Gastro-Neueröffnung in München geht andere Wege: "To go gibt es bei mir nicht"

Mitten auf dem Stemmerhof in Sendling hat sich Orazio di Pietro seinen Traum verwirklicht. Die AZ hat sich das kleine Café mit italienischem Kaffee und französischen Croissants genauer angesehen.
von  Helena Ott
Das Café Ora ist eine eigensinnige Mischung aus französischer Boulangerie und italienischer Espressobar. Man findet dort Kaffee in allen Variationen von Espresso (2,20 Euro), Cappuccino (3,20 Euro) bis Americano. Dazu Croissants, Kuchen und verschiedene Mittagssnacks.
Das Café Ora ist eine eigensinnige Mischung aus französischer Boulangerie und italienischer Espressobar. Man findet dort Kaffee in allen Variationen von Espresso (2,20 Euro), Cappuccino (3,20 Euro) bis Americano. Dazu Croissants, Kuchen und verschiedene Mittagssnacks. © Daniel von Loeper

München – Der Stemmerhof ist ein seltenes Gebilde. In dem ausgebauten Bauernhof ist neben einem Bio-Markt, auch ein Laden für Kinderklamotten, eine Theaterbühne, ein Fischrestaurant und ein italienisches Bistro beheimatet.

Eines aber habe gefehlt: "Ein Café – ein Ort, an dem man gemütlich einen guten Kaffee trinken kann", sagt Orazio di Pietro. Wenn der Sizilianer "Kaffee" sagt, meint er keinen Filter- oder Maschinenkaffee, sondern Espresso. Frisch durch die Mühle gedrehte Bohnen mit der Siebträgermaschine zubereitet. Im kleinen Tässchen oder in aufgeschäumter Milch als Cappuccino serviert. Wie das schmecken muss? "Schön kräftig aromatisch und intensiv muss er sein", sagt der Sizilianer und reibt Daumen und Zeigefinger aneinander.

Das Café Ora in München entstand in einem alten Lagerraum

Mit dem Café Ora geht für ihn ein Traum in Erfüllung, sagt er. Di Pietro betreibt auch die Eisdiele "Eis da Ora" gegenüber. "Aber im Winter habe ich vier Monate zu. Meine Frau arbeitet, mein Sohn geht in die Schule, das war für mich immer sehr langweilig", sagt der 49-Jährige. Dann hat er Glück. Die Besitzer finden, dass dem Stemmerhof noch ein Café fehlt. Eigentlich sind alle Läden belegt. Also räumen sie einen Lagerraum und lassen die 32 Quadratmeter ausbauen. Das Konzept für die Innengestaltung zeichnet Orazio di Pietros Frau, eine Designerin. Das Ergebnis ist ein heller Raum, viel Holz und warme Leuchten, die von der Decke hängen. Im Zentrum ein breiter Tresen zum Drumherumstellen.

Mit Mittagssnack oder Kaffee kann man gemütlich im Hof sitzen.
Mit Mittagssnack oder Kaffee kann man gemütlich im Hof sitzen. © Daniel von Loeper

Anders als viele Cafés in der Innenstadt öffnet das Ora schon um acht Uhr morgens. Für Leute, die auf dem Weg zur Arbeit noch auf einen Kaffee vorbeikommen wollen. Bis 18 Uhr steht di Pietro durchgehend selbst hinter der Theke. Der Sizilianer ist hier schon seit 2018 für sein Eis bekannt. Das portioniert jetzt ein Mitarbeiter gegenüber. Die Sandwiches, Quiches und Kuchen fürs Café bereitet er zu. Und den Kaffee natürlich.

Sein Kaffee verlässt den Hof nicht

"To go gibt es bei mir nicht", sagt der 49-Jährige. "Kaffee, das heißt genießen. Das widerspricht sich doch, wenn ich im Laufen aus einem Pappbecher trinke." Eine Mode aus Amerika, mittlerweile würden sogar Straßencafés in Italien To-go-Becher anbieten. Mit der dortigen Kaffee-Kultur habe das nichts zu tun. Also verlässt sein Kaffee den Hof nicht? "Na gut, eine Ausnahme vielleicht, wenn jemand mit der eigenen Tasse kommt", sagt der Gastronom. So könne man zumindest den unnötigen Müll vermeiden.

Als er 2014 aus Italien nach Deutschland kam, arbeitet di Pietro zuerst in seinem gelernten Beruf als Installateur. Er und seine Frau, eine geborene Würzburgerin, die er in Bologna kennengelernt hatte, wollten mit ihrem achtjährigen Sohn nach Deutschland ziehen, näher zu den Großeltern. "Aber irgendwann war ich ganz unglücklich", sagt er. Den ganzen Tag mit Maschinen arbeiten, das erfüllte ihn nicht mehr. "Hier ist das anders, ich habe viel Kontakt zu ganz unterschiedlichen Menschen, aus verschiedenen Ländern und Berufen", schwärmt der 49-Jährige. "Das ist doch leben."

Stemmerhof soll Treffpunkt für die Nachbarschaft sein

Im Laden ist Selbstbedienung. Die Kunden kommen zu di Pietro vor an den Tresen. Mit vielen redet er kurz, fragt, wie es geht. Ein paar sprechen Italienisch. Im Januar hat er das Café Ora eröffnet. Wie bei den anderen Wirten kann man bei ihm schön im Hof sitzen: Ockergelbe Tische stehen zwischen Lavendelstöckchen und den großen gerahmten Ladenfenstern. Jetzt hofft di Pietro auf viele Sonnentage. Dann ist auf dem Hof viel los und die Leute setzen sich raus.

Der Stemmerhof, oben am Hang, gegenüber der Kirche, soll nach seinen Betreibern eine Art Dorfmitte für Sendling sein, ein Treffpunkt für die Nachbarschaft. Jetzt wartet dort auch ein sympathischer Cafébesitzer – mit echtem Interesse an Kaffee und an der sozialen Aufgabe seines Berufs.

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