Erschreckende Studie zeigt, wie diskriminierend München wirklich ist

Zum ersten Mal schaut die Stadt München bei Rassismus und Diskriminierung genauer hin. Die Zahlen sind erschreckend – und manche überraschend.
Jan Krattiger
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Obdachlose gehören zu den Gruppen, die in München stark diskriminiert werden. Das zeigt der erste "München Monitor", der am Freitag, 19.1.2024 vorgestellt wurde. (Archiv)
Obdachlose gehören zu den Gruppen, die in München stark diskriminiert werden. Das zeigt der erste "München Monitor", der am Freitag, 19.1.2024 vorgestellt wurde. (Archiv) © dpa/Sven Hoppe

München - Sie nennt sich "München Monitor" und hat Vorbilder zum Beispiel in Berlin oder Thüringen. Konkret geht es bei dieser Studie, die von der städtischen Fachstelle für Demokratie angeschoben wurde, darum, bei Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit genauer hinzuschauen.

"München Monitor": Erste Studie zu Diskriminierung in München veröffentlicht

1999 Münchner haben die Fragen zur Studie beantwortet, die vom Institut für Soziologie der Ludwig-Maximilians-Universität durchgeführt wurde. Im Fokus war Diskriminierung gegenüber Juden, Muslimen, Sinti und Roma, Schwarzen, Homosexuellen, Frauen, Transmenschen, Menschen mit Behinderung, Obdachlosen und Langzeitarbeitslosen.

Man habe bewusst den Fokus nicht auf Gruppen mit geschlossen rechtsextremem Weltbild, sondern "auf die Mitte der Gesellschaft" gelegt, sagte Miriam Heigl, Leiterin der Fachstelle für Demokratie bei der Vorstellung des Monitors am Freitag. Es sei wichtig, den Auftrag für diese Studie erhalten zu haben, denn die Stadt müsse "versuchen, vor die Welle zu kommen und nicht immer hinterherzulaufen". Das sei "in diesen Zeiten besonders schwierig".

Studie: Langzeitarbeitslose werden in München am meisten diskriminiert

An der traurigen Spitze der Gruppen, die laut "München Monitor" die meiste Diskriminierung erfahren, sind Langzeitarbeitslose, Geflüchtete und Obdachlose. Aber auch Sinti und Roma, Muslime und Juden gegenüber hat die Studie oft eine feindliche Einstellung festgestellt.

Bei Langzeitarbeitslosen, Obdachlosen und Sinti und Roma diagnostiziert die Studie die stärkste Ablehnung: Zwischen zehn und 13 Prozent der Befragten haben gegenüber diesen Gruppen eine abwertende Haltung. Dass Langzeitarbeitslose und auch Obdachlose laut der Studie am meisten von Diskriminierung betroffen sind, weise auf "soziale Problemlagen" hin, so der LMU-Soziologe Christian Ganser. Das sei entsprechend auch wichtig zu berücksichtigen bei der Frage, was man dagegen unternehmen kann.

Stadtverwaltung: Vor allem Diskriminierung im Sozialreferat

Da muss die Stadtverwaltung auch sich selber kritisch anschauen. Die Frage nach eigenen Diskriminierungserfahrungen hat nämlich ergeben, dass 14 Prozent der befragten Münchner, die mit dem Sozialreferat zu tun hatten, sich dort diskriminiert fühlten. Auch weit oben mit dabei: Diskriminierung im öffentlichen Verkehr, im Umgang mit der Polizei (Stichwort "Racial Profiling") und an weiterführenden Schulen, sowohl von Mitschülern als auch von Lehrern.

Der "München Monitor" hat aber neben den Umfragen auch direkt das Gespräch mit von Diskriminierung Betroffenen gesucht. Vertreter zweier Gruppen waren beim Stadtratshearing im Rathaus am Freitag auch dabei und haben ihre Erfahrungen geteilt.

Jennifer Tevi: "Bis vor kurzem war Rassismus normal"

Jennifer Tevi hat die große Black Lives Matter-Demo 2020 in München mitorganisiert und ist in der antirassistischen politischen Bildung aktiv.

Jennifer Tevi macht viel antirassistische Bildung in Schulen. Sie sieht den „München Monitor“ als guten Anfang, um in München Diskriminierung zu bekämpfen.
Jennifer Tevi macht viel antirassistische Bildung in Schulen. Sie sieht den „München Monitor“ als guten Anfang, um in München Diskriminierung zu bekämpfen. © Jan Krattiger

Zur AZ sagt sie: "Wenn wir ehrlich sind, war es bis vor kurzem eigentlich normal, rassistisch sein zu können." Der "München Monitor" sei aber ein Anfang, denn "es ist wichtig, das ernst zu nehmen." Tevi kritisiert außerdem, dass gerade viele Programme, die auf antirassistische Bildung ausgelegt sind, aus Spargründen gekürzt werden.

