Erbitterter Kirchenstreit um religionskritische Comics
München - Das Areal um einen Dom ist keine meinungsfreie Zone. Auch nicht in Eichstätt. In der Nachbarschaft des Doms der stark katholisch geprägten Stadt liegt der Ausstellungsort Johanniskirche. Der Eichstätter Galerist Wolfgang Sellinger (66) will dort 2016 eine kirchenkritische Ausstellung aufstellen. Die Stadt hat was dagegen – wird nun aber vor dem Verwaltungsgericht München wohl eine böse Schlappe einstecken müssen.
Zur Vorgeschichte: Im Jahre 2013 hatte Wolfgang Sellinger in der säkularisierten Johanniskirche, einem bekannten Veranstaltungsort der Stadt Eichstätt, eine kirchenkritische Ausstellung organisiert. Mit teilweise sehr grobem Witz wurde da gegen den Klerus gewettert. Sellinger will provozieren. Daraus macht er keinen Hehl.
Unterschriftenlisten gegen die Ausstellung
Die Resonanz auf die Ausstellung war denn auch gespalten. Die einen fanden’s gut, sagt Sellinger, die anderen fühlten sich in ihrem Glauben beleidigt, sagt Hans Bittl, Verwaltungsdirektor der Stadt Eichstätt. Der Stadt seien sogar Unterschriftenlisten von Besuchern präsentiert worden, die sich durch die Exponate in ihrem Glauben verletzt fühlten. Ein Besuch auf der Website Sellingers macht schnell klar, warum (siehe Fotostrecke).
Als Sellinger nun für 2015 eine neue Ausstellung plante, stieß er auf harten Widerstand. Erst reagierte die Stadt gar nicht, dann erließ sie doch – nach einer Untätigkeitsklage Sellingers – einen Bescheid. Der fiel aber negativ aus: Die Ausstellung werde nicht zugelassen, unter anderem weil sie den Ruf der katholischen Stadt schädigen würde.
Sellinger klagte erneut. Und er scheint sich vor dem Verwaltungsgericht durchzusetzen. Die Vorsitzende Richterin Petra Beck machte am Mittwoch klar, dass die Furcht vor einer Rufschädigung nicht für ein Verbot ausreiche. Zudem müsse man den Kunstbegriff sehr weit auslegen.
Kindheit in der Klosterschule
Sellingers Motivation für die vehemente Kirchenkritik liegt auch in seiner Kindheit begründet: Er sei auf eine Klosterschule gegangen, berichtet er und dort von den Padres mit den Kordeln ihrer Kutten ins Gesicht geschlagen worden. Das allein sei noch nicht so schlimm gewesen, sagt Sellinger. Schlimmer war es, dass die Geistlichen dabei noch gelacht hätten.
Das weitere Procedere: Das Gericht will jetzt der Stadt acht Wochen lang Gelegenheit geben, sich über die geplanten Exponate zu informieren und Stellung zu beziehen. Dazu wird dann wiederum der Kläger befragt und erst dann wird es auf schriftlichem Weg ein Urteil geben, welche Exponate zulässig sind und welche nicht. Der Galerist erklärte, dass er keine Probleme damit habe, auf einzelne Motive zu verzichten. Schon jetzt soll die Stadt aber für den Sommer 2016 drei Wochen für Sellingers Ausstellung in der Johanniskirche reservieren.
Höchstwahrscheinlich werden also auch im nächsten Jahr Papst, Bischöfe und Pfarrer in der Johanniskirche kräftig durch den Kakao gezogen.
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