Heinz Winkler: "Wo bleibt die Sauce?"

Kein Gericht verlässt die Küche von Heinz Winkler, ohne dass er es persönlich inspiziert hat. Die AZ hat den Sternekoch, der beim Wettbewerb in der Jury sitzt, in seiner „Residenz“ besucht
Annette Baronikians |
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Was meinen Sie, Chef? Großmeister Heinz Winkler mit seinem Sous-Chef Thomas Gerber (l.) beim Probieren.
Petra Schramek 2 Was meinen Sie, Chef? Großmeister Heinz Winkler mit seinem Sous-Chef Thomas Gerber (l.) beim Probieren.
Am Pass, an der Schnittstelle zwischen Küche und Service, wird Hand in Hand gearbeitet – an dem kulinarischen Gemälden.
Petra Schramek 2 Am Pass, an der Schnittstelle zwischen Küche und Service, wird Hand in Hand gearbeitet – an dem kulinarischen Gemälden.

Kein Gericht verlässt die Küche von Heinz Winkler, ohne dass er es persönlich inspiziert hat. Die AZ hat den Sternekoch, der beim Wettbewerb in der Jury sitzt, in seiner „Residenz“ besucht.

 

München - Heinz Winkler greift zum Löffel, probiert – und man sieht förmlich, wie seine Geschmacksnerven in Aktion treten, wie es in ihm arbeitet. „In die Pfeffersauce muss noch ganz fein gehackter Wacholder rein“, sagt er nach wenigen Sekunden, und der Jungkoch zieht mit dem Topf wieder ab. Nun ist die Fasanenbrust dran, schonend gegart, poeliert. Winkler kostet: „Passt! Kann gehen! Wo bleibt die Sauce? Sind wir soweit?“ Nicken um ihn herum. Sieben Köche beginnen sogleich die Teller anzurichten.

Jeder Handgriff sitzt. Kein Gericht verlässt die Küche, ehe es der Chef höchstpersönlich inspiziert hat. Und schon kommt die nächste Bestellung. Winkler schnappt sich den Zettel und ruft laut vernehmbar: „Zwei Seeteufel, zwei Hummer, ein Hirschrücken – laufen lassen!“ Was soviel heißt, wie: Leute, legt los! Es ist kurz nach 19 Uhr. Draußen im legendären Gourmet-Restaurant der luxuriösen „Residenz Heinz Winkler“ sind bereits viele Tische besetzt. Um die 70 Feinschmecker wollen sich von des Meisters Köstlichkeiten verwöhnen lassen. Die meisten bestellen ein Menü, viele fünf, noch mehr acht Gänge. Eine tägliche Herausforderung für das gesamte Winkler-Team.

Auch an diesem Abend müssen wieder mindestens 400 Teller mit den verschiedensten kulinarischen Kunstwerken in Perfektion aus der Küche kommen. Der Anspruch ist hoch, schließlich werden in der „Residenz“ in Aschau nur Bestleistungen erwartet. Nicht verwunderlich, schließlich kann Heinz Winkler, der vor 63 Jahren als elftes Kind einer Südtiroler Bergbauernfamilie geboren wurde, auch zig Superlative aufweisen.

Mit gerade einmal 31 wurde er zum damals weltweit jüngsten Drei-Sterne-Koch gekürt. Diese höchste Auszeichnung für Köche eroberte er 21 Mal – so oft wie keiner sonst in Deutschland. 2001 bekam er als erster Koch überhaupt das Bundesverdienstkreuz verliehen. „All das hat mich nie übermütig werden lassen. Ich habe mich auch nie auf meinen Lorbeeren ausgeruht. Von nichts kommt nichts“, erzählt Winkler, während er hauchzarten Lardo über Jakobsmuscheln anschmelzen lässt: „Es bedeutet harte Arbeit, doch Kochen und meine Gäste damit zu verwöhnen ist meine große Leidenschaft.“ Eine, bei der 16-Stunden-Tage keine Ausnahme sind.

Zu den marinierten Jakobsmuscheln kommen jetzt noch Kaviarkartoffeln. Es entstehen weitere Teller, die wie Gemälde aussehen. Service? Noch im Restaurant! Also läutet Winkler die Glocke. Kaum hat man bis fünf gezählt, sind zwei Herren im dunklen Zwirn mit Silbertabletts da. „Raus damit, wird ja kalt“, sagt Winkler und probiert schon wieder. Diesmal ist es die Burgundersauce für die Kalbsbäckchen: „Okay, doch noch etwas zu dick!“, lautet das Urteil. Die junge Köchin nickt: „Gut, Chef.“ Der wendet sich der Selleriemousseline zu und erklärt uns: „Ich weiß, wie etwas schmecken soll, wie der optimale Geschmack ist und was dafür gegebenenfalls fehlt. Probieren ist das Wichtigste, um Ausbalancieren zu können!“ Sagt's und würzt mit etwas Muskat nach.

An allen Posten, die bei einer klassischen Küchenbrigade vorgesehen sind, wird mit Volldampf gearbeitet, geschnitten, gerührt und gebraten. Von Gardemanger über Saucier bis Patissier: Jeder Handgriff sitzt. Alle 16 Köche sind im Dauereinsatz. 35 Grad hat’s in der Küche. „Das muss man schon vertragen können“, sagt Winkler und trinkt ein weiteres Glas Mineralwasser: „Auf drei bis vier Liter komm’ ich am Tag.“ Und Essen? Unter der Woche bringt er allmorgendlich um 8.30 Uhr seinen vierjährigen Sohn Constantin in den Kindergarten. „Dann frühstücke ich in der Arbeit. Mittags esse ich meist einen Salat, besonders gern Belugalinsen mit Nori-Algen, Apfelessig und Kürbiskernöl. Gesünder geht's nicht!“, erzählt Winkler beim Gnocchi zubereiten: „Ich muss ja immer bereit sein, alles zu probieren. Wenn man zu voll ist, mag und kann man das nicht.“

Die Schwingtür geht auf und diesmal erscheinen keine schwer beladenen Servicekräfte, sondern Heinz Winklers Sohn Alexander (33), der seit wenigen Monaten Restaurantleiter ist. In den Händen hält er das dicke Weinbuch der „Residenz“ mit über 850 Positionen. Mit dem Vater, der jetzt kurz mal weiße Trüffel über hausgemachte Nudeln hobelt, beratschlagt er sich über den Wein zur geschmorten Milchlammkeule. „Gut, also einen samtigen Italiener. Danke, Chef“, sagt Alexander schließlich, und wir wundern uns. Chef? „Ja, klar. In der Arbeit spreche ich ihn auch mit ,Chef'’ an, privat sage ich Heinz oder Papa. Bei der Weinempfehlung war ich mir gerade nicht ganz so sicher. Da ist es toll auf seine so lange Erfahrung zurückgreifen zu können.“ Heinz Winkler lächelt. Er ist sichtlich stolz auf seinen Sohn.

Ein freundliches Schulterklopfen. Für mehr ist keine Zeit, denn für Tisch 51 muss das Sisteron-Lamm mit mediterranen Kräutern raus. Winkler hält kurz inne. „Zugegeben, es ist schon stressig, doch ich liebe all das hier!“

 

 

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