Erotisches Heimweh: Eine Helmut-Dietl-Ausstellung
München - In sanftem Dunkel liegt der Ausstellungsraum. Man tritt unter einem geschwungenen Schriftzug ein: "Monaco". Man kennt diese Schrift. Nur dass sie sonst rot-leuchtend "Rossini" formt, den Titel des Dietl-Spielfilms, der im Januar 1997 Premiere hatte. Und jetzt stehen hier auch Tische mit dunkelbraunen Bugholzstühlen. Man kann sich also setzen wie in der Romagna Antica, dem Vorbildlokal für "Rossini" in der Schwabinger Franz-Joseph-Straße und auf die großen Bildschirmwände schauen, wo Ausschnitte aus den "Münchner Gschichten" laufen, dem "Ganz normalen Wahnsinn", "Monaco Franze" und "Kir Royal".
Das Leben als Kunstwerk und Kulisse begreifen
Und allein in dieser Anordnung ist schon beschrieben, worum es in der Ausstellung "Helmut Dietl – und sein München" geht: München, Dietl und die Lebensfrage der Kunst. Denn eines machen alle fünf kleinen Stationen mit ihren Vitrinen, Fotos, Devotionalien, Textfaksimiles und kleinen Film-Essays klar: Dietl hat das Leben als Kunstwerk begriffen und war darin unserem Märchenkönig nicht unähnlich.
An der Schlusswand steht eine kleine Sperrholz-Kulisse mit naiv aufgemalten Zypressen und Apfelbäumen: Symbole für Dietls Fluchträume. Aus der Distanz konnte er Sehnsucht und Ironie gegenüber seiner Traumstadt entwickeln, um ihr und sich selbst den Spiegel vorzuhalten: In seinem Garten in Eichenried hatte er 100 große Apfelbäume pflanzen lassen. "Er wollte die Bäume nicht wachsen sehen", sagt die Literaturhaus-Chefin Tanja Graf: "Es sollte gleich fertig aussehen, wie eine Filmkulisse, in der morgen losgedreht werden könnte." Und in seinem Garten im südfranzösischen Roquefort-les-Pins entstanden größere Teile von "Kir Royal": eine Serie, die sich auch mit der Ausstellungsstation "Das gute Leben" verbindet, die Dietl auch als das zeigt, was er (selbst-)ironisch porträtierte: barock.
Lesen Sie hier: Was Helmut Dietl in seinen "Unvollendeten Erinnerungen" erzählt
Kurator und Redakteure Claudius Seidl hat hierzu schöne Sätze geschrieben: "Das Leben, gerade in seinen besten Momenten, ist bloß ein Spiel. Der Tod steht im Hintergrund, wenn alle glauben, dass es etwas zu feiern gibt. Nur ist das Bewusstsein, dass alles eitel ist, kein Grund die Partys abzusagen. Im Gegenteil, sie werden intensiver davon."
Da die Ausstellung Dietl und sein München betrachtet, endet sie nicht direkt mit Dietls Tod im März vergangenen Jahres. Aber am hinteren Ende steht sein Schreibtisch und darauf ein ordentlicher Papierstapel. Das Deckblatt ist mit Schreibmaschinen Großlettern beschrieben: "Was ist aus ihnen geworden?" Darunter sind nur leere weiße Blätter, aber auf einer Leinwand lesen Martina Gedeck und Heiner Lauterbach die Biografien von Dietls Film- und Serienhelden weiter, so wie Dietl sie 2006 aufschrieb. Ein Film sollte das nicht mehr werden, denn seit "Vom Suchen und Finden der Liebe", glaubte Dietl nicht mehr an große Filmerfolge.
"Die Frau geht immer als Gewinnerin hervor"
Wenn man jetzt auf "Schwabing als geistige Lebensform und München als Weltmodell" blickt, wie eine weitere Ausstellungsstation betitelt ist, dann wird klar, dass für Dietl "Münchner sein" keine Frage der Geburt war, sondern der Haltung. Einer Haltung, die alle seine Helden in verschiedenen Formen gelebt haben: lässig, unkorrupt, liberal, antikapitalistisch, feiernd – und männlicherseits auch ein wenig machistisch. Zum Thema Frauen liegt auch ein großer AZ-Artikel unter Glas: "Ausgehen in München: Der Dietl weiß, wo sich die Mädchen tummeln".
Zwei Großmütter, eine Mutter, kein männlicher Erziehungsberechtigter – so wuchs Dietl im Münchner Westen, Laim und eben Schwabing auf. Das machte ihn kompetent in seinem Blick auf Frauen, schreibt Seidl: "Verstehen kann auch er sie nicht. Aber hat ein Gespür für ihre Überlegenheit. Die Frau geht immer als Gewinnerin hervor."
Lesen Sie hier: Fix - Dieses Viertel bekommt eine Helmut-Dietl-Straße
Veronica Ferres - seine Lebensgefährtin (von ‘91 bis ‘99) hat er beim "AZ-Sternefest" kennengelernt, – auch das ist in der "Frauen"-Vitrine mit Bild zu sehen. Ein weiteres Dokument liegt in der Nähe: Der bereits von Eichinger und Dietl unterschriebene Vertrag für die Regie der "Unendlichen Geschichte": 250.000 DM Gage. Dietl hat den Vertrag dann wieder zurückgegeben. Er wollte keine der verlangten filmischen Kompromisse eingehen: Dietl, ein selbststilisierter Mann mit Charakter und Spiegel unserer Stadt, wie sie vielleicht einmal war.
"Des is mehr sowas wie eine seelische Sehnsucht... wie soll ich sagen... mehr so eine Art erotisches Heimweh", sagt der Monaco Franze, Helmut Fischer und trifft damit auch die wunderbare Atmosphäre der Ausstellung.
Literaturhaus, Salvatorplatz, Mo-Mi, Fr 11-19 Uhr, Do 11-21.30 Uhr, Sa/So 10-18 Uhr, 7 / 4 Euro, Ausstellungsheft 8 Euro