Erb-Skandal bei der Stadt

MÜNCHEN - Das Sozialreferat nimmt das Vermächtnis einer Münchnerin an, ohne das Erbe ausreichend zu prüfen. Das könnte den Steuerzahler jetzt Millionen kosten – die Opposition fordert bereits Konsequenzen aus dem Erb-Debakel.
Es hätte eine wohltätige Stiftung für Alte und Kinder werden sollen. Doch der Nachlass einer Münchnerin entpuppte sich als Skandal-Erbe. Jetzt hat das Revisionsamt schwerwiegende Mängel bei der Handhabung des Erbes durch das Sozialreferat aufgedeckt Obendrein wurde der Stadtrat falsch und mangelhaft informiert.
Hintergrund des Skandals: Die Stadt hätte das Erbe nie annehmen dürfen. Das Sozialreferat tat es dennoch - in völliger Unkenntnis der Rechtslage. Es handelt sich um das Erbe einer Münchnerin, die 2007 starb: Nach Abzug der Erbverbindlichkeiten waren das rund 730 000 Euro in bar und die Beteiligung an der Bau- und Bodengesellschaft Multicon in Wittstock (Brandenburg) – ein geschlossener Immobilienfonds in Form einer offenen Handelsgesellschaft mit 122 Sozialwohnungen und 12 Gewerbeeinheiten samt Garagen. Doch die Multicon war 2004 pleite und stand unter Zwangsverwaltung. Der Bauunternehmer kam für den größten Subventionsbetrug in Brandenburg für fünfeinhalb Jahre ins Gefängnis.
Das Revisionsamt stellt größere Mängel fest
Jetzt versucht die Stadt, das Skandalerbe im Nachhinein abzulehnen: Denn sie darf wegen des unkalkulierbaren Haftungsrisikos eine OHG-Beteiligung grundsätzlich nicht annehmen. Dahinter steckt die Angst der Stadt, als finanzkräftigster Teilhaber für die Schulden von 16 Millionen Euro aufkommen zu müssen. Eine Entscheidung des Amtsgerichts München steht aus.
In einer turbulenten Sitzung am 17. Dezember 2008 beschloss der Stadtrat zornig, das Revisonsamt einzuschalten: Denn da hatte er zum ersten Mal vage Informationen bekommen. Das Amt stellt jetzt größte Mängel fest:
Das Sozialreferat nahm am 1. Februar 2008 bereits nach einer Woche das Erbe an, obwohl sechs Wochen zur Prüfung Zeit waren. Dabei wurden die Risiken nicht geprüft. Es wurden auch keine Juristen gefragt – erst im November wurde eine Anwaltskanzlei eingeschaltet. Dabei hatte sogar die Kämmerei, als sie im Juli 2008 von dem Erbe erfuhr, sofort Alarm geschlagen. „Die Kanzlei bekam nicht einmal den richtigen Arbeitsauftrag", so eine Rathaus-Juristin.
Der Stadtrat wurde nicht ausreichend informiert - zum wiederholten Male
Der Stadtrat hätte informiert werden müssen, weil das Erbe mehr als 500 000 Euro wert war. Das Sozialreferat hat seit 2004 sieben Erbschaften über 500 000 Euro angenommen, ohne den Rat pflichtgemäß zu informieren.
Wichtige Fakten und Hintergründe über die erheblichen Risiken seien dem Rat nicht genannt worden. Manche Informationen seien auch falsch gewesen, so die Rechnungsprüfer. So hatte das Referat im Sozialausschuss am 4. Dezember 2008 noch behauptet, das Erbe sei problemlos, es gebe „keine rechtlichen Bedenken".
Bis es dann in der Vollversammlung des Stadtrats krachte, als die CSU-Stadträtinnen und Fachanwältinnen Evelyne Menges und Mechthild Wittmann den Skandal in nichtöffentlicher Sitzung in ganzer Tiefe freilegten. Die schriftliche Vorlage gab es erst in der Sitzung, „in der