"Es ist Zeit, dass ich den Arsch hebe"
MÜNCHEN Auf Demonstrationen ist er sonst nicht zu sehen. Georg Ringsgwandl war zwar immer schräg und unbequem, doch nur selten hat er sich für eine Sache einspannen lassen. Jetzt aber trommelt der 62-Jährige gegen Atomkraft und tritt zusammen mit Konstantin Wecker und den Organisatoren des Nuclear Free Future Award auf der Demo am Stachus auf.
AZ: Herr Ringsgwandl, wann waren Sie zum letzten Mal auf einer Demo?
GEORG RINGSGWANDL:Das war ... 1972.
Gegen was ging’s da?
Ich habe in Kiel studiert und irgendwas hat den Studenten nicht gepasst. Was es war, hab’ ich vergessen. Ich bin da nur hin, weil meine Freundin sagte, ich muss mitgehen. Sonst hätt sie mir ihre Liebeszuwendungen verweigert.
Ansonsten waren Sie ja kein sehr engagierter 68er.
Nein, da habe ich immer einen Sicherheitsabstand gehalten.
Wie war das mit dem Arbeiterparadies?
Ich habe mal gesagt, dass ich immer wusste, dass das Proletariat, aus dem ich ja kam, nicht ins Arbeiterparadies wollte, sondern ins Möbelparadies. Das glaube ich auch immer noch.
Warum treten Sie morgen auf einer Demo auf?
Claus Biegert kenne ich schon lange und ich habe in den 90ern ein paar Mal für seinen Nuclear Free Future Award gespielt. Jetzt ist das Thema wieder sehr aktuell.
Der Protest nimmt ja schon wieder ab.
So funktioniert es eben. Ein Schwein wird eine Weiledurchs Dorf getrieben und dann wollen die Leute irgendwann wieder wissen, ob der Justin Bieber oder auch nicht. Und die Politik hofft ja auch, dass sich alles wieder verläuft.
Halten Sie es für glaubwürdig, dass Söder fürs Abschalten ist und die FDP alles neu bewerten will?
Ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob diese Leute überhaupt irgendetwas glauben. Offensichtlich machen sie das, wofür sie gewählt werden. So wie Dieter Bohlen, der macht halt den Scheiß, den die Leute im Fernsehen sehen wollen. Deswegen ist es umso wichtiger, dass die Bevölkerung zeigt, dass ihr das Thema was wert ist.
Kein gutes Politikerbild.
Nach Tschernobyl hat Strauß in seinem eigenen Garten in München den Boden einen halben Meter tief ausgraben lassen und durch unbelastete Erde ersetzen lassen. Das war der Strauß, der für die Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf war. So etwas sollten die Leute nicht vergessen. Weil sie es ja sind, die mit Katastrophen leben müssen. Die einfachen Leute, die nicht einfach wegziehen können.
Was machen Sie auf der Demo?
Ich sage ein paar Worte. Vielleicht spiele ich auch ein Lied.
Sie haben sich früher immer dagegen gewehrt, ein Protestsänger zu sein oder ein Gutmenschen-Kabarettist.
Da habe ich strikt drauf geachtet. Trotzdem waren meine Sachen ja immer politisch. Selbst Hansi Hinterseer macht politische Äußerungen, auch wenn es uns nicht gefällt.
Was ist die politische Äußerung von Hansi Hinterseer?
Es muss alles so bleiben, wie es ist, damit er weiterhin viel Geld verdient. Die Pfründe sollen nicht angetastet werden. Er will halt möglichst viele Zuschauer, wenn er im Tennisstadion von Kitzbühel seine schlechte Ware feilbietet.
Zurück zu Ihrer politischen Aussage auf der Demo.
Wir alle, damit meine ich auch mich, haben uns nach Tschernobyl über die Jahre wieder dran gewöhnt, dass die Kernkraftwerke so dahinlaufen. Auch die rot-grüne Stadtregierung, die am Atomkraftwerk beteiligt ist. Und da der Mensch nur aus Schmerz lernt, hat Japan vieles verändert. Plötzlich wird uns bewusst, dass die Kernkraftwerke, die bei uns rumstehen, nicht mal abgesichert sind gegen einen Flugzeugabsturz. Das ist es Zeit, dass auch ich meinen Arsch hochhebe.
Haben Sie je für etwas Werbung gemacht?
Nein. Ich bin zwar eine Schnalle, aber sowas mach’ ich dann doch nicht. Aber genaugenommen hat mich auch nie jemand gefragt, ob ich einen Werbespot machen will. In die Musik, die ich schreibe, ist zum Glück eine Vorabsicherung eingebaut, die verhindert, dass mich Möbelhäuser oder Joghurthersteller anrufen.