Es geht noch teurer: Wohnungs-Wahnsinn München

Investoren drängen zurück in die Stadt.Deshalb sind die Grundstückspreise in einem Jahr um 40, 60 und teils sogar 100 Prozent gestiegen.OB Ude nennt diese Entwicklung „horrend“
von  Abendzeitung
Hoch hinaus schießen die Grundstückspreise in München
Hoch hinaus schießen die Grundstückspreise in München © Martha Schlüter

MÜNCHEN - Investoren drängen zurück in die Stadt.Deshalb sind die Grundstückspreise in einem Jahr um 40, 60 und teils sogar 100 Prozent gestiegen.OB Ude nennt diese Entwicklung „horrend“

Wer glaubt, dass München teuer ist, der ahnt noch nicht, was auf die Stadt noch zukommt.

„Wir erleben seit einem Jahr horrende Grundstückspreis-Steigerungen“, berichtet OB Christian Ude: „In attraktiven Lagen im Schnitt zwischen 40 und 60 Prozent, in Einzelfällen sogar noch darüber.“ Solche Preissteigerungen habe er noch nie erlebt.

In Extremfällen hätten sich die Preise sogar verdoppelt, so der städtische Gutachterausschuss: „Im Segment des Baulands für Geschosswohnbau waren in einigen neu strukturierten Bebauungsplangebieten extrem hohe Kaufpreise zu verzeichnen. In Einzelfällen kam es hier zu Steigerungen gegenüber langjährigen Bodenrichtwertniveaus von 100 Prozent und teilweise auch darüber.“

Der Hintergrund: Erst haben Unternehmen im großen Stil ihre Wohnungsbestände verkauft, dann schlitterten sie mit gigantischen Verlusten in die internationale Finanzkrise – und jetzt gibt es wieder eine Flucht in die Sachwerte. Da sind Anlagen in München für Investoren eine sichere Bank.

Auch da gibt es einen neuen Trend: „Immer mehr große Unternehmen und Grundstückseigentümer wollen auf ihren Arealen mehr Wohnungen bauen als geplant“, sagt Ude. Sie wollten weniger Büros und Gewerbe. Ude: „Das glatte Gegenteil als vor ein paar Jahren.“

Wohnungen in München haben langfristig Bestand: Die Nachfrage ist groß, es gibt keine Leerstände – und der Wohnungsmarkt ist stabil.

„Eigentlich müsste sich die Stadt über den Zuwachs freuen“, sagt der OB. Aber es gibt auch eine Schattenseite: Die steigenden Verkaufspreise machen die ohnehin schon hohen Mieten und den Kauf von Eigentumswohnungen noch teurer. Ude: „Es ist eine Entwicklung, die aus dem Ruder läuft.“

Auf der einen Seite profitiert auch die Stadt, weil sie mehr Geld für ihre Grundstücke bekommt. Auf der anderen Seite werden die Areale für Baugenossenschaften unerschwinglich. Sozialer Wohnungsbau wird horrend teuer. SPD und Grüne haben deshalb beantragt, Konzepte zu entwickeln, wie mit den Mehreinnahmen der Stadt gezielt bezahlbarer Wohnraum gesichert werden kann.

Davon sind aktuell folgende städtische Grundstücke betroffen: Vierter Abschnitt Ackermannbogen (Schwabing), Funkkaserne (Schwabing) und Messestadt Riem.

Ohne Preise für konkrete Grundstücke zu nennen, spiegelt der aktuelle Immobilienbericht des Gutachterausschusses die Lage wider. Und der berücksichtigt noch nicht die Preissteigerungen aus den aktuellen Verkäufen:

Der Eigentumswohnungsmarkt hat sehr hohe Nachfrage und mit den gestiegenen Preisen das höchste Umsatzniveau erreicht.

Für Eigentumswohnungen und Teileigentumsobjekte (Büros, Läden, Garagenplätze) wurden die Rekord-Geldumsätze der letzten Jahre noch übertroffen. Im Vergleichszeitraum 2010 stieg die Anzahl der Verkäufe von Wohnungs- und Teileigentumsobjekten um rund 295 Kauffälle (plus drei Prozent).

Das Preisniveau von Neubau-Reihenmittelhäusern ist in durchschnittlichen und guten Wohnlagen gestiegen; der aktuelle Durchschnittspreis liegt bei etwa 440000 Euro – plus fünf Prozent.

Der Preis für eine Neubau-Eigentumswohnung lag im Mittel bei 4000 Euro/m² Wohnfläche (durchschnittliche, gute Wohnlagen – plus sechs Prozent). Willi Bock

GuteGeschäfte – und die Stadt verdient daran kräftig mit

Wie viele Millionen die Stadt durch die explodierenden Grundstückspreise verdient, das konnte OB Christian Ude noch nicht sagen. Doch eines ist schon sicher: Die Firmen machen wieder gute Geschäfte, die Stadt verdient daran kräftig mit. Die geplante Neuverschuldung fällt nicht mehr so hoch aus.

Dabei sahen die Prognosen für 2010 ganz anders aus: „Da sollte Heulen und Zähneknirschen sein“, erinnert sich Ude auch an seine eigenen Prophezeiungen. Die Stadt kam dieses Jahr ohne neue Schulden aus, und für 2011 sieht es auch sehr gut aus: Der vorsichtige Kämmerer Ernst Wolowicz (SPD) hatte Anfang Dezember nochmit einer Neuverschuldung von 280 Millionen Euro gerechnet. Durch nicht einkalkulierte Steuernachzahlungen wurde diese Zahl inzwischen halbiert. Dann kamen diese Woche 92,4 Millionen Euro aus dem freistaatlichen Finanzausgleich. Also nur noch knapp 48 Millionen Euro Miese.

Ude rechnet damit, dass es noch besser wird: „Ich habe von den größten Gewerbesteuerzahlern und vonmittelständischen Unternehmen gehört, dass sie wieder mehr Steuern zahlen werden.“ Sein Ziel: Auch im neuen Jahr Schulden abbauen können. Aktuell hat die Stadt 2,55 Milliarden Euro Schulden

Und es wird weiter investiert: So will die Stadt bis 2013 für 70 Millionen Euro 2160 neue Kinderbetreuungsplätze bauen. In diesem Jahr allein 200 neue Plätze in Krippen, 700 neue in Kindergärten und 300 in Horten. wbo

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