Erschreckende Studie zeigt, wie diskriminierend München wirklich ist
München - Sie nennt sich "München Monitor" und hat Vorbilder zum Beispiel in Berlin oder Thüringen. Konkret geht es bei dieser Studie, die von der städtischen Fachstelle für Demokratie angeschoben wurde, darum, bei Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit genauer hinzuschauen.
"München Monitor": Erste Studie zu Diskriminierung in München veröffentlicht
1999 Münchner haben die Fragen zur Studie beantwortet, die vom Institut für Soziologie der Ludwig-Maximilians-Universität durchgeführt wurde. Im Fokus war Diskriminierung gegenüber Juden, Muslimen, Sinti und Roma, Schwarzen, Homosexuellen, Frauen, Transmenschen, Menschen mit Behinderung, Obdachlosen und Langzeitarbeitslosen.
Man habe bewusst den Fokus nicht auf Gruppen mit geschlossen rechtsextremem Weltbild, sondern "auf die Mitte der Gesellschaft" gelegt, sagte Miriam Heigl, Leiterin der Fachstelle für Demokratie bei der Vorstellung des Monitors am Freitag. Es sei wichtig, den Auftrag für diese Studie erhalten zu haben, denn die Stadt müsse "versuchen, vor die Welle zu kommen und nicht immer hinterherzulaufen". Das sei "in diesen Zeiten besonders schwierig".
Studie: Langzeitarbeitslose werden in München am meisten diskriminiert
An der traurigen Spitze der Gruppen, die laut "München Monitor" die meiste Diskriminierung erfahren, sind Langzeitarbeitslose, Geflüchtete und Obdachlose. Aber auch Sinti und Roma, Muslime und Juden gegenüber hat die Studie oft eine feindliche Einstellung festgestellt.
Bei Langzeitarbeitslosen, Obdachlosen und Sinti und Roma diagnostiziert die Studie die stärkste Ablehnung: Zwischen zehn und 13 Prozent der Befragten haben gegenüber diesen Gruppen eine abwertende Haltung. Dass Langzeitarbeitslose und auch Obdachlose laut der Studie am meisten von Diskriminierung betroffen sind, weise auf "soziale Problemlagen" hin, so der LMU-Soziologe Christian Ganser. Das sei entsprechend auch wichtig zu berücksichtigen bei der Frage, was man dagegen unternehmen kann.
Stadtverwaltung: Vor allem Diskriminierung im Sozialreferat
Da muss die Stadtverwaltung auch sich selber kritisch anschauen. Die Frage nach eigenen Diskriminierungserfahrungen hat nämlich ergeben, dass 14 Prozent der befragten Münchner, die mit dem Sozialreferat zu tun hatten, sich dort diskriminiert fühlten. Auch weit oben mit dabei: Diskriminierung im öffentlichen Verkehr, im Umgang mit der Polizei (Stichwort "Racial Profiling") und an weiterführenden Schulen, sowohl von Mitschülern als auch von Lehrern.
Der "München Monitor" hat aber neben den Umfragen auch direkt das Gespräch mit von Diskriminierung Betroffenen gesucht. Vertreter zweier Gruppen waren beim Stadtratshearing im Rathaus am Freitag auch dabei und haben ihre Erfahrungen geteilt.
Jennifer Tevi: "Bis vor kurzem war Rassismus normal"
Jennifer Tevi hat die große Black Lives Matter-Demo 2020 in München mitorganisiert und ist in der antirassistischen politischen Bildung aktiv.

Zur AZ sagt sie: "Wenn wir ehrlich sind, war es bis vor kurzem eigentlich normal, rassistisch sein zu können." Der "München Monitor" sei aber ein Anfang, denn "es ist wichtig, das ernst zu nehmen." Tevi kritisiert außerdem, dass gerade viele Programme, die auf antirassistische Bildung ausgelegt sind, aus Spargründen gekürzt werden.
Alexander Adler: "Z-Wort" genau so diskriminierend wie "N-Wort"
Ebenfalls im Rathaus dabei war Alexander Adler, der sich gegen Antiziganismus engagiert und selber als Mediator tätig ist. Seine Diagnose: Antiziganismus ist an Schulen immer noch weit verbreitet, ebenso wie die Nutzung des "Z-Worts". Viele Jugendliche seien davon überrascht, wenn ihnen gesagt werde, dass das genau so diskriminierend sei wie das "N-Wort".

Adler sagt, er erwarte von der Gesellschaft "ein offenes Zuhören und Versuchen, den anderen zu verstehen." Jeder könne persönlich glauben und denken, was er wolle. "Aber wir sollten als Gesellschaft einen Kompass haben, wie wir uns untereinander verhalten."
Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in breiten Teilen der Bevölkerung
Dass dieser Kompass bei gewissen Themen in eine problematische Richtung zeigt, ist ein deutlicher Befund des "München Monitors". Er zeigt aber auch, dass Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit kein Problem einer kleinen, klar abgrenzbaren Gruppe ist. Vielmehr tritt sie "in breiten Teilen der Bevölkerung" auf. Trotzdem eine Problemgruppe: schlecht gebildete, ältere Männer, die mit dem eigenen Leben unzufrieden sind.
Schlussstrich-Debatte: Alarmierender Befund
Ein für die Fachstelle und auch die Studienverfasser alarmierender Befund ergab sich bei der Frage im Umgang mit der Nazi-Vergangenheit. Ein hoher Anteil, der Befragten fand, es sei Zeit, endlich einen Schlussstrich unter diese Auseinandersetzungen zu ziehen.
Die Studie könne "nicht zu einem besseren Zeitpunkt kommen, fand der zweite Bürgermeister Dominik Krause (Grüne). Wie schnell "legitime Kritik an der Regierung umschwingen kann und Minister in der Freizeit bedrängt oder Galgen vor sich her getragen werden" hätten ihn "als Demokraten besorgt hinterlassen".
Die ausführliche Studie und auch eine Kurzfassung können Sie hier lesen und herunterladen'.
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