Erst Türken, dann Christkind - Udes Weihnachtsgeschichte

Warum der Münchner Oberbürgermeister jedes Jahr am Heiligen Abend gegen 17 Uhr Besuch bekommt. Hier schreibt Christian Ude über seine persönlichen Weihnachtserlebnisse.
An den Weihnachtstagen erinnere ich mich gerne an eine abenteuerliche Winterreise im Jahr 1972: Ich fuhr mit einem Journalisten-Kollegen und meiner damaligen Freundin über Istanbul und Ankara nach Ercinzan, um dann mit dem Bus weiterzufahren in die Bergwelt der Osttürkei, wo wir allen Ernstes Wölfe in freier Wildbahn fotografieren wollten.
Eine aberwitzige Idee, aber dem Kollegen war von einer Jagd-Zeitschrift ein stattliches Honorar versprochen worden. Natürlich haben wir in der verschneiten Bergwelt keinen einzigen Wolf zu sehen bekommen, nicht mal eine Wolfsspur gefunden. Aber in Einödhöfen über einem einsamen Bergdorf haben wir in primitiven Bauwerken bei offenem Feuer eine schier unglaubliche Gastfreundschaft bei armen Leuten erlebt.
Die Väter der Großfamilie waren damals schon, wie sich herausstellte, als Gastarbeiter in München tätig und nur für die Ferien heimgekehrt. Wir haben keine Wölfe gesehen, aber Freunde gefunden.
Wir lernten, wie schwer die Menschen in diesen Dörfern unter der türkischen Militärmacht zu leiden hatten und dass sie Aleviten waren: eine Glaubensgemeinschaft, die sich durch besondere Toleranz und Aufgeschlossenheit auszeichnet, durch Gleichberechtigung der Frau und großen Bildungshunger.
In den folgenden Jahren nahmen die Münchner Gastarbeiter schrittweise weitere Familienmitglieder mit nach München. Inzwischen sind sie hier ein weit verzweigter Clan, darunter mehrere Unternehmer, IT-Spezialisten, Gastwirte und Einzelhändler. Die Enkelgeneration besucht Realschulen und ein Gymnasium.
Immer am Heiligen Abend gegen 17 Uhr kommt das Familienoberhaupt, der mittlerweile über 80-jährige Kamer Kilic, in familiärer Begleitung, um fröhliche Weihnachten zu wünschen. Man kann die Uhr danach stellen. Seit Jahrzehnten. Ohne Ausnahme. Und nach den Kindern lernen jetzt bei uns die Enkel die eherne Grundregel jeder Bescherung: „Erst kommen die Türken, dann das Christkind“.
Unsere schönsten Weihnachtsgeschichten
Insgesamt 24 Prominente haben für die AZ ihre ganz persönliche Weihnachtsgeschichte aufgeschrieben. Lesen Sie alle Beiträge in der Weihnachtsausgabe der gedruckten Abendzeitung. Dort finden Sie folgende Beiträge:
Sozialministerin Christine Haderthauer:Die Weihnachtschoreographie
Grünen-Chefin Claudia Roth: Die schönen roten FCB-Kuglen
Verbraucherministerin Ilse Aigner: Bastelstunde mit Hubschrauber
Markus Rinderspacher, Chef der SPD-Landtagsfraktion: Helle Freude mit „Big Jims“ sprechendem Rucksack
Münchens Ober-Grüner Sigi Benker: Ein Ausbruch in der Adventszeit
OB Christian Ude: Erst die Türken, dann das Christkind
Schauspielerin Veronica Ferres: Mein Märchen zur Weihnacht
Star-Koch Eckart Witzigmann: Den Krampus richtig tratzen!
Münchens CSU-Chef Seppi Schmid: Gänse schleppen, bis das Christkind kommt Gastronom Gerd Käfer: 30 Handys am Baum: Besser als Hollywood
Margot Hielscher: (M)ein Hund gesellt sich dazu
Party-Profi Nikias Hofmann: Zweimal kochen und Mitternachtsparty
Sternekoch Christian Jürgens: Erst Weißwurst und dann Schutzengel
Regisseur Joseph Vilsmaier: Einfach Wiener statt Schnitzel
Christian Nerlinger, Sportdirektor des FC Bayern: „Bayerische Weihnacht in Glasgow"
1860-Geschäftsführer Robert Schäfer: Fischtoast mit Mama
Biathletin Verena Bentele: „Ich kann das Christkind riechen“
Bayern-Stürmer Miroslav Klose: Karpfen in Biersauce
Kickboxerin Christine Theiss: Das Statik-Fest
Vitali Klitschko: „In der Sowjetunion hieß unser Gott Lenin“
Bayern-Basketballer Darius Hall: Heimlicher Heimatbesuch
EHC-Trainer Pat Cortina: „Die zwei großen E: Essen und Eishockey“
Oberammergau-Jesus Frederik Mayet: Ein richtiges Christkind
Schauspieler Simon Verhoeven: Maria und Josef: Trennungsgrund Busen