Pilgerreise in den Keller

In dieser AZ-Serie stellen wir Kneipen vor, in denen die Musik von der Band statt vom Band kommt. Heute: der Jazzclub Unterfahrt
von  Claudia Schuh
Der Standart-Look des Jazzclub-Besuchers: Hornbrille zum schwarzen Rollkragenpulli.
Der Standart-Look des Jazzclub-Besuchers: Hornbrille zum schwarzen Rollkragenpulli. © Sigi Müller

Hinab in den Keller, hinein in Münchens berühmtesten Jazzclub: Sogar ein US-Szenemagazin hat die „Unterfahrt“ mal unter die 100 besten Jazz-Clubs weltweit gekürt. Seit 34 Jahren treten hier Musiker auf, früher noch in der Kirchenstraße, jetzt in den Räumen eines ehemaligen Bierkellers in der Einsteinstraße.

Chef Walter Prijak ist nicht zu übersehen, wuselt er doch jeden Abend mit einer gigantischen weißen Kochmütze durch das mit Hornbrillen, schwarzen Rollkragenpullis und Rotweingläsern ausgestattete Publikum. Prijak preist heute seinen Tafelspitz (10,80 Euro) an, „ganz zart, mit Kartoffeln aus der Region“. 2007 hat er mit seinem Geschäftspartner Herbert Mandl die Unterfahrt übernommen. „Bei uns sind die Preise verträglich“, sagt Prijak und rückt seine Kochhaube zurecht. Die Karte mit Hauptgerichten zwischen 8 und 15 Euro wechselt wöchentlich, die Halbe kostet 3,70, das Glas Wein (0,2) ab 4,70 Euro.

Musikalisch ist jeden Abend etwas anderes geboten: Sonntags finden Jam-Sessions für Nachwuchstalente statt, montags spielen Big Bands. Auf der Bühne stehen No-Names aus Pasing ebenso wie internationale Stars der Szene. Jazz-Legende Ray Andersen an der Posaune, Bobby Previte hinterm Schlagzeug oder John Scotfield an der Gitarre sorgten hier schon für Gänsehaut. Der Eintritt kostet zwischen 5 Euro (bei Jam Sessions) bis um die 35 Euro. Die etwa 1000 Clubmitglieder 12 Euro im Monat und den halben Eintritt, viele kommen dafür mehrmals die Woche.

Das Jazz-Programm legt der Förderkreis Jazz & Malerei München e.V. fest, der den Club unterstützt und auch die moderne Kunst, die an den Ziegelwänden im Gewölbekeller hängt, beisteuert. Am Samstagabend spielt das Alex Jung Quartett mit Tony Lakatos am Saxophon. Sogar die Tische hinter den gusseisernen Säulen sind trotz schlechter Sicht belegt. Die Bar ist brechend voll. Und dennoch: Als die Musiker ein leises, eingängiges Stück spielen, hält selbst die Bedienung einen Moment inne.

Keine Flasche wird entkorkt, die Espressomaschine ist stumm. Kein Mucks. Andachtsvolle Stille. In diesem Moment wird klar, was die Unterfahrt ist: Ein Wallfahrtsort für Jazz-Liebhaber.


Jazzclub Unterfahrt, Einsteinstraße 42, Mo. bis So. 19.30 – 1Uhr, Tel.: 44 82 794, www.unterfahrt.de

 

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