Ochsengarten: Wo die wilden Kerle feiern - seit 50 Jahren

Seit einem halben Jahrhundert dürfen in den Ochsengarten nur Männer - auch nackt. An der Theke gibt's Bier, Prosecco und Kondome.
von  Jasmin Menrad
Prost! Roland Scheibenzuber (Mitte) mit seinen Kollegen.
Prost! Roland Scheibenzuber (Mitte) mit seinen Kollegen. © Ivan

München - Wenn ein Kerl komplett in Leder in den Ochsengarten kommt, schauen auch die Jungs hinter der Bar. Leder sehen auch sie selten. "Doggy-Play ist gerade der Hype", sagt Roland Scheibenzuber und macht eine Kopfbewegung zu dem Käfig, der im Raum steht. Hier wird auch Bier in den Napf gefüllt, wenn der "Hund" und sein Herrchen das wünschen.

Was hinter den schwarzen Scheiben passiert, bleibt Frauen verborgen . Die dürfen am Donnerstag zum Hetero-SM-Stammtisch kommen, müssen aber sonst draußen bleiben. Hetero-Männer sind willkommen. "Wenn einer da ist, ist er da", sagt Roland. Niemand frage nach, ob einer auf Männer steht.

Wenn einer da ist, kriegt er ein Helles (Spaten, 3,50) oder einen Prosecco (7,50 Euro). Wer essen mag, knabbert Chips. Eine Küche gibt's nicht, dafür Kondome und Gleitgel im Nebenzimmer, wo man sich an die Wand fesseln kann, wenn man darauf steht. Da, wo bis 1967 die Damentoilette war, ist ein simples Holzbrett zum Liegen und Knien.

Als die Reporterin ausnahmsweise in die Bar darf, ist der Pornofilm im Nebenzimmer ausgeschaltet. Männer allen Alters sitzen bei Bier an der Bar und unterhalten sich. Geschnackselt wird eher am Wochenende oder jeden zweiten und vierten Montag bei den Nacktpartys.

In einer Zeit, als Homosexualität noch strafbar war , traf sich im Ochsengarten schon die Szene. Um 1800 war das Haus mit der Nummer 47 eines der ersten in der Müllerstraße. Roß- und Rindermarkt waren in der Nähe, hier trafen sich die Arbeiter auf ein, zwei, drei Bier.

Ab 1945 war's ein Animierschuppen und die Müllerstraße ein Straßenstrich - bis 1966. Da bekam München den Zuschlag für die Olympischen Spiele und einen Sperrbezirk. Die Prostituierte zogen um, Gusti aber blieb in der Müllerstraße.

Sie hatte im Ochsengarten gearbeitet und den Laden ab 1967 übernommen. Gusti ist eine Frau, von der die Schwulen schwärmen: eine legendäre Münchner Schwulenmutti, die sich von Freunden überreden ließ, aus dem Ochsengarten ein Lederlokal zu machen.

In den 50 Jahren, die es den Ochsengarten gibt, kam nicht einmal die Sittenpolizei herein. Obwohl der Laden recht schnell weit über München hinaus bekannt war. "Wir waren die Ersten, die auf Fetisch gesetzt haben", sagt Roland, Jahrgang 1974 und seit 2011 auch hinter der Theke vom Ochsengarten. Das dürfte einerseits an der charismatischen Gusti liegen, aber auch daran, dass die Lebenswelt der Menschen wesentlich liberaler war als das Recht.

1978 gab Gusti den Ochsengarten an ihren langjährigen Mitarbeiter Fridolin Steinhauser (69) ab. Der führt mit seinem kleinen Team den Ochsengarten bis heute als Fetisch-Lokal weiter. "So wie's der Friedl fahrt, wird's scho weitergehen", sagen die Männer an der Bar.

Sie erzählen von den 80ern, als Freddie Mercury regelmäßig Gast im Ochsengarten war. "Ein sehr netter Kerl, fast schon schüchtern." Als die Reporterin scherzt, dass sie's großartig findet, in einer Bar zu sein, in der mehrere Männer sein könnten, die mit Freddie Mercury geschlafen haben, sagt einer der älteren, ruhigen Männer recht trocken: "Ja, einer is' da" - und erzählt von seiner wilden Zeit mit Freddie Mercury und Barbara Valentin.

Viele Prominente können sie aufzählen, die Stammgäste im Ochsengarten sind und waren: der Komiker Dirk Bach, Moderator Ralph Morgenstern, Schauspieler Georg Uecker oder der Politiker Volker Beck. Wer hier was gemacht hat, wollen sie nicht erzählen. Fotografieren ist sowieso verboten. "Was im Ochsengarten passiert, bleibt im Ochsengarten", sagt Roland.


Müllerstr. 47, So. bis Do. 20 bis 3 Uhr, Fr. und Sa. Open End

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