Eskalierte Ticketkontrolle: Mann zu Geldstrafe verurteilt

Wegen eines Angriffs auf Bundespolizisten nach einer Fahrscheinkontrolle ist ein 54-Jähriger zu einer Geldstrafe von 2.700 Euro verurteilt worden. Das Verhalten eines Beamten, der sich auf seinen Hals gekniet haben soll, war wohl nicht lebensgefährlich.
John Schneider
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Der Angeklagte vor Gericht.
Der Angeklagte vor Gericht. © Peter Kneffel/dpa

München - Sein letztes Wort endet mit heftigem Schluchzen. Thierry F. (Name geändert), ein in München lebender Franzose, fühlt sich missverstanden und zu Unrecht beschuldigt. Der 54-Jährige beklagt, dass er im Februar 2020 nach einer Fahrscheinkontrolle am Isartor zuerst von den Kontrolleuren und dann von Polizisten misshandelt wurde.

Der Fall hatte für Aufsehen gesorgt, weil sich ein Bundespolizist beim Einsatz auf die Kopf- und Halsregion des Angeklagten gekniet haben soll. Die Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen gegen die Polizei eingeleitet. Vor Gericht sagte der Bundespolizist aber, er wisse nicht mehr, ob er das Knie auf die Halsregion setzte. Auch seine Kollegen können sich nicht genau erinnern. 

Bodycam-Video des Vorfalls wird im Netz veröffentlicht

Ein Video des Vorfalls, aufgezeichnet mit der Bodycam einer Polizistin, wurde im Netz veröffentlicht – was die Arbeit des Gerichts nicht vereinfacht habe, beklagt Amtsrichter Alexander Fichtl. Es sei nur noch schwer auseinanderzuhalten, was die Zeugen im Video gesehen haben und an was sie sich tatsächlich noch selber erinnern können.

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Und dass auch ein Video durchaus Raum für Interpretationen lässt, beweist die Verhandlung am Donnerstag. Strafverteidiger David Mühlberger fordert auf Grundlage des Videos einen Freispruch für seinen Mandanten, der einen gültigen Fahrschein dabei gehabt habe. Die polizeiliche Maßnahme sei von vornherein unrechtmäßig gewesen. Bei den Handlungen des Angeklagten habe es sich daher um Notwehr gehandelt.

Richter Fichtl sieht auf demselben Video hingegen zwei Polizisten, die zunächst "ganz ruhig" den Ausweis des Angeklagten verlangten. Der weigerte sich. Erst danach wurde Zwang angewendet. "Was sollen die Polizisten sonst machen?", fragt Fichtl. Thierry F. wehrte sich und schrie laut um Hilfe, als man ihn am Boden fixierte.

Verurteilter kündigt an, in Berufung zu gehen

Eine Sachverständige erklärt nach Begutachtung des Videos, dass das Vorgehen der Polizei aber wohl nicht lebensgefährlich gewesen sei.

Der Richter verurteilt Thierry F. zu einer Geldstrafe von 90 mal 30 Euro (2700 Euro) unter anderem weil er einer Beamtin ins Gesicht geschlagen, in den (behandschuhten) Finger gebissen und die Polizisten beleidigt habe. Staatsanwältin Stefanie Eckert hatte eine Geldstrafe in doppelter Höhe gefordert.

Das Fazit des Richters, die Sache sei damit erledigt, erweist sich schnell als allzu optimistisch: Thierry F. kündigt nach dem Urteil an, in Berufung zu gehen. 

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7 Kommentare
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  • Der wahre tscharlie am 05.11.2021 16:12 Uhr / Bewertung:

    Man muß sich nur mal anschauen, was der Auslöser war und zu welch grotesker Situation das geführt hat.
    Auslöser waren doch die beiden Kontrolleure, die das echte Ticket nicht als solche anerkannten und dann die Polizei riefen. Jeder sollte sich mal selber fragen, wie er reagieren würde, wenn er ein güktiges Ticket hat und behauptet wird, es wäre falsch.
    Dass es eine Anzeige wg. Körperverletzung gibt, weil der Mann einer Beamtin in den BEHANDSCHUHTEN Finger gebissen hat, ok, kann weh tun, wenn man empfindlich ist. Und dass einem Beleidigungen in "der Hitze des Gefechts" rausrutschen, kann auch passieren.

    Dass der Mann in Berufung gehen will ist verständlich und sein gutes Recht.

  • Knödel-Fan am 06.11.2021 02:05 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Der wahre tscharlie

    Sie geben sich viel Mühe, die Gewalt gegen die Polizeibeamtin zu bagatellisieren.
    Ihr wurde ins Gesicht geschlagen und in den Finger gebissen.
    Achja, ich vergaß...es war natürlich der behandschuhte! Finger.
    Aber da die Beamtin Ihrer Ansicht nach "empfindlich" ist, wäre die Anzeige irgendwie schon "ok."
    Das die Kontrolleure nicht kompetent waren...geschenkt.
    Aber danach so ein Fass aufzumachen, weil man keine Impulskontrolle hat und herumzuschlägern...
    Sowas braucht wirklich nicht nachträglich noch heruntergespielt zu werden.

  • Der wahre tscharlie am 06.11.2021 15:19 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Knödel-Fan

    En paar Fakten, nachdem ich mir das Video zum x-ten Mal angesehen habe.
    Beschuldigter sitz auf der Bank, wird von den Beamten hochgezerrt und sofort zu Boden gebracht und liegt auf dem Bauch, Arme nach hinten. Vier!!! Beamte knien auf ihm, wobei ich bei der vierten Person von einem Zivilbeamten ausgehe, da er keine Uniform trägt, nur einen Rucksack und zivil gekleidet ist, aber den Mann auch auf den Boden drückt.
    Dann liegt der Mann halb seitlich, halb auf dem Rücken auf dem Boden. Ein Beamter kniet mit seinem linken auf dem Hals, mit dem rechten auf seinem Bauch, gleichzeitig hält er seine Arme vor der Brust fest. Zwei weiter Beamte halten seinen rechte Fuß fest.
    Währenddessen versucht die Beamtin anscheinend den Kollegen die Handschellen zu geben, da in der Kamera der ausgestreckte Arm zu sehen ist.
    Wie er die Beamtin lt. deiner Aussage mit vor der Brust fixierten Armen ins Gesicht schlagen soll, ist mir rätselhaft.

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