Erstes Gruppenspiel der DFB-Elf: Fußballfieber in München fast wie früher

Nach den Debatten der vergangenen Wochen ist die Fußballlust der Münchner zum WM-Start der Deutschen doch groß. Alle Fußball-Lokale sind ausgebucht.
Hüseyin Ince
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Jubel im Café Sax. Beim 1:0 für Deutschland ist die Welt noch in Ordnung für die Fans. Am Ende verliert Deutschland gegen Japan.
abz 6 Jubel im Café Sax. Beim 1:0 für Deutschland ist die Welt noch in Ordnung für die Fans. Am Ende verliert Deutschland gegen Japan.
Kilians-Wirt Liam Daly und seine Frau Catherine, eine Kanadierin.
abz 6 Kilians-Wirt Liam Daly und seine Frau Catherine, eine Kanadierin.
Gäste aus Dallas, Texas: Terisa, Carley, Jacqui und Kyle im Kilians.
abz 6 Gäste aus Dallas, Texas: Terisa, Carley, Jacqui und Kyle im Kilians.
Fußballfans Frank Bolleber und Raphael Zaruba im Sax.
abz 6 Fußballfans Frank Bolleber und Raphael Zaruba im Sax.
Fans im Sax.
abz 6 Fans im Sax.
Sax-Wirte Friedl Bulach (l.) und Wolfgang Strigl.
Foto: Daniel von Loeper 6 Sax-Wirte Friedl Bulach (l.) und Wolfgang Strigl.

München - Katar und die Fußball-WM. Ein unendliches Thema. Und heiß debattiert! Vor dem ersten WM-Gruppenspiel der Deutschen fragten sich viele Wirte, die Fußball übertragen: Wird der Laden voll? Lohnt es sich überhaupt, die Leinwand aufzurollen, an einem Mittwochnachmittag, zum ersten Gruppenspiel der Deutschen? Die Antwort: Ja. Restlos ausgebucht.

WM bei winterlich-kühler Gesamtstimmung

Doch etwas ist anders in München: die winterlich-kühle Gesamtstimmung in der Stadt, im Vergleich zu Sommerweltmeisterschaften, in denen Fahnen am Auto wehten, Frauen und Männer sich die Wangen mit schwarz-rot-goldener Farbe anstrichen und gefühlt jeder Zweite mit dem Trikot des Nationalteams herumlief. Davon ist heuer so gar nichts zu sehen.

München ist bei dieser Winter-WM zum größten Teil fußballfreie Zone. Auf dem Marienplatz, zwischen den Weihnachtsbuden: keine WM-Spur. Links hinter dem Rathaus steht ein Schreibwarengeschäft. Ein kleines Metallhäuschen. Man muss sich vorbeugen, um den Mann zu sehen, der darin steht. Er verkauft auch Flaggen. Ob WM-Artikel gefragt sind? "Nein. Keiner will Deutschland-Fahnen kaufen", sagt der Mann. Und: "Ich hatte kurz Panini-Hefte und die passenden Sticker der Fußballer im Sortiment. Die wollte auch keiner."

Wirte mögen nicht über Katar-Kritik reden

Sensibel ist das Thema Katar und die Fußball-WM ganz sicher. In den ersten drei Fußball-Kneipen, die die AZ am Mittwoch besuchen will, mögen die Wirte nicht über das Thema reden. Nur so viel: Alle Fußballspiele der Deutschen seien ausreserviert. Wir schauen zum Paulaner im Tal. Hier hat man offenbar kurzfristig ganz darauf verzichtet, die WM zu zeigen. Der Fernseher mit gefühlt 1,40 Meter Diagonale: schwarz.

Kilians-Wirt Liam Daly und seine Frau Catherine, eine Kanadierin.
Kilians-Wirt Liam Daly und seine Frau Catherine, eine Kanadierin. © abz

Im Irish Pub Kilians an der Frauenkirche ist der junge Wirt ganz offen. Liam Daly (32) hat erst vor einigen Monaten das Keller-Lokal von seinem Vater übernommen. Ob er darüber nachgedacht habe, die WM zu boykottieren? "Wir sind eine Sports-Bar", sagt Daly, "deswegen zeigen wir auch die Fußball-WM. Politisch halten wir uns da raus." Die Nachfrage sei ähnlich groß, wie bei der letzten WM. "Gestern Nacht haben wir 40 Reservierungsanfragen für das Deutschlandspiel bekommen", sagt Daly. 38 Fußballfans habe er abweisen müssen.

