Erklärungsversuche zur Bluttat in München: Ein Bekannter des Attentäters spricht

München - Bei bisherigen islamistischen Anschlägen konnte man oft eine Art Muster erkennen. Häufig waren es Männer, die sich entweder selbständig über lange Zeit radikalisiert haben oder auch fernab im Nahen oder Mittleren Osten in Trainingslagern von Islamisten für ein Attentat vorbereitet wurden, um dann in Europa gezielt wehrlose Menschen zu attackieren.
Doch beim Anschlag vom Donnerstag vergangener Woche (13. Februar) in der Seidlstraße stoßen solche Erklärungsmuster an Grenzen. Attentäter Farhad N., der als Minderjähriger von Afghanistan nach Deutschland geflohen war, ist Fitness-Influencer gewesen, trainierte viel und wollte offenbar hauptsächlich fit sein und das Leben genießen. Von seinem Umfeld hieß es zunächst, er sei ein stets freundlicher und hilfsbereiter Mensch gewesen.
Nun hat einer seiner engsten Bekannten mit der "tz" gesprochen: Karim A. (Name geändert) war wohl bisher eine Art Freund von Farhad N. Offenbar war Karim A. gerade in der Arbeit, als die Bilder vom Anschlag am Donnerstagvormittag kursierten. Er musste in einen Nebenraum gehen und sich erst einmal beruhigen, weil er das Auto von Farhad N. auf Tiktok-Videos erkannte und auch Farhad N. selbst. Er habe daraufhin am ganzen Körper gezittert.

"Farhad hat sich in den letzten Wochen stark verändert"
Wie konnte sich ein Fitness-Influencer dermaßen radikalisieren, dass er keine Hemmungen mehr hat, in eine Menschenmenge mit schutzlosen Demonstranten zu rasen? Das fragen sich Menschen in ganz Deutschland. Auch Karim A. fragt sich das. Aber er hat auch kleinere Antworten auf diese große Frage.
Denn wie er der "tz" weiter erzählt, habe sich Farhad N. in den letzten Wochen stark verändert. Die beiden Männer hatten sich zunächst vor Jahren in einer Geflüchteten-Unterkunft in Giesing kennengelernt, wo sie wohl gemeinsam einige Jahre wohnten. Mit 17 sei Farhad N. sehr schüchtern gewesen. Und später beim Trainieren im Fitness-Studio habe er eine eiserne Disziplin gezeigt. Vor allem auf das gemeinsame Training mit Karim A. habe er sich immer gefreut.

Farhad N. war offenbar auch gut darin, andere zu motivieren. Karim A. sagt: "Beim Pumpen ist er auf TikTok live gegangen, hat andere motiviert: Geht raus, macht Sport. Macht was aus eurem Leben!", habe er seinen 50.000 Followern stets zugerufen. Religion habe ihn "nicht gejuckt".
Kontaktabbruch etwa drei Wochen vor der Bluttat
Alkohol und Dates mit hübschen Frauen seien auch Teil seines Lebens gewesen. Ein ganz normaler Typ, könnte man aus Münchner Sicht sagen. Er habe schon "immer ein bisschen Scheiße gelabert", ja, das schon, sagt Karim A. über Farhad N.
Doch Karim A. habe im Herbst einen Bruch bemerkt. Plötzlich habe Farhad N. viel über Religion gesprochen und gepostet. Der Kontakt zu ihm sei daraufhin abgeflacht. Vor allem in den letzten drei Wochen vor der Bluttat vom vergangenen Donnerstag hätten sich die beiden gar nicht mehr gehört. Hat sich also Farhad N. innerhalb weniger Wochen so stark radikalisiert?
Nach der Bluttat vom Donnerstag, bei der eine Mutter (37) und ihr zweijähriges Kind ums Leben gekommen sind, habe Karim A. im afghanischen Fernsehen die verzweifelte Mutter von Farhad N. gesehen, wie sie weinte und keine Erklärung fand. Auch nahe Verwandte seien in dem Beitrag vorgekommen, die ebenfalls über die Tat und das Motiv von Farhad N. weiterhin rätseln – und sich wohl auch schämen.