Alexander Adler: "Z-Wort" genau so diskriminierend wie "N-Wort"

Ebenfalls im Rathaus dabei war Alexander Adler, der sich gegen Antiziganismus engagiert und selber als Mediator tätig ist. Seine Diagnose: Antiziganismus ist an Schulen immer noch weit verbreitet, ebenso wie die Nutzung des "Z-Worts". Viele Jugendliche seien davon überrascht, wenn ihnen gesagt werde, dass das genau so diskriminierend sei wie das "N-Wort".

Der Mediator Alexander Adler engagiert sich gegen Antiziganismus.
Der Mediator Alexander Adler engagiert sich gegen Antiziganismus. © Jan Krattiger

Adler sagt, er erwarte von der Gesellschaft "ein offenes Zuhören und Versuchen, den anderen zu verstehen." Jeder könne persönlich glauben und denken, was er wolle. "Aber wir sollten als Gesellschaft einen Kompass haben, wie wir uns untereinander verhalten."

Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in breiten Teilen der Bevölkerung

Dass dieser Kompass bei gewissen Themen in eine problematische Richtung zeigt, ist ein deutlicher Befund des "München Monitors". Er zeigt aber auch, dass Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit kein Problem einer kleinen, klar abgrenzbaren Gruppe ist. Vielmehr tritt sie "in breiten Teilen der Bevölkerung" auf. Trotzdem eine Problemgruppe: schlecht gebildete, ältere Männer, die mit dem eigenen Leben unzufrieden sind.

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Schlussstrich-Debatte: Alarmierender Befund

Ein für die Fachstelle und auch die Studienverfasser alarmierender Befund ergab sich bei der Frage im Umgang mit der Nazi-Vergangenheit. Ein hoher Anteil, der Befragten fand, es sei Zeit, endlich einen Schlussstrich unter diese Auseinandersetzungen zu ziehen.

Die Studie könne "nicht zu einem besseren Zeitpunkt kommen, fand der zweite Bürgermeister Dominik Krause (Grüne). Wie schnell "legitime Kritik an der Regierung umschwingen kann und Minister in der Freizeit bedrängt oder Galgen vor sich her getragen werden" hätten ihn "als Demokraten besorgt hinterlassen".


Die ausführliche Studie und auch eine Kurzfassung können Sie hier lesen und herunterladen'

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32 Kommentare
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  • Kaiser Jannick am 22.01.2024 23:57 Uhr / Bewertung:

    @Tscharlie, Dein Zitat:
    "Dass der Umgangston in der Politik rauer geworden ist seit die die AfD im Bundestag sitzt"

    Das ist sehr einseitig betrachtet, denn es gab genug Grüne, die bekannter Maßen und überall nachlesbar längst vorher deutlich unangenehmer aufgefallen sind, z.B.:

    1: wer warf Steine auf Polizeibeamte, verprügelte einen Polizisten usw.?
    Der Grüne Joschka Fischer

    2: Wer verteidigte freiwillig eine der schlimmsten RAF-Terroristinnen, Gudrun Ensslin?
    Der Grüne Otto Schily

    3: Wer sang in ihrer Punk-Band 1995 "„Advent, Advent, ein Bulle brennt"?
    Die aktuelle Justizministerin (!!!) der Grünen in Sachsen, Katja Meier.

    Das sind alles bewiesene Tatsachen. Wie bedenklich ist das?

  • Der wahre tscharlie am 21.01.2024 19:34 Uhr / Bewertung:

    Woow....dass nenn ich mal Diskriminierung vonm Feinsten.
    "Ich bedaure diese oft kranken Menschen ..." ( Rechtschreibfehler wurden von mir korrigiert)
    Aber wenigsten kommt der Satz. Immerhin.
    Aber mein Vorschlag an die "Studentin". .....vielleicht solltest mal hinterfragen, warum diese Menschen in der Situation sind. Denn niemand von denen hat sich das freiwillig ausgesucht.
    Und noch ein Tip an die "Studentin".....unterhalte dich mal mit Student*innen, die Soziologie oder Sozialpädagogik studieren. Die können dir einiges erklären.

  • Witwe Bolte am 21.01.2024 13:38 Uhr / Bewertung:

    Rassismus gibt es auch unter Tieren, z.B. bei Hunden. Jede(r), der einen Hund hat(te), wird das bestätigen.
    Die einen mögen sich, die andern hassen sich.

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