Balan: Tee trinken könnt ihr woanders

Ein Helles, bitte. Und noch eins. Und noch eins. Und noch eins. Warum das Balan der schönste Ort im schönen Haidhausen ist.
Felix Müller |
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Geht immer: An der Bar sitzen im Balan.
Petra Schramek Geht immer: An der Bar sitzen im Balan.

Haidhausen - Gelungene Abende am Tresen haben es ja so an sich, dass die Erinnerung daran ein bisserl schwammig ist. An Daten erinnert man sich Jahre später natürlich sowieso nicht. Wie gut, dass ich meinen ersten Besuch im Balan ergoogeln kann. Es muss der 27. Februar 2008 gewesen sein, als ich das erste Mal hier am Tresen stand. Und zwischen dichten Rauchschwaden gleich einen guten ersten Eindruck von diesem Laden bekam, der ganz normal ist und ganz wahnsinnig, links-alternativ und bodenständig. Friedlich und aufgekratzt.

Neben mir fiel ein Mann wie in Zeitlupe ganz langsam von seinem Barhocker. Das schien niemanden zu überraschen. Minuten später rappelte er sich wieder auf. Es spielte der FC Bayern gegen die Löwen, Pokal-Viertelfinale. Natürlich waren die Blauen in der Mehrheit, aber auch ein paar Rote waren da. Alles easy und entspannt. Balan halt. Natürlich ging das Spiel aus Löwen-Sicht verloren, unberechtigter Elfer in der Nachspielzeit der Verlängerung, Tor Ribéry. Doch im Balan trinkt man dann eben noch ein paar Helle und dann geht's auch wieder.

Ausnahme in Haidhausen: Das Balan

Ich war schon auf Haidhauser Partys, auf denen Menschen, die in den 80er-Jahren im Viertel jung waren, sehr, sehr sehr traurig über das gesprochen haben, was aus dem einst so alternativen Eck geworden ist. Saniert und teuer und unpolitisch und wahnsinnig sauber ist alles. Doch es gibt noch ein paar Ausnahmen. Das Johanniscafé, wenn man eine gute Nacht erwischt. Das Vivo schon häufiger. Und, natürlich: das Balan.

"Die Schmuddelkinder aus der Lothringer Straße" hat sich das Vivo mal halb-selbstironisch auf dem Plakat für ein Straßenfest genannt. Das Balan wird nie einen Slogan haben, da bin ich mir ziemlich sicher. Die alten Holzstühle, die vielen Sticker von Fußballfan-Gruppen, alles ist hier so selbstverständlich, als sei es immer schon da gewesen. Mehr als 20 Jahre hat die Hamburgerin Doro den Laden gemacht, der es als Treffpunkt der Münchner FC St. Pauli-Fans zu einer gewissen Bekanntheit brachte. Einst hörten sie hier zusammen Radio, später schauten sie Sky.

Geht immer: An der Bar sitzen im Balan.
Geht immer: An der Bar sitzen im Balan. © Petra Schramek

Und wenn der Club aus Hamburg Auswärtsspiele bei den Löwen oder beim FC Bayern bestritt, feierten die Paulianer aus Hamburg und die aus München tage- und abendelang im Balan zusammen. So wie am 11. Dezember 2010, als wir nachmittags im Balan Hamburger kennenlernten, die eigentlich nach München gefahren waren, um an der Arena noch nach Karten fürs Spiel zu schauen. Dann fanden sie es nach der langen Reise im Balan aber doch so gemütlich, dass sie einfach sitzenblieben.

Und Bier tranken, natürlich, was denn sonst. Einmal stand ich halb-krank am Balan-Tresen, es lief ein Fußballspiel, das Datum kann ich nicht mal mehr im Internet suchen, da ich nicht weiß, wer gegen wen spielte. Auf jeden Fall fragte ich nach einem Tee. Und lernte, dass es im Balan keinen Wasserkocher gab. Warum auch?, wenn man den Weltschmerz, die langweilig werdende Nachbarschaft oder die St.Pauli-Niederlage auch mit ein paar schnellen Hellen herunterspülen kann. Dazu gibt es kein Essen – aber das Biergarten-Prinzip. Man kann sich also einen Döner oder eine Pizza in der Nachbarschaft holen und dann im Balan essen.

Das Herz des Balans war all die Jahre die Doro, hart, hanseatisch, herzlich. Auf dem Tresen stand stets das Spenden-Schiff, in das man Spendengelder für die "Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger" werfen könnte, an die Wand hatte irgendein Linker eine Kondom-Verpackung gehängt (Motto: "Deutschland verhüten").

Nachbarn, Studenten, St.Pauli-Fans

Zu Punkrock, Irish Folk, gelegentlich sogar einem kleinen Live-Gig standen bei der Doro oft die gleichen älteren Nachbarn, Studenten, St.Pauli-Fans am Tresen. Oben kartelten ein paar Kartenspieler. Dabei durfte, wer ins Balan ging, nie Temperatur-empfindlich sein. Eigentlich war es immer zu kalt, nur, wer sich direkt an den Ofen stellte, hatte es warm. Viel zu warm. War wenig los – und das war es unter der Woche oft – saß Doro mit ihren selbstgedrehten Zigaretten auf dem kleinen Bänkchen vor dem Balan und winkte den vorbeilaufenden Nachbarn zu.

Bis sie aufhörte. Vor eineinhalb Jahren hat Jakob Ehrmann (35) den Laden übernommen. Jakob ist aus Dorfen – und als bodenständig-bayerisch-herzlich-alternativer Typ wie gemacht für das Balan. Als Bedienung hat er zuvor schon Balan-Luft geschnuppert. Und machte entsprechend alles richtig. Indem er alles ließ, wie es war. Das Balan ist inzwischen etwas voller, wegen der hohen Sky-Preise kommt fast kein Fußball mehr, viele St. Paulianer sind weitergezogen, Jakob sagt, es kämen deutlich mehr Löwen-Fans her. Was für ihn das Balan ausmacht? "Das ist einfach eine herrliche Bar", sagt Jakob. "Kein Cocktail- oder Latte-Macchiato-Ding."

Das zeigt sich auch im Getränke-Angebot – und in den Preisen. So kostet das Helle von Meierbräu Altomünster 3,30 Euro, das Pils 3,30 Euro, das Weißbier 3,50 Euro, Wasser 3 Euro, Gin Tonic 7,50 Euro und ein Wein ab 3,90 Euro.

Vor ein paar Wochen stand ich im Balan und wollte gerade zahlen, als uns ein paar Schnaps ausgegeben wurden. Es muss der 21. November gewesen sein, ich habe es gerade ergoogelt. Was denn los sei, fragten wir verdutzt? Na, Werner Lorant werde heute 70!, hieß es mit einer wunderbaren Balan-Selbstverständlichkeit. Wie wunderbar, dass sich manche Dinge nie ändern. Und das Balan eine Insel in Haidhausen bleibt. Wobei Jakob sogar einen Wasserkocher angeschafft hat. "Das steht zwar nicht auf der Karte", sagt er. "Aber wenn die Bedienung richtig gut drauf ist, macht sie dir auch einen Tee."


Balanstraße 21, Montag bis Freitag 18 bis 24 Uhr, Samstag 20 Uhr bis 2 Uhr

Lesen Sie hier: Das Haidhauser Stückerl Balanstraße

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