sowie weitere Verwandte und Bekannte. Sie sollen alle, wie die AZ erfuhr, ebenfalls Teil der Eureka-Ermittlungen sein.
Zudem sollen die Ermittler in Nordrhein-Westfalen ein weit verzweigtes Geldwäsche-System aus verschiedenen Restaurants, Pizzerien, Cafés und Eisdielen entdeckt haben. Durch die Ermittlungen wurde der Kreis der Verdächtigen immer größer. In NRW wurden 51 Häuser, Wohnungen, Büros und Geschäftsobjekte durchsucht.
Die Mafia hat offenbar ein internationales Verbindungsnetz aufgebaut. Alleine von Oktober 2019 bis Januar 2022 konnten die italienischen und belgischen Behörden die Einfuhr und den Handel von fast 25 Tonnen Kokain zuordnen. Geldflüsse von mehr als 22 Millionen Euro von Kalabrien nach Belgien, Niederlande und Südamerika konnten ebenfalls ermittelt werden, teilte das LKA jetzt mit.

Ab Juli 2020 hatten die Ermittler eine Frau und sieben Männer im Visier. Alle sind italienische Staatsbürger im Alter von 25 bis 48 Jahren. Der Hauptvorwurf: Beteiligung am internationalen Kokainhandel. Sie sitzen inzwischen in U-Haft. Insgesamt wurden am Mittwoch bundesweit mehr als 30 Haftbefehle vollstreckt. Objekte in NRW, Rheinland-Pfalz, dem Saarland und Thüringen wurden durchsucht. Rund 1.100 Beamte waren an der Operation beteiligt.
Den Sicherheitsbehörden gelang bei den Ermittlungen offenbar ein wichtiger Meilenstein bei der Aufklärung der Mafia-Organisation: Die Fahnder konnten nach LKA-Angaben kurz vor der Abschaltung des Krypto-Messengerdienstes "Sky ECC" das Handy eines der Beschuldigten während dessen Aufenthalts in Bayern identifizieren – und die Informationen schließlich an die italienischen Ermittler weiterleiten. "Diese entscheidende Erkenntnis stellte einen großen Schritt für die italienischen Ermittler dar", betont das LKA.
"Ein empfindlicher Schlag gegen die ‘Ndrangheta" sei gelungen, erklärte Innenminister Joachim Herrmann (CSU) in einer Stellungnahme. Die Beschlagnahmung des Kryptohandys in Bayern sei ein "Meilenstein für die italienischen Ermittler". Die ‘Ndrangheta ist nach Einschätzung des Bundeskriminalamtes (BKA) derzeit die "relevanteste Mafia-Gruppierung" mit einer dominanten Stellung auf dem europäischen Kokainmarkt. "Sie versucht, ihr Territorium auszuweiten und Einfluss auf kalabrische Migrantengemeinschaften auszuüben", so das BKA.
Ermittler knacken Codes angeblich sicherer Handys
Während der Corona-Pandemie hatten Mafiosi vermeintlich abhörsichere Handys genutzt. Ermittlern gelang es allerdings, die Codes zu knacken. Der in München ansässigen Gruppe wird vorgeworfen, sich unter anderem an der Finanzierung des internationalen Kokainhandels beteiligt zu haben, mit Logistik unterstützt und Geldwäsche betrieben zu haben. Außerdem werfen die Ermittler laut LKA den Mafia-Clans unerlaubten Waffenbesitz, Waffenhandel, Betrugsdelikte und verschiedene Steuerstraftaten vor.
Zu den Geschäftsfeldern der ‘Ndrangheta in Bayern gehören Immobilien, das Baugewerbe und Prostitution. An erster Stelle steht der europaweite Drogenhandel. Zudem spielt in Deutschland Geldwäsche eine spezielle Rolle. Der Sohn eines Clan-Chefs wird laut italienischen Medien zitiert mit: "In Germania possiamo fare tutto. La Germania è una lavanderia”. Übersetzt: "In Deutschland können wir alles machen – Deutschland ist eine Wäscherei."
In Belgien, Frankreich, Portugal und Spanien, gab es am Mittwoch ebenfalls Durchsuchungen. In Italien wurden 108 Verdächtige festgenommen. Durchsuchungen und Verhaftungen gab es in Kalabrien, in Rom, Bologna, im Raum Ancona, in Mailand und Genua.