Gebühr in Münchner Restaurants und Wirtschaften trifft Gäste: Droht der nächste Gastro-Ärger?

München - Ob es nun die begrenzte Aufenthaltsdauer am reservierten Tisch oder die bei nicht abgesagten Reservierungen anfallende Gebühr ist: Aus guten Gründen greifen die Münchner Gastronomen zu immer neuen Mitteln, um in schwierigen Zeiten betriebswirtschaftlich über die Runden zu kommen.
Time-Slots und No-Show-Gebühren in München? Gastro-Trends nehmen laut Verbraucherschützerin zu
Welche Möglichkeiten haben die Betreiber eigentlich noch, um gegenzusteuern, was erwartet die Gäste zukünftig? "Diese Trends nehmen zu", teilte Tatjana Halm, Referatsleiterin Recht und Digitales bei der Verbraucherzentrale Bayern, auf AZ-Anfrage mit. Leider ließe sich nicht genau analysieren, welche Betriebe darauf setzen, so die Rechtsanwältin: "Das scheint ganz unterschiedlich zu sein. Teilweise sind es Ketten, die auch über Online-Buchungsprozesse die Voraussetzungen bereits geschaffen haben. Teilweise sind es kleinere, hochpreisige Restaurants, die besser kalkulieren wollen."

Auch im mit rund 40 Sitzplätzen nicht sonderlich großen Burger-Tapasladen "Der kleine Flo" im Angerviertel in der Altstadt ist die Aufenthaltsdauer an den reservierten Tischen bereits seit 2018 je nach Gruppengröße auf eineinhalb Stunden bis zwei Stunden beschränkt, und innerhalb des Teams wird derzeit darüber nachgedacht, neben diesen Time-Slots auch eine sogenannte No-Show-Gebühr einzuführen.
"Der kleine Flo" ohne Time-Slots: "Konnten viel weniger Leuten einen Platz anbieten"
"Wir versuchen, eine faire Lösung zu finden. Beide Themen sind ja auch für uns irgendwo unangenehm, jedoch mehr und mehr eine Notwendigkeit", sagte Co-Founder Julia Kantor im Gespräch mit der AZ. Nur im ersten Jahr nach der Eröffnung des Restaurants (2017) habe es keine Slots gegeben, und das Ergebnis sei nicht zufriedenstellend gewesen: "Wir haben die Plätze pauschal den ganzen Abend freihalten müssen, weil wir ja nicht wussten, wie lange die Gäste bleiben und wir niemanden wegschicken wollten. Dadurch konnten wir viel weniger Leuten bei uns einen Platz anbieten und mussten täglich vielen Gästen absagen. Das ist weder im Sinne der Gäste, noch gut für das Unternehmen. Natürlich hängt die ganze Slot-Thematik unter anderem auch mit der Ladengröße, dem Konzept und der Gästeanzahl zusammen. Je nach deren Ausgestaltung ist die Notwendigkeit, Slots einzuführen, gegebenenfalls geringer."
Julia Kantor: Gäste zeigen "großes Verständnis", wenn die Slots gut kommuniziert werden
Feste Reservierungszeiten haben oft zudem auch organisatorische Gründe, denn in den digitalen Reservierungstools – bekannte Anbieter sind hier beispielsweise "OpenTable", "Thefork", "Yelp", "Dish", "Resy" oder "Tablein" – muss das Unternehmen eine Aufenthaltsdauer, also eine Endzeit, mit angeben.
"Wir haben geschaut, wie lange unsere Gäste durchschnittlich bleiben. Und das sind eineinhalb Stunden. Somit passt dieses Zeitfenster für die meisten unserer Gäste. Wir fragen am Telefon auch immer nach, ob das so in Ordnung geht und schauen, ob wir die Zeit am Tisch verlängern können, sofern dies gewünscht ist. Für uns sind es daher weniger starre Slots, als vielmehr Standard-Reservierungszeiten", sagte Julia Kantor. Im Team kenne man das direkte Feedback der Gäste "ganz gut" und bekomme so auch mit, dass Gäste "großes Verständnis" dafür haben, sofern ihnen die Slots gut kommuniziert worden seien, entweder digital oder vor Ort. Julia Kantor: "Auf Unverständnis stößt die Lösung vor allem dann, wenn es eben falsch verstanden wird, es einem gar nicht kommuniziert wurde oder man die Hintergründe nicht kennt."
