Feiern in Frottee
Der Bademantel ist das liebste Kleidungsstück an einem verkaterten Vormittag. Aber doch nicht am Abend! Doch nicht zum Ausgehen! Seit neuestem werden aber nachts auf der Marsstraße in Bademäntel gewandte Leute gesehen, die zu jung sind, um an seniler Bettflucht zu leiden.
Sie sind auf dem Weg in die Sauna – dem neuen Barclub am Hauptbahnhof, in dem Alkohol nicht als Aufguss, sondern als Longdrink serviert wird. Vor einem Monat haben Ole und Till Wierk, Brüder aus Bremerhaven, den kleinen Laden eröffnet. Zehn Monate haben sie die ehemalige Dresdner-Bank-FIliale eigenhändig umgebaut. Komplett mit Euro-Paletten ausgekleidet, der Tresen ist eine alte Schiffsplanke, die Leuchten an der Decke mit Tauen befestigt. So stabil, dass heitere Damen sie schon als Schaukel benutzt haben.
Die Brüder sind heiter, weil sie hier keine Nachbarn lärmbelästigen können. Deswegen mussten sie nämlich vor drei Jahren ihr Café am Tonstudio am Ungererbad schließen. Ole Wierk ist als DJ schon lang in der Stadt unterwegs. jetzt haut er den Leuten in der Sauna gute Laune um die Ohren. Alles, was die 80er und 90er an Lichtampeln und bunten Effekten hergeben, blinkt jetzt im kleinen Laden, auf den Toiletten laufen 80er-Werbespots in Dauerschleife.
Till schlappt im Bademantel und Surfershorts hinter der Bar umher, reicht hier ein Tegernseer (3,50 Euro) über die Planke, lässt eine Runde Kräuterschnaps springen und gießt großzügig Gin Tonic und Cuba Libre ein (Longdrinks 8 Euro).
„Die Leute sollen hier einfach feiern, trinken, Spaß haben“, sagt er. Zu dem Sound, der sie als Teenies begeistert hat. Salt’n’Peppa bis Stones bis Sunshine Reggae, und auch Tic Tac Toe haut Ole gnadenlos auf die Plattenteller, Till klingelt mal wild die Schiffsglocke dazwischen, Ole macht dazwischen Durchsagen wie ein Kartenverkäufer am Kettenkarussell: „Jetzt geht’s richtig looos!“
Trinken, Tanzen, Gröhlen, Grinsen. „Wir sind kein Elektroschuppen, aber sonst darf hier alles auf die Plattenteller“, sagt Till Wierk. „Eher nicht die aktuellen Charts. Mehr die Reise in die Vergangenheit.“
Die beginnt bisher gegen Mitternacht, wenn die Sauna gut gefüllt ist und Ole richtig aufdreht. Wegen den Brüdern dürfte sich das aber gern ändern: Um 21 Uhr sperren sie auf, ein bisserl Bargeschäft dürfte da schon sein. Auf der kleinen Holzterrasse lädt ein Kicker zum Turnier. Später stehen hier die Tanzwütigen und kühlen sich ab, bei Bier und Zigarette. Weil der Saunagang sie ins Schwitzen gebracht hat.
Marsstraße 22, Di. bis Sa. 21 – 5 Uhr, Fr./Sa. 5 Euro Eintritt, s-a-u-n-a.de, Tel.: 0170/ 47 12 311
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