Erbengemeinschaft: Wie eine Familie unter unbezahlten Rechnungen leidet

Zusammen haben Eva-Maria Deistler und ihr Bruder Gustav Seilstorfer ein Haus geerbt. Jetzt soll Deistler Rechnungen nicht bezahlt haben, das Haus in dem der Bruder wohnt, könnte deshalb demnächst zwangsversteigert werden - Was ein Experte rät.
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Eva-Maria Deistler mit Tochter Susi und Bruder Gustav Seilstorfer vor ihrem Haus in Grafing, das versteigert werden soll .
Gregor Feindt Eva-Maria Deistler mit Tochter Susi und Bruder Gustav Seilstorfer vor ihrem Haus in Grafing, das versteigert werden soll .

GRAFING - Zusammen haben Eva-Maria Deistler und ihr Bruder Gustav Seilstorfer ein Haus geerbt. Jetzt soll Deistler Rechnungen nicht bezahlt haben, das Haus in dem der Bruder wohnt, könnte deshalb demnächst zwangsversteigert werden - Was ein Experte rät.

Mitgehangen – mitgefangen: Auf die Erbengemeinschaft passt dieser Ausdruck nur allzu gut. Warum, zeigt ein Fall aus Grafing. Eva-Maria Deistler und ihr Bruder Gustav Seilstorfer erbten gemeinsam ein Haus. Das könnte jetzt zwangsversteigert werden, weil der ehemalige Vermieter der 34-Jährigen 5757 Euro Renovierungskosten fordert. Um ans Geld zu kommen, soll ihr Miterbenanteil gepfändet werden.

Deistler wohnte etwa zwei Jahre mit ihrem Mann und Tochter Susi (5) in einer Wohnung am Bahnhof in Grafing. Wegen Um- und Anbauarbeiten kündigte Vermieter Tayfur Ö. den Mietvertrag zum 31.5.2007. Die Familie zog fristgerecht aus, eine förmliche Abnahme fand nicht statt. „Ich habe die Schlüssel in der Gaststätte unten im Haus abgegeben, so wie es der Vermieter wollte“, sagt Deistler.

5700 Euro sind offen. Die Schwester will davon nichts gewusst haben.

Im Dezember dann die Überraschung: Die Gerichtsvollzieherin stand bei Deistler vor der Tür und forderte 5757 Euro für die Firma MT-Bau. Sie gehört Muharrem T., dem Onkel des Vermieters. Das sollen Renovierung und Malerarbeiten gekostet haben, die nach dem Auszug der Familie nötig waren. „Ich habe erst dann davon erfahren“, beteuert die Hausfrau.

Da bei Deistler sonst nichts zu holen ist, will der Vermieter die Zwangsvollstreckung zur Auflösung der Erbengemeinschaft erreichen – und den Miterbenanteil der 34-Jährigen pfänden. Und er könnte Erfolg haben. Denn: „Die Familie hat das Verfahren ignoriert“, sagt Stefanie Feil, Anwältin von Vermieter Tayfur Ö. „Frau Deistler hat auf zwei Anwalts- und zwei Gerichtsschreiben nicht reagiert. Dass sie geklaut wurden, glaube ich nicht.“ Das aber sagt Deistler. „Die Schreiben wurden mir aus dem Briefkasten entwendet, das ist schon öfter passiert“, sagt die 34-Jährige, die nichts von den Forderungen gewusst haben will.

"Wir fühlen uns reingelegt. Da ist eine große soziale Angst.“

Ihr Onkel Peter Eichinger und Bruder Gustav Seilstorfer glauben, dass da nicht alles mit rechten Dingen zugeht. „Sie hat da alles auf Treu und Glauben gemacht. Ich wusste damals von nichts, sonst wäre es sicher nie soweit gekommen“, sagt Eichinger. Die Wohnung sei nie renoviert worden, davon habe er sich überzeugt, als ihm der neue Mieter die Wohnung ein paar Monate später gezeigt habe. Auch gebe es Widersprüche zwischen der ausgestellten Rechnung und einer Aussage von Muharrem T. „Das ist Betrug“, sagt Seilstorfer. „Wir fühlen uns reingelegt.“ Er muss jetzt um das Haus fürchten, in dem er alleine lebt. „Da ist eine große soziale Angst.“

Dass Eva-Maria Deistler, die in ihrem Alltag Unterstützung von einer Familienhelferin erhält, bei solchen Angelegenheiten vielleicht eine gewisse Unterstützung gebraucht hätte, wusste Stefanie Feil nicht. „Wenn jemand keine Vermögensbetreuung hat, muss ich ihn für geschäftsfähig betrachten“, sagt sie. Der Gegenseite rechnet sie in dem Verfahren keine großen Chancen ein. „Sie verkennt, dass es nicht darum geht, wie der Anspruch meines Mandanten entstanden ist. Sondern, dass er da ist.“ Doch genau dagegen klagt die Erbengemeinschaft jetzt vor dem Landgericht München. „Ich würde mich freuen, wenn wir uns auf eine Ratenzahlung einigen könnten“, sagt Feil. Doch davon will Deistler nichts wissen. „Ich bin reingelegt worden“, sagt sie. Und ihr Onkel fügt an: Falls wir scheitern sollten, kann man schon mal einen Nachruf auf die dahingegangene Gerechtigkeit in unserem Lande vorbereiten.“

Das rät der Rechtsexperte:

Erbrechtsexperte Klaus M. Groll erklärt, warum Erbengemeinschaften ein hohes Konfliktpotential bergen: "Wie im geschilderten Fall kann der Gläubiger eines Miterben dessen Erbteil pfänden. Damit lässt sich der Verkauf von Nachlassgegenständen erzwingen und der Gläubiger kann seine Forderung so befriedigen."

"Auch die Miterben selbst können die Sprengung des Nachlasses gegen den Willen der anderen Miterben erzwingen.Ganz allgemein lässt sich sagen: Besonders im Erbfall zeigt sich, wie stark der Trieb zum schnöden Mammon ist. Und juristisch: Jedem Miterben gehört der gesamte Nachlass. Es gibt keine Zuordnung der Gegenstände an diesen oder jenen. Alle haben volles Mitspracherecht, können sich also auch schikanieren und blockieren. "

Ein kluges Testament vermeidet Konflikte.

"Durch kluge Testamentsgestaltung lassen sich Konflikte vermeiden. Eine Möglichkeit ist, bereits testamentarisch eine Verteilung der wichtigsten Gegenstände vorzunehmen. Tut man dies im Wege sogenannter Teilungsanordnung, erfolgt ein Geldausgleich, wenn ein Erbe durch diese Verteilung einen höheren Wert erhält als es seiner Erbquote entspricht. Will der zukünftige Erblasser einen solchen Ausgleich nicht, verfügt er sogenannte Vorausvermächtnisse. Auch bei diesen wird im Testament gegenständlich verteilt, aber ohne Wertausgleich zwischen den Erben."

"Will man Personen etwas zukommen lassen, ohne sie zu Erben zu machen, dann bieten sich normale Vermächtnisse an, zum Beispiel ein Barvermächtnis. Der Vermächtnisnehmer steht dann außerhalb des Nachlasses und kann daher in der Erbengemeinschaft keinen Unfrieden stiften."

Verena Duregger

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