Europarechtsbruch? Flüchtlingsrat klagt gegen die Regierung
München - Sie sprechen die Sprache nicht, sind fremd und erhalten Briefe in Behördensprech, die entscheidend für ihre Zukunft sind: Asylbewerber sind oft hilflos, wenn sie in einer Erstaufnahmeeinrichtung ankommen. Bisher hat ihnen die Rechtsberatung des 2002 gegründeten Infobusses vom Münchner Flüchtlingsrat und Amnesty International geholfen, das Asylverfahren zu verstehen und über Rechte und Pflichten aufzuklären.
Damit ist jetzt Schluss. Die Regierung von Oberbayern verbietet den Helfern seit dem 8. Januar, auf dem Gelände von Flüchtlingsunterkünften zu parken. "Das ist ein eklatanter Verstoß gegen Europarecht", sagt Anwalt Hubert Heinhold. Nächste Woche wird er beim Verwaltungsgericht Klage gegen die Bezirksregierung einreichen.
Denn das Europarecht besagt, dass Nichtregierungsorganisation Zutritt gewährleistet werden muss, um Asylsuchenden zu helfen. Mit dem Bus sind die Helfer zwar mobil, stehen aber jedes Mal auf einem anderen Parkplatz. Die Asylbewerber müssen während der muttersprachlichen Einzelberatungen in der Kälte warte. Zudem dürfen die Asylrechtsberater in den Unterkünften nicht einmal die Toilette nutzen, berichtet der Flüchtlingsrat.
Der Infobus hat fast 3.000 Asylsuchende beraten
Die Regierung erklärt auf AZ-Anfrage, die Aufnahmeeinrichtung seien ein beschützter Raum, in dem die Asylsuchenden zur Ruhe kommen sollen. Deshalb und wegen sicherheitsrelevanter Aspekte würde dem Infobus der Zugang verwehrt.
Laut Flüchtlingsrat habe die Regierung Versuche, ins Gespräch zu kommen, ignoriert.
2.570 Asylsuchende haben die dreißig Helfer des Infobusses 2017 beraten. Seit dem Zutrittsverbot erreichen sie eklatant weniger Menschen mit ihrem Rechtsberatungsangebot, das auch von der Stadt München und der UNO gefördert wird. Zwei Unterkünfte, in denen die Beratung im Haus war, können sie nicht mehr anfahren.
"Die Menschen sollen komplett isoliert werden", sagt Rebecca Kilian-Mason, Geschäftsführerin vom Flüchtlingsrat. Sie fürchtet, dass sich andere Länder die bayerische Praxis zum Vorbild nehmen. Transitzentren etwa, bislang ein bayerischer Ansatz, soll es bald bundesweit geben.