"Sterneküche ist Raubbau an der Natur": Wie es die Alte Brennerei bei München anders machen will

München/Pullach – "Mich stört, dass in der gehobenen Gastronomie immer noch Lebensmittel aus der ganzen Welt angekarrt werden", sagt Sebastian Fasching. "Vor der Haustüre hat man wirklich alles, was man braucht."
Fasching absolviert seine Kochlehre im Sterne-Restaurant Les Deux. Dort lernt er von Edip Sigl, der inzwischen das Drei-Sterne-Restaurant Essenz in Grassau betreibt. Danach geht Fasching jahrelang auf Wanderschaft in Sternelokalen, verfeinert die handwerklichen Techniken, lernt Produkte kennen. "Noch bin ich nicht da, wo ich hinwill", sagt der 42-Jährige, "ich bin immer noch dabei, meine Handschrift zu entwickeln."

Trotzdem will er es wissen und pachtet vor einem Jahr die Alte Brennerei in Pullach. Zuletzt residierte in dem kleinen Hotel-Anbau ein klassisches französisches Restaurant, „mit Froschschenkeln, Schnecken und solchen Sachen“, erzählt Fasching. Der kleine holzvertäfelte Gastraum war überladen mit Bildern in goldenen Rahmen und weißen Tischdecken.
An den Wänden hängen schlichte Zeichnungen zum Schmunzeln
Fasching hat ihn entrümpelt. Die Tische deckt er schlicht ein, als Deko dient nur ein Glas mit bunten Trockenblumen. An den Wänden hängen schlichte Zeichnungen zum Schmunzeln von Julian Opitz. Eine Brombeere mit Gesicht zum Beispiel, der "Brombär", oder der bayerische Atlas: Ein Bayer in Lederhosen, der auf seinen Schultern einen riesengroßen Knödel trägt.
Den größten Unterschied zum Vorgänger-Lokal macht die Speisekarte. Fasching nimmt es ernst mit der Nachhaltigkeit und bezieht alle seine Zutaten von Produzenten aus der Region. Im Sommer legt er viel ein und fermentiert alles, was ihm zwischen die Finger kommt, mit Kräutern, Essig und Gewürzen. So zaubert er auch in der kalten Jahreszeit viele Aromen auf die Teller. Wichtig ist ihm, auch ein vollwertiges vegetarisches Menü anzubieten. "Ich nehme nicht einfach das Fleisch vom Teller und ersetze es durch Tofu", verspricht Fasching.

Alte Brennerei in München: Pilz-Foie auf der Karte
Aktuell steht auf der Karte eine Pilz-Foie, an der er lange getüftelt hat. Sie erinnert geschmacklich tatsächlich an die feine Würzigkeit einer Gänseleber, besteht aber nur aus Nüssen. Fasching richtet sie mit einer Variation aus Roter Bete, Buchenpilzen und einem luftigen Stück selbst gebackenem Brioche-Brot an – nicht nur optisch ein Vergnügen.
Das Zusammenspiel aus Aromen von säuerlich-erdig bis kräftig-würzig lässt schmecken, dass Fasching in der oberen Liga kocht. Als Nächstes serviert er einen schlichten, goldglänzenden Teller: einen Saibling mit gebrannter Sahne, einem Hydrolat aus Fichtennadeln und fermentierten grünen Mandeln.
Ein warmer Goldmantel umschmiegt den Saibling
Die gebrannte Sahne schmiegt sich wie ein warmer Mantel um den Fisch, schmeckt wohlig und rund und lenkt nicht vom Fisch ab. Die Mandeln geben einen ganz feinen Biss und die Krümel aus kandierten Fichtenzapfen einen Hauch Süße.
Zum Nachtisch gibt es gerade Mimolette-Käse in Kombination mit Sauerrahm-Eis, Balsamico-Kirschen und einer Liebstöckel-Soße. Das klingt wild, ist es aber nicht. Im Gegenteil: Der fein gehobelte Mimolette kommt perfekt zur Geltung, aber auch die Kirschen, das Eis und das tiefe Aroma des Liebstöckels bleiben dem Gaumen noch Tage später in harmonischer Erinnerung.
Menü in der Alten Brennerei in München wechselt regelmäßig
Alle paar Wochen wechselt das Menü. Fünf Gänge kosten 110 Euro, die Weinbegleitung 50 Euro. Dienstags und mittwochs gibt es das Chef's Menü, drei Gänge für 65 Euro.
Und wie sieht es mit den Michelin-Sterne-Ambitionen aus? "Das ist ein zweischneidiges Schwert für mich", sagt Fasching. "Ich mag an meinem Lokal, dass ich es hier locker und leger halten kann". Andererseits sei da schon das Gefühl, diese Auszeichnung erreichen zu müssen.
Michelin-Sterne gibt's nur für Gerichte mit Produkten aus der ganzen Welt
Mit einem nachhaltigen Konzept sei das schwierig, sagt Fasching. Es gebe zwar den Grünen Michelin-Stern für nachhaltige Gastronomie. "Aber bei der klassischen Sterne-Vergabe sind immer die oben dabei, die hochwertige Produkte aus der ganzen Welt verarbeiten", sagt Fasching. "Das ist Raubbau an den Meeren und der Natur."
In der Alten Brennerei zeigt er, wie es anders geht. Am besten kommt man nachhaltig mit der S-Bahn und probiert es einmal in aller Ruhe aus.
Habenschadenstr. 4a, Pullach
Di-Sa: 18 bis 23 Uhr
altebrennereipullach.com