Neueröffnung in München-Haidhausen: So ist das Ladencafé Plaisir
Haidhausen - Das Drama spielt sich ab, als ein kleiner Bub seine zwei Apfelkücherl mit Vanilleeis (3,50 Euro) nicht bekommt, weil das Ladencafé Plaisir heute früher zumachen muss. Zu viele Mitarbeiter sind krank, die Küche geputzt, nur das "Closed"-Schild hat Florian noch nicht an die Tür gehängt. Der Bub klammert sich an einen hellblauen Kinderstuhl und weint herzzerreißend. Mitarbeiter Florian macht ein paar unsichere Schritte auf den Buben zu, dreht um in die Küche. Drama hatte Florian in seinem Leben genug.
Der kleine Laden beim Rosenheimer Platz ist nur auf den ersten Blick ein normales Café. Urgemütlich mit Vintagemöbeln, Kinderspielecke und bunt gestalteten Weinkisten mit Produkten wie selbst gemachten Marmeladen (3,10 Euro) und Häkelsachen zum Kaufen. Beim Blick in die Vitrine fallen die Preise auf: Das Stück selbst gemachter Käsekuchen für 2,50 Euro, der Nudelsalat mit getrockneten Tomaten und Pinienkernen für 2,90 Euro? Kartoffelsuppe mit Wienerl und Brot für 3,50 Euro?
Ein ungewöhliches Café also – mit ungewöhnlichem Konzept. Die Mitarbeiter hier haben alle eine psychische Erkrankung. Für die Gäste bedeutet das, dass sie manchmal länger warten müssen. Oder das Café früher zumacht, wenn wie heute die halbe Belegschaft erkältet ist, Evgeniy (51) Zahnschmerzen hat und nur für die Zeitung vorbeischaut und Florian (29) eben nicht alles machen kann. Zehn Mitarbeiter arbeiten hier in Teilzeit, zudem eine Sozialpädagogin und eine Psychologin.
Im Café Plaisir ist alles selbstgemacht
Für die Mitarbeiter bedeutet die Arbeit im Café Alltag. "Das Café hat mein Leben gerettet", sagt Evgeniy, der 2009 gegenüber im KontakTee angefangen hat, einem Treffpunkt für Menschen mit Psychiatrieerfahrung. "Die Menschen kommen erst zu KontakTee und wechseln zu uns, wenn sie stärker sind", sagt Andrea. "Wir können für nichts garantieren", heißt in der Karte, "Aber das von Herzen."
Nun ist das Café Plaisir ein paar Häuser weiter gezogen, in größere Räume, von den Mitarbeitern gestaltet. Was fehlt: ein gastronomischer Anleiter. Die Mitarbeiter müssen sich selbst organisieren. "Wir haben Kurse und Weiterbildungen und erfüllen alle Standards eines normalen Cafés", sagt Florian. Betont, dass sie von der Quiche (3,10 Euro) bis zu den Pralinen (100 Gramm/3,90 Euro) alles selbst machen, Kindergeburtstage ausrichten, Catering liefern und Kuchen auf Bestellung backen.
Alles ganz normal hier. Bis auf kleine und große Dramen, die der Gast meist nicht mitbekommt. Wer schlecht drauf ist, arbeitet nämlich einfach in der Küche. Und morgen gibt’s auch wieder Apfelkücherl.
Balanstr. 12, Mo. bis Sa. 10 bis 20 Uhr, Tel. 448 78 88
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