Erinnerungen an Olympia '72: "Natürlich war ich in Mark Spitz verknallt"

Das Jahr 1972 war für mich als Münchener Kindl sehr wichtig. Ich kam auf das Gymnasium, meine Eltern begannen mit einem Hausbau, und meine langen Haare wurden auf Schulterkürze geschnitten.
Das Wichtigste aber war, dass wir ganze acht Wochen Sommerferien hatten – wegen der Olympischen Spiele.

Und fast noch wichtiger als die langen Sommerferien war, dass ich ein paar Eintrittskarten für die Sportveranstaltungen geschenkt bekam. Neben einem Briefmarkenset mit Olympiamotiven und einem Silberstück (zehn Mark). Irgendwo müsste beides noch vorhanden sein.
Da ich, wie beinahe jedes zehnjährige Mädchen Pferdenärrin war, durfte ich eine Veranstaltung im Dressurreiten besuchen. Und da ich selber eine gute Leichtathletin war, zumindest im Kurzstreckenlauf und Weitsprung, bekam ich auch Karten für Leichtathletik-Veranstaltungen im Olympiastadion geschenkt.
"Ich freute mich kolossal über die nur wenige Jahre ältere Ulrike Meyfarth"
Ja, ich sah mein Idol, die wegen ihrer runden Nickelbrille als intellektuell eingestufte Heide Rosendahl springen und siegen. Oder sah ich ihren Sieg beim Staffellauf vor Ort?
Die Erinnerung verschwimmt, weil ich damals alle Leichtathletik-Veranstaltungen miterlebt habe, die meisten vor dem Schwarz-Weiß-Fernseher meiner Eltern. Ich freute mich kolossal über die nur wenige Jahre ältere Ulrike Meyfarth und ihren unerwarteten Triumph beim Hochsprung.
Wegen der Durchhaltesturheit einer ebenso sportbegeisterten Freundin ergatterte ich sogar ein Autogramm von Klaus Wolfermann, der eine Goldmedaille in einer für mich bis dahin unwichtigen Sportart, nämlich Speerwerfen, erwarb.
Und natürlich war ich in den Schwimmer Mark Spitz verknallt. Einen seiner sieben Goldmedaillen-Siege habe ich live miterlebt.

Nach dem Olympia-Attentat: "Alle Menschen waren nur noch grau und ernst"
Das Attentat sitzt mir auch heute noch als Schock im Nacken. Vermutlich umso mehr, da ich damals weder die Zusammenhänge begriff, noch bis zu diesem Moment jemals mit Mord oder Attentat konfrontiert worden war.
Von einem Moment auf den anderen war alle Fröhlichkeit und Beschwingtheit weg. Alle Menschen waren nur noch grau und ernst, in Zeitungen und im TV nur noch maskierte Menschen und Gewehre. Die Größe und Schwere der Weltpolitik im Angesicht der Brutalität einzelner Menschen war ungefragt in mein junges Leben gedrungen.
"Ich wurde regelmäßige Stadionbesucherin bei den Spielen des FC Bayern"
Und ich habe gespürt, dass ich damit verbunden bin, auch wenn ich nicht verstanden habe, was genau passiert war. Ich weiß seit diesem Attentat nur, dass ich nicht als einzelnes Wesen durch die Welt gehe, sondern mit allem verbunden bin. Auch wenn ich nicht verstehe, was los ist.
Einige Monate später, an meinem elften Geburtstag, erhielt ich diverse Olympiaplakate, die jahrelang mein Zimmer geziert haben, bis sie von Jugendstilplakaten abgelöst wurden. Und ich wurde regelmäßige Stadionbesucherin bei den Spielen des FC Bayern.
"Die ganze Olympiaanlage liebe ich immer noch sehr"
Was ich dort an atemberaubenden Spielen, Stimmungen und Abenteuern erlebt habe - ich begreife bis zum heutigen Tage nicht, warum das Stadion eines Tages nicht mehr den Ansprüchen der Fußballer und der Fans gereicht haben soll. Die Stimmung war trotz Laufbahn um das Spielfeld fulminant. Zumal auf den Stehplätzen.
Später habe ich im Stadion einige Konzerte erlebt, die mir jedes Mal zu aufgebläht schienen. Aber das Stadion, die ganze Olympiaanlage liebe ich immer noch sehr. Und ganz besonders das geschwungene Dach. Ich freue mich sehr, dass ich jetzt zu meinem 60. Geburtstag einen Gutschein für dessen Besteigung geschenkt bekommen habe.