Geyerwally in München: Schnöselfrei im Szeneviertel
München - Ein sehr aufgeregter Maximilian Heisler steht in der Geyerwally, tippelt von einem Fuß auf den anderen, raucht ein Zigarette nach der anderen. Es ist Mai 2015 und Heisler, Giesinger Mieteraktivist, Student und damals gerade erst 27 Jahre alt, ist seit ein paar Stunden: Wirt. An diesem Nachmittag hat er den Schlüssel bekommen für die alte Geyerwally, die er nun mit vier Bekannten zusammen betreiben soll. Heisler spricht von seinem "Abenteuer-Herzensprojekt", davon, dass er gerade hier im immer schnöseligeren Umfeld diesen traditionsreichen Ort erhalten wollte, davon, dass hier auch in Zukunft jeder willkommen sein soll.

Vier Jahre später kann man festhalten: Heisler und seinen Mitstreitern ist sehr vieles von dem, was sie vorhatten, gelungen. Während rund um den Gärtnerplatz ohnehin fast überhaupt nichts mehr vom alternativen Flair geblieben ist, wird auch hier, am Rande des Glockenbachviertels, Haus für Haus luxussaniert. Doch bei Heisler stehen immer noch die alten Wirtshaus-Stühle, es hängt natürlich das alte Elvis-Poster, historische Schilder ("Der Weg der Masslosigkeit führt in den Palast der Weisheit") hinterm Tresen, das alte Ofenrohr ist auch immer noch da. Die Gäste haben an der Gestaltung natürlich auch ein bisserl mitgewirkt. Ich war mal beim Konzert einer linken Band in der Geyerwally, die irritiert war von einem Pin-Up-Girl an der Wand. Sie hängten einen halb-nackten Mann dazu. Er posiert noch heute gleich links neben dem Trensen.
Geyerwally: Drei Euro für die halbe Bier
In der Geyerwally bekommt man auch Anfang der Woche um Mitternacht noch ein Bier, selbst das ist in der Isarvorstadt ja immer seltener. Und: Es gibt fast immer Platz, für Tresen-kritische Gäste sogar oft Sitzplätze. Die Preise sind seit vier Jahren stabil. Stabil niedrig. Drei Euro kosten sowohl die halbe Bier (etwa Augustiner, Tillmans, Giesinger) als auch die 0,33er-Biere (etwa Pilsner Urquell, Tannenzäpfle, Peroni), getrunken wird immer und ausschließlich aus der Flasche. Eine Cola kostet 2,50 Euro, die Weinschorle 4,50 Euro.
Preise, die sich auch die vielen sehr jungen alternativen Leute leisten können, die hier vor allem am Wochenende feiern. Unter der Woche geht es gemütlicher zu, auch die alten Stammgäste (und Betreiber und Mitarbeiter) der Vor-Heisler-Zeit kommen noch gelegentlich vorbei, alle zwei Wochen haben sie sogar einen festen Stammtisch. Heisler gefällt‘s: "Bei uns mischt es sich sehr gut, vom Alter, aber auch vom Anteil der Frauen und Männer."
Die Geyerwally ist eben einfach immer für ihre Gäste da. Ich ging mal an Heiligabend durchs Glockenbachviertel spazieren. Es war gruselig. Kein Mensch auf der Straße, ganze Wohnhäuser lagen im Dunkeln, man konnte ein Gefühl dafür bekommen, wie wenige Menschen in gentrifizierten Vierteln nur noch ihren Lebensmittelpunkt haben. An Weihnachten in München? Nein, da sind die neuen Glockenbacher ja daheim bei den Familien. Nur hinten in der Geyerstraße brannte Licht. Es wurde eine fröhliche, heilige Nacht in der Geyerwally.

Geyerwally trotzt luxuriösen Entwicklungen des Viertels
Dort gibt es auch immer wieder kleine Konzerte und Hoffeste. Was es nicht gibt: einen Fernseher. "Fußball hat bei uns Hausverbot", so sagt es Heisler. Fußballfans aber nicht. Wenn man die vielen Sticker in der Geyerwally betrachtet, wird schnell klar: Bei Heisler, dem Giesinger, kehren viele Löwen-Fans ein. Und eher nicht so viele Rote. Und wenn doch, dann verträgt man sich hier, an diesem besonderen, entspannten Ort. Heisler hat inzwischen noch eine andere Bar, das "Frische Bier" im Schlachthofviertel, nur ein paar hundert Meter entfernt.
Dort ist alles schick designt, dort nippen Männer-Gruppen im Hemd mit prüfendem Blick an kleinen, teuren Craft-Bieren. Heisler selbst sagt: "In der Geyerwally leben wir stärker das Ungezwungene." Man kenne viele Gäste - und die helfen auch mal mit, einen Kasten Bier hinter den Tresen zu wuchten. Wer unverschämt oder herablassend sei, werde von den Bedienungen auch einfach mal ignoriert.
Wie wunderbar. Und wie schön, dass die Geyerwally wohl noch länger all den seltsamen, langweiligen, luxuriösen Entwicklungen des Viertels trotzt. Kürzlich gab es im Bezirksausschuss mal wieder Gerüchte, das Haus werde abgerissen, die Geyerwally müsse schließen. Nichts dran, sagt Heisler. "Es gibt da aktuell gar keine Anhaltspunkte dafür." Man kann hier also wunderbar weiter versumpfen, Geburtstage feiern, auch mal selbst auf dem Hochpodest über dem Kühlschrank seine Lieblings-Platten auflegen. In der Geyerwally fehlt: nichts. Höchstens Lametta. Das hat Heisler abgehängt, als er die alte Geyerwally übernahm, um sie zu erhalten.
Geyerstraße 17, wochentags 19 bis 1 Uhr, Freitag/Samstag 19 bis 2 Uhr
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