Eröffnung des Memory-Zentrums in München: Ein Betroffener berichtet

München - Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Gelenkschmerzen: Hermann M. (61) fühlte sich, als habe er 16 Stunden gearbeitet – jeden Tag. "Ich habe das auf Überforderung zurückgeführt."
Doch Hermann M. war nicht überfordert. Er war an Parkinson erkrankt. Den Tremor, das typische Parkinson-Zittern, hat er mit Artzney im Griff. Die Körperhaltung und verlangsamte Bewegungen nicht. Kurz nach der Parkinson-Diagnose im Klinikum Großhadern sagen ihm die Ärzte, dass er auch an Demenz erkrankt ist.
"Ich weiß nicht, ob ich morgen noch kann", sagt Hermann M.
Die Vergesslichkeit und Zerstreutheit waren keine Nebenwirkungen von Parkinson, wie M. anfangs dachte. "Das will man nicht wahrhaben, wer will schon dement sein und Parkinson haben", sagt Hermann M., der vor dem "Marion von Tessin Memory-Zentrum" auf einer Bank sitzt und ruhig erzählt, wie die Doppeldiagnose sein Leben verändert hat. Dass das Treffen mit der Abendzeitung bald stattfindet, war ihm wichtig. "Ich verschiebe nichts mehr. Ich weiß ja nicht, ob ich es morgen noch kann."
Manchmal stockt der ruhige Mann beim Sprechen, findet dann wieder zum Kontext zurück. Zu Beginn des Gesprächs ist er aufgeregt, wiederholt, was ihm vertraut ist. Als die Reporterin sagt, es sei laut an der Nymphenburger Straße, nennt er die Adresse der Marion von Tessin Tagesklinik: "Nymphenburger Straße 45".
In der Stadtvilla ist Hermann M. etwa viermal die Woche. Fünf Tabletten muss er am Tag nehmen, abgestimmt mit den Ärzten des Zentrums. Er aber erzählt lieber von der nichtmedikamentösen Therapien, von der Ergo-, Kunst und Musiktherapie, von der Physiotherapie und der Psychotherapie.
Der Hauptaspekt in der Stadtvilla ist natürlich der medizinische, aber die Patienten sollen hier auch einen schönen Aufenthalt haben. Für die Angehörigen, mit denen das Memory-Zentrum unter der Leitung von Professor Norbert Müller eng zusammenarbeitet, gibt es ebenfalls einige Angebote.
Fitness durch Sport und Musik erhalten
Hermann M.s Erkrankungen sind fortschreitend, der Verlauf ist schleichend. Durch Sportübungen und Musikmachen will Hermann M. sich seine geistige und körperliche Fitness erhalten. Momentan, so sein Gefühl, gelingt ihm das zusammen mit seinen Therapeuten gut. "Eine Zeit lang dachte ich, ich sei wieder gesund und hätte die Krankheit mit meinem Willen besiegt. Aber die Krankheit kann man nicht besiegen, nur hemmen."
Die Tagesklinik ist eine Alternative zur vollstationären Krankenhausbehandlung. Die Patienten können nachts und am Wochenende nach Hause. Das Memory-Zentrum wird von der Marion von Tessin-Stiftung betrieben, und so herrschaftlich es in der Nymphenburger Straße 45 ausschaut und so schick die Räume im Inneren sind: Nicht nur Privat-, sondern auch Kassenpatienten werden hier betreut.
In der Hildegardstraße 2 betreibt das Zentrum eine weitere Tagespflege, eine Ambulanz ist im Aufbau. Heute wird das Zentrum offiziell eröffnet, der Betrieb läuft aber schon seit ein paar Monaten.
Hermann M. war sechs Wochen lang in der Tagesklinik, seit Mai kommt er noch mehrmals die Woche in die psychiatrische Institutsambulanz. Nicht nur ihm tut das gut, auch für seine Frau ist das eine Entlastung. "Die Trennung ist noch kein Thema, aber ich habe Angst davor", sagt Hermann M.
Daheim haben sich die Machtverhältnisse verschoben. Seit 18 Jahren sind Hermann M. und seine Frau zusammen. Jetzt gibt sie den Ton in der Beziehung an, hat mehr und mehr auch die Verantwortung für ihren Mann übernommen: "Auch bei meiner sechs Jahre alten Tochter merke ich, dass ich nicht mehr so anerkannt bin."
Mit Rückschlägen zu rechnen, gehört für ihn zum Leben
"Mein Ziel ist es, meine Fitness zu erhalten und die Therapie weiterzuführen", – auch wenn Hermann M. jederzeit mit Rückschlägen rechnet. Das gehört nun zu seinem Leben. "Jetzt erfreue ich mich an Dingen, die andere kaum wahrnehmen, Blumen etwa. Auch Zuneigung ist mir wichtig geworden, wenn ich merke, dass ich jemandem sympathisch bin, trägt mich das durch den Tag."
Zur Tagesklinik kommt Hermann M. allein mit der U-Bahn und seinem Tretroller. Er hofft, dass er sich diese Mobilität noch lange erhalten kann. Früher hat er im Verein geboxt und als IT-Spezialist gearbeitet. Heute ist er zufrieden, wenn er seine Dehnübungen schafft – weil ihm damit sein Körper zeigt, dass es nicht schlimmer geworden ist.
"Ich habe Dinge wiedergefunden, die ich früher mochte. Über die Musiktherapie bin ich wieder zum Gitarrespielen gekommen. Nur kann ich manche Akkorde nicht mehr greifen." Auch Sport treibt Hermann M., wenn nicht im Memory-Zentrum, dann ist er am Wochenende mit einem Freund beim Laufen. Langsamer als früher, natürlich. Aber Hermann M.’s Leben geht weiter.
www.mvt-zentrum.de, Tel. 089-215 432 177