Schampus-Krise: Wird Champagner knapp?
Es ist feine Maßarbeit, die Hugues Poret täglich leistet, wenn er durch seine Parzellen geht, den Kopf zwischen die Weinreben steckt, nach jeder einzelnen von ihnen sieht. Ab Mai entfernt er Knospen, die nicht fruchtbar sind. Im Frühsommer geht es an die "Palissage", bei der die Triebe voneinander getrennt und zwischen zwei Hebedrähte geklemmt werden, um die Belüftung der Blätter zu garantieren, was sie vor Fäulnis und Krankheiten schützt.

Insgesamt 45 Parzellen besitzen Hugues Poret und seine Frau Frédérique gemeinsam – kleinteilige Abschnitte, die sich auf etwa acht Hektar verteilen und die jetzt im Winter kahl da liegen.
Handarbeit ist ein Muss im nachhaltigen Weinbau
Die Weinberge ihres Hauses Duménil-Poret befinden sich nahe des Dorfs Chigny-les-Roses südlich von Reims. "Manche Parzellen liegen auf Hängen, andere sind flach, der Sonneneinfall ist nicht gleich. Jede Rebe braucht eine für sie passende Behandlung", erklärt Frédérique Poret. Diese Handarbeit sei unerlässlicher Bestandteil in ihrem Bemühen um einen nachhaltigen Weinbau, der mit möglichst wenig Chemie auskommt.
Champagner erlebt seit Monaten sowohl im In- als auch im Ausland einen spektakulären Anstieg der Nachfrage. Französische Medien fragen bereits besorgt, ob er an den Feiertagen ausgehen könnte. Ein solcher Aufschwung nach zwei schwierigen, von der Corona-Pandemie geprägten Jahren kam unerwartet. Die Preise zogen ebenfalls an.
Ein wachsendes Interesse stellt auch Frédérique Poret fest. "Vielleicht haben die Menschen mehr Lust, das Leben zu genießen und setzen auf Qualitäts-Produkte?", rätselt sie.
Für die Champagner-Branche gehöre nachhaltiger Weinbau seit mehr als 30 Jahren zu den strategischen Pfeilern, sagt Philippe Wibrotte, Kommunikationschef beim "Comité interprofessionnel du vin de Champagne", der Vereinigung der 16.200 Winzer und 360 Handelshäuser der Champagne. "Wir haben als erste Weinregion unsere CO2-Bilanz gemacht, um den Ausstoß zu verringern", sagt Wibrotte. "Nun verfolgen wir das Ziel, dass das gesamte Anbaugebiet bis 2030 ein Umwelt-Zertifikat vorweisen kann."
Es gebe etliche Initiativen, von der Verringerung chemischer Mittel über einen sparsamen Umgang mit Wasser bis zur Reduzierung der Verpackungen, die ein Drittel des CO2-Fußabdrucks beim Champagner ausmachen.

Das Haus Poret-Duménil verzichtete als eines der ersten ab Anfang der 2000er Jahre testweise auf Insektizide gegen die Raupen des Traubenwicklers, einen für Weintrauben schädlichen Nachtfalter. Stattdessen setzten sie die Technik der "sexuellen Verwirrung" ein.
Schädlingsbekämpfung: Ampullen mit Sexuallockstoffen im Weinberg
Dabei platzieren die Winzer Ampullen mit Sexuallockstoffen zwischen den Reben, welche verhindern, dass die Traubenwickler-Männchen ihre Weibchen finden können – sie werden "verwirrt" und pflanzen sich nicht mehr fort.
Inzwischen wird die Methode in der Champagne mehr als in jeder anderen Weinbau-Region Europas verwendet, nämlich auf rund 40 Prozent der Fläche.
Ist die Klimaerwärmung auch hier ein Thema, so wirkt sie sich bislang nicht negativ auf die Weinreben in der Champagne aus, da es sich um eine Mittelmeer-Pflanze handelt, die Hitze mag. Die Kalkböden in der Champagne können viel Wasser speichern.
Doch der Geschmack verändert sich. "Die Säure erlaubt einem großen Wein eine lange Alterung im Keller, doch bei steigenden Temperaturen hat man mehr Zucker und der Säuregehalt sinkt", sagt Frédérique Poret. Trotz der heißen letzten Jahre sei ihr Champagner aber weiterhin rund und "gourmand".
Gourmand, das französische Wort meint schmackhaft, köstlich, deliziös. So wie es dem Bild des Champagners entspricht und dem Image, das ihm seine Hersteller geben wollen als Getränk für besondere Momente – das Ergebnis sorgfältiger Maß- und oft auch liebevoller Handarbeit.
- Themen:
- Champagner