Gastro-Coach Andreas Bartelt: "Jeder reservierte und dann nicht genutzte Tisch bedeutet einen finanziellen Verlust für den Gastronomen"
Ein Restaurant plane schließlich mit seinen Mitarbeitern, kaufe gezielt ein und plane den Abend konzeptionell durch, sagte der Gastronomie-Berater und -Coach Andreas Bartelt im Gespräch mit der AZ: "Es gibt ja auch Restaurants mit wenigen Tischen, da kommt es dann letztendlich auf jeden einzelnen Platz an. Man muss dabei die steigenden Kosten für die Gastronomie-Betriebe berücksichtigen, sei es nun beim Wareneinkauf oder bei der Energie.""

Gastro-Coacher Bartelt wirbt um Verständnis für die Gastronomie: "Jeder reservierte und dann nicht genutzte Tisch bedeutet einen finanziellen Verlust für den Gastronomen. Eine No-Show-Gebühr ist im Grunde genommen eine Reaktion auf ein verändertes Gästeverhalten. Früher hat man reserviert und ist auch hingegangen."
Auch wenn es von Fall zu Fall einer detaillierten Analyse bedürfe, empfiehlt Bartelt den Gastronomen, "grundsätzlich eine Anzahlung" zu erheben, die bei Nicht-Erscheinen als No-Show-Betrag fällig wird: "Die Anzahlung sollte pro Person so hoch sein wie der Preis einer Vorspeise oder eines günstigen Hauptgerichts. Mindestens so hoch, damit die Betriebskosten für den Platz für den gebuchten Zeitraum gedeckt sind. Dieser Betrag sollte dann sofort über die Kreditkarte des Gastes abbuchbar sein."
Für Bartelt handelt es sich dabei allerdings nicht um eine Gebühr in dem Sinne, denn normalerweise werde der Betrag als Vorschuss angerechnet und fließe zu 100 Prozent in die nächste Rechnung ein. Es gehe dem Gastro-Unternehmen darum, eine Sicherheit zu schaffen, dass der Gast auch erscheint, wenn er einen Tisch reserviert hat. Bartelt: "Es ist eine Art Anzahlung und keine Gebühr."
Julia Kantor: "Wir haben teilweise Neuner-Gruppen, die nicht auftauchen"
Auch die Betreiber vom Kleinen Flo machen sich wegen der No-Show-Problematik so ihre Gedanken, überlegen aber eher in Richtung einer Gebühr. "Ich glaube, den Leuten ist einfach nicht bewusst, was sie durch ihr Nichterscheinen für einen wirtschaftlichen Schaden bei Betrieben anrichten können. Wir haben teilweise Neuner-Gruppen, die nicht auftauchen, gleichzeitig müssen wir täglich viele Reservierungsanfragen absagen", schildert Julia Kantor der AZ die schwierige Situation.
Gerade an einem Schlechtwetter-Tag könne man diese neun Plätze nicht mehr mit Walk-Ins, also Laufkundschaft, füllen: "Bei den geringen Margen und teilweise hohen Fixkosten in der Gastronomie macht das einen großen Unterschied. Aus diesem Grund besprechen wir auch gerade im Team, gegebenenfalls No-Show-Gebühren ab einer gewissen Gruppengröße einzuführen. Vermutlich nicht ab zwei Personen, sondern eher ab vier oder fünf Personen." Auch hier gelte es wieder, genau abzuwägen, was man als Betreiber dem Gast zumuten könne.

Fair dem Wirt gegenüber: Reservierte Tische sollten frühzeitig abgesagt werden
Wenn Sie einen Tisch in einem Restaurant reserviert haben, den Termin aber nicht wahrnehmen können, sollten Sie ihn frühzeitig absagen. Das ist dem Wirt gegenüber nur fair und erspart Ihnen unter Umständen eine Menge Ärger.
Bei Nichterscheinen trotz Reservierung (No-Show) können Restaurants ihre Gäste grundsätzlich finanziell in die Pflicht nehmen. Ob das möglich ist oder nicht, hängt laut Christian Feierabend, Fachanwalt für internationales Wirtschaftsrecht, davon ab, ob der Wirt den Tisch innerhalb einer halben Stunde problemlos anderweitig besetzen kann oder nicht. Sei das nicht möglich, könne der Wirt rein theoretisch Schadenersatz von der bestellenden Person einfordern. "Praktisch ist es allerdings für den Gastronomen oft schwierig nachzuweisen, welche Verdienstausfälle er hatte", sagte Feierabend der dpa.
No-Show-Gebühr muss den Gästen im Vorfeld klar und deutlich erklärt werden
Über die besagten Reservierungstools können die Gäste kurz zuvor noch einmal daran erinnert werden, dass sie einen Tisch reserviert haben. "Die Kontaktaufnahme ist eigentlich sehr einfach und praktikabel", sagte Andreas Bartelt, "aber nicht jeder ruft an oder schickt eine SMS, um abzusagen."