Gäste aus Dallas, Texas: Terisa, Carley, Jacqui und Kyle im Kilians.
Gäste aus Dallas, Texas: Terisa, Carley, Jacqui und Kyle im Kilians. © abz

 

Bei Daly sitzt zwei Stunden vor Spielbeginn eine junge Frau im Deutschland-Trikot. Jacqui ist aus Texas. Ein Kurztrip sei das gerade. Freitag Rückflug. "Ich möchte Kai Havertz bei der WM sehen", sagt sie. Chelsea-Fan sei sie nämlich. Die WM zu boykottieren, daran habe sie schon gedacht, wegen der Menschenrechtslage in Katar. "Aber das ist wahrscheinlich die letzte WM von Messi und Ronaldo!" Da habe ihr Fußballherz einfach gesiegt.

Marko sitzt mit einer Gruppe aus Japanern und Deutschen im Kilians. Seine Ehefrau ist Japanerin. "Jetzt sind wir bei fünf Grad im Keller und schauen gleich Fußball", sagt er frustriert über die Winter-WM. Ein beispielloses Desaster sei die Vergabe der WM an Katar. Er boykottiere das Turnier zum Teil. "Ich werde nur die deutschen Begegnungen anschauen", sagt er, "da werde ich schwach", wie natürlich auch bei diesem Gruppenspiel Deutschland gegen Japan.

Café Sax: Auf Einnahmen angewiesen

Sax-Wirte Friedl Bulach (l.) und Wolfgang Strigl.
Sax-Wirte Friedl Bulach (l.) und Wolfgang Strigl. © Foto: Daniel von Loeper

Café Sax im Glockenbachviertel. Stammlokal vieler Münchner Schwaben. Wirt Friedl Bulach zeigt WM-Spiele. "Wir sind am unteren Ende der Nahrungskette. Ich bin auf die Einnahmen angewiesen, gerade nach dem schlechten Oktoberfest-Geschäft", sagt Bulach. "Und ausgerechnet ich soll die WM boykottieren?"

Fußballfans Frank Bolleber und Raphael Zaruba im Sax.
Fußballfans Frank Bolleber und Raphael Zaruba im Sax. © abz

Unter den Gästen sind Raphael Zaruba und Frank Bolleber. Die gebürtigen Schwaben sind große Stuttgart-Fans. Zaruba sagt: "Ich bin froh, dass der WM-Ball wieder rollt." Er habe natürlich alles Politische rund um die WM und Katar wahrgenommen. Das sei auch wichtig. Aber, sagt er: "Ich finde, man muss jetzt das Politische und Sportliche trennen dürfen." Und: Die WM gehöre künftig unbedingt wieder in den Sommer.

Sein Kumpel Frank sieht das ähnlich. Dass die WM nach Katar vergeben wurde, findet er falsch. "Aber die Entscheidung fiel vor über zehn Jahren!", sagt er. Ein Boykott kommt für ihn nicht in Frage: "Ich glaube nicht, dass der Emir seine Einstellung gegenüber Schwulen, Lesben und Andersdenkenden ändert, wenn ich die WM nicht schaue."

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4 Kommentare
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  • Tony Colonia am 24.11.2022 12:14 Uhr / Bewertung:

    Ich werde erst Freude an der WM haben, wenn Deutschland ausgeschieden ist. Ist ja Gott sei Dank bald so weit.

  • AllesBesser am 24.11.2022 09:05 Uhr / Bewertung:

    Da gibt's kein falsch oder richtig, das möge jeder für sich entscheiden. Ich schaue mir auch nur die deutschen Spiele an. Mir geht's gar nicht mal so sehr um die Menschenrechte, sondern um die gerade bösartige Art der FIFA. Es ging schon immer um viel Geld, aber dieses Mal haben sie den Bogen einfach überspannt und es geht einfach nur noch um's große Geld. Das geht mit der Vergabe nach Katar los, über den Irrsinn 8 Stadien in diesem winzigen Land zu bauen, die vollkommene Vermarktung, die offensichtlich gekauften Fangruppen....Die Zuschauer sollen einfach nur doof konsumieren und die Klappe halten.

  • KUMMUC am 23.11.2022 22:12 Uhr / Bewertung:

    Zumindest zeigt sich, dass sich nicht alle Münchner vom dem Boykott und Bindenquatsch die WM vermiesen lassen. Gut so.

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