Erstes Gruppenspiel der DFB-Elf: Fußballfieber in München fast wie früher

München - Katar und die Fußball-WM. Ein unendliches Thema. Und heiß debattiert! Vor dem ersten WM-Gruppenspiel der Deutschen fragten sich viele Wirte, die Fußball übertragen: Wird der Laden voll? Lohnt es sich überhaupt, die Leinwand aufzurollen, an einem Mittwochnachmittag, zum ersten Gruppenspiel der Deutschen? Die Antwort: Ja. Restlos ausgebucht.
WM bei winterlich-kühler Gesamtstimmung
Doch etwas ist anders in München: die winterlich-kühle Gesamtstimmung in der Stadt, im Vergleich zu Sommerweltmeisterschaften, in denen Fahnen am Auto wehten, Frauen und Männer sich die Wangen mit schwarz-rot-goldener Farbe anstrichen und gefühlt jeder Zweite mit dem Trikot des Nationalteams herumlief. Davon ist heuer so gar nichts zu sehen.
München ist bei dieser Winter-WM zum größten Teil fußballfreie Zone. Auf dem Marienplatz, zwischen den Weihnachtsbuden: keine WM-Spur. Links hinter dem Rathaus steht ein Schreibwarengeschäft. Ein kleines Metallhäuschen. Man muss sich vorbeugen, um den Mann zu sehen, der darin steht. Er verkauft auch Flaggen. Ob WM-Artikel gefragt sind? "Nein. Keiner will Deutschland-Fahnen kaufen", sagt der Mann. Und: "Ich hatte kurz Panini-Hefte und die passenden Sticker der Fußballer im Sortiment. Die wollte auch keiner."
Wirte mögen nicht über Katar-Kritik reden
Sensibel ist das Thema Katar und die Fußball-WM ganz sicher. In den ersten drei Fußball-Kneipen, die die AZ am Mittwoch besuchen will, mögen die Wirte nicht über das Thema reden. Nur so viel: Alle Fußballspiele der Deutschen seien ausreserviert. Wir schauen zum Paulaner im Tal. Hier hat man offenbar kurzfristig ganz darauf verzichtet, die WM zu zeigen. Der Fernseher mit gefühlt 1,40 Meter Diagonale: schwarz.

Im Irish Pub Kilians an der Frauenkirche ist der junge Wirt ganz offen. Liam Daly (32) hat erst vor einigen Monaten das Keller-Lokal von seinem Vater übernommen. Ob er darüber nachgedacht habe, die WM zu boykottieren? "Wir sind eine Sports-Bar", sagt Daly, "deswegen zeigen wir auch die Fußball-WM. Politisch halten wir uns da raus." Die Nachfrage sei ähnlich groß, wie bei der letzten WM. "Gestern Nacht haben wir 40 Reservierungsanfragen für das Deutschlandspiel bekommen", sagt Daly. 38 Fußballfans habe er abweisen müssen.

Bei Daly sitzt zwei Stunden vor Spielbeginn eine junge Frau im Deutschland-Trikot. Jacqui ist aus Texas. Ein Kurztrip sei das gerade. Freitag Rückflug. "Ich möchte Kai Havertz bei der WM sehen", sagt sie. Chelsea-Fan sei sie nämlich. Die WM zu boykottieren, daran habe sie schon gedacht, wegen der Menschenrechtslage in Katar. "Aber das ist wahrscheinlich die letzte WM von Messi und Ronaldo!" Da habe ihr Fußballherz einfach gesiegt.
Marko sitzt mit einer Gruppe aus Japanern und Deutschen im Kilians. Seine Ehefrau ist Japanerin. "Jetzt sind wir bei fünf Grad im Keller und schauen gleich Fußball", sagt er frustriert über die Winter-WM. Ein beispielloses Desaster sei die Vergabe der WM an Katar. Er boykottiere das Turnier zum Teil. "Ich werde nur die deutschen Begegnungen anschauen", sagt er, "da werde ich schwach", wie natürlich auch bei diesem Gruppenspiel Deutschland gegen Japan.
Café Sax: Auf Einnahmen angewiesen

Café Sax im Glockenbachviertel. Stammlokal vieler Münchner Schwaben. Wirt Friedl Bulach zeigt WM-Spiele. "Wir sind am unteren Ende der Nahrungskette. Ich bin auf die Einnahmen angewiesen, gerade nach dem schlechten Oktoberfest-Geschäft", sagt Bulach. "Und ausgerechnet ich soll die WM boykottieren?"

Unter den Gästen sind Raphael Zaruba und Frank Bolleber. Die gebürtigen Schwaben sind große Stuttgart-Fans. Zaruba sagt: "Ich bin froh, dass der WM-Ball wieder rollt." Er habe natürlich alles Politische rund um die WM und Katar wahrgenommen. Das sei auch wichtig. Aber, sagt er: "Ich finde, man muss jetzt das Politische und Sportliche trennen dürfen." Und: Die WM gehöre künftig unbedingt wieder in den Sommer.
Sein Kumpel Frank sieht das ähnlich. Dass die WM nach Katar vergeben wurde, findet er falsch. "Aber die Entscheidung fiel vor über zehn Jahren!", sagt er. Ein Boykott kommt für ihn nicht in Frage: "Ich glaube nicht, dass der Emir seine Einstellung gegenüber Schwulen, Lesben und Andersdenkenden ändert, wenn ich die WM nicht schaue."