Gastronomen ohne Reservierungssystem müssen einen anderen – zeitlichen – Aufwand betreiben, und den Kunden ein paar Stunden zuvor noch einmal anrufen. Bei der No-Show-Gebühr könne es sich laut Tatjana Halm um einen festen oder gestaffelten Betrag handeln. Eine solche Gebühr dürften Wirte allerdings nur dann erheben, wenn sie Gäste im Vorfeld klar und deutlich darauf hingewiesen hätten.
Gastro-Berater Andreas Würtz: "Marktwirtschaftlich ist das Horror"
"Als ich vor über 40 Jahren in der Gastronomie angefangen habe, hieß es immer 'gegessen und getrunken wird immer', aber angesichts der gesamtwirtschaftlichen Bedingungen, die man der Gastronomie heutzutage so auferlegt, kann dies leider nicht mehr so uneingeschränkt gelten, sagte Andreas Würtz im Gespräch der AZ und denkt dabei an "Auflagen ohne Ende", seien es Hygienevorschriften (HACCP, Mitte der 1990er Jahre), Lieferkettennachweise, die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO, seit 2018), behindertengerechtes Bauen und ständig steigende Auflagen im Personal- und Sozialbereich (Umkleiden, Personalkleidung etc.).
Würtz ist gelernter Koch und Küchenmeister, staatlich geprüfter Gastronom (Hotelbetriebswirt) und geschäftsführender Inhaber der Steinberg Hotel & Gastronomie Betriebs- & Beratungs-GmbH, führt als Dienstleister also mehrere Betriebe im Management. Für ihn steht fest, dass die Gastronomie alle Hebel in Bewegung setzen muss, "um zu überleben". Daher befürwortet er auch ganz eindeutig Maßnahmen wie die No-Show-Gebühr.
"Im Moment diskutiere ich bei einem neuen Projekt mit der Baubehörde über die Anzahl der Pissoirs oder die Anzahl der Fahrrad-Stellplätze. Man macht uns mit diesen ganzen Auflagen alles kaputt – und das ist auch einer der Gründe, warum immer mehr Gastronomen aufhören. Ich kann von einem Betrieb mit 30 bis 40 Sitzplätzen nicht erwarten, dass er – speziell im Innenstadtbereich – fünf Fahrrad-Stellplätze und noch vier Pkw-Parkplätze zur Verfügung stellt. Das ist doch der Wahnsinn!", so Würtz. Dann seien da noch die unzähligen Rückzahlungsforderungen von Corona-Geldern und die Mehrwertsteuer-Aufstockung von zuletzt sieben auf nun wieder 19 Prozent: "Marktwirtschaftlich ist das Horror, was da abläuft. Das macht doch auf Dauer den Mittelstand kaputt und ist frustrierend ohne Ende."
Andreas Würtz: "Weniger Umsatz bedeutet weniger Steuereinnahmen"
Würtz spricht von einem "Teufelskreis" und einer "Milchmädchenrechnung". Da gehe es nicht nur um zwölf Prozentpunkte mehr, es gehe auch um "die Psychologie", dass man es dabei hätte belassen sollen: "Auch für die Bevölkerung – die Menschen gehen definitiv weniger essen, das ist ein Fakt. Also hast du am Ende des Monats auch weniger Umsatz, was dann dem Staat wieder schadet. Denn weniger Umsatz bedeutet weniger Steuereinnahmen."
Julia Kantor empfindet den Druck, unter den aktuellen Bedingungen mit den explodierenden Kosten auf allen Seiten, Maßnahmen wie Time-Slots oder No-Show-Gebühren einführen zu müssen, als "so hoch wie noch nie". Dies vor allem auch deshalb, weil man die Kosten nicht eins zu eins an die Gäste weitergeben wolle: "Abhilfe kann hier meiner Meinung nach langfristig nur die Politik schaffen – eine wichtige Stellschraube wäre hier mit Sicherheit die Mehrwertsteuer-Senkung –, um diese Spirale abzuflachen und um zu verhindern, dass eben nicht nur noch durchrationalisierte Betriebe oder To-Go-Läden die Restaurantlandschaft besetzen, sondern eben auch der Wirt von nebenan."

In den USA sind No-Show-Fees übrigens gängige Praxis. So sollen angesagte Restaurants in New York bei einer Absage bereits ab 72 Stunden vor der terminierten Reservierung zwischen 150 und 200 Dollar pro Person aufrufen. Auch die Maßnahme der Time-Slots hat ihren Ursprung in den Vereinigten Staaten.
Tatjana Halm: Auch günstigere Lunch- oder Mittagsangebote sind eine Möglichkeit
Tatjana Halm von der Verbraucherzentrale Bayern kann sich vorstellen, dass zukünftig weitere Trends übernommen werden: "Häufig lassen sich ja schon günstigere Lunch- oder Mittagsangebote finden. Warum nicht auch auf den Nachmittag verlegen? Ausschlaggebend werden hier sicher betriebswirtschaftliche Aspekte sein, inwiefern sich dieses Angebot lohnt und wie es letztendlich von den Verbrauchern angenommen wird."
Zu der Idee, Tische zu weniger beliebten Zeiten – beispielsweise zwischen 14 und 17 Uhr – günstiger anzubieten, hat Andreas Bartelt eine klare Meinung: "Da gehen die Leute dann eher zwei Wochen später. Deutsche Gewohnheiten eben. In Spanien zum Beispiel genießen die Menschen um 22 Uhr ihr Abendessen – wenn Sie dort um 18 Uhr ins Restaurant gehen, ist es leer, und um 19 Uhr sitzen ein paar Deutsche drin."
Andreas Würtz sieht noch einen anderen Aspekt: "Dafür muss der Betrieb dann wieder so groß und entsprechend strukturiert sein, dass auch am Nachmittag Personal eingeplant werden kann. Und es kommt ja noch hinzu, dass du angesichts der Personalknappheit einfach die Leute nicht dafür hast oder findest."
Das Jahr 2024 begann für die Branche erneut mit einem Umsatzminus. Laut einer aktuellen Umfrage des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) lag der Umsatz im Januar nominal 10,2 Prozent unter dem Vorjahreswert. "Es wird für die Betriebe immer schwerer, wirtschaftlich zu arbeiten", sagte Dehoga-Präsident Guido Zöllick laut einer Mitteilung. Zöllick bekräftigte dabei die zentrale Branchenforderung nach einheitlich sieben Prozent Mehrwertsteuer auf Essen: "Die Ungleichbehandlung von Essen in Restaurants und Cafés gegenüber Lieferdiensten und Essen To Go muss beseitigt werden."
Thomas Geppert: "Die Gastronomen handeln mit Sicherheit nicht böswillig"
Angela Inselkammer, Präsidentin der Dehoga Bayern, bestätigte im Januar gegenüber dem Bayerischen Rundfunk, dass man in den vergangenen Jahren rund 5000 Gastronomiebetriebe in Bayern verloren habe. "Angesichts dieser Situation sollte man sich als Gast in die Entscheider gerade in den kleineren Betrieben hineinversetzen können", sagte Thomas Geppert, Geschäftsführer von Dehoga Bayern, der AZ: "Die Gastronomen handeln mit Sicherheit nicht böswillig."
Für die Betreiber sei es gerade in Krisenzeiten wichtig, Kontakt zum Kunden halten, sagte Andreas Bartelt. "Denken wir nur an Corona, da waren E-Mail-Listen Gold wert, um die Leute über andere Öffnungszeiten oder über Aktionen wie Außer-Haus-Service zu informieren."
Respekt, Freundlichkeit, guter Service und Kundenbindung seien wichtige Faktoren, schließlich schaffe ein Gastronom Erlebnisse und schöne Momente: "Aber er ist auch Geschäftsmann, muss rechnen und kalkulieren, er darf auch die Zuverlässigkeit der Gäste einfordern dürfen." Da könne dann auch ein Reservierungstool eine Stütze sein: Dort könne man mitunter einstellen, dass der Stammgast keine Gebühr bezahlen müsse, wenn er einen reservierten Tisch nicht abgesagt habe.
Julia Kantor sieht durchaus noch einige Möglichkeiten, um sicherzustellen, dass Tische durchgehend besetzt sind, anfallende No-Show-Kosten seien damit aber nicht in dem Maße zu ersetzen. Eine Immobilie in guter Lauflage sei sicher hilfreich. Zudem könne man eine Warteliste führen, damit Gäste nachrücken können und Tische nach maximal zehn Minuten wieder freigeben, wenn der Gast nicht komme – das müsse man aber ebenfalls vorab so kommunizieren.
Gastronomen müssten sich eben oft mit konträren Zielen auseinandersetzen, Umsatz oder Marge müssten sich an Gäste- und Mitarbeiterzufriedenheit messen lassen. Julia Kantor: "Wenn ich einen gesunden Betrieb aufbauen und halten, ein gutes Preis-Leistungsverhältnis anbieten, faire Gehälter zahlen möchte, dann muss ich eben auch mit Zahlen umgehen können und diese auch optimieren, das liegt in meiner Verantwortung. Im besten Falle tue ich das so, dass alle weiteren Interessen auch berücksichtigt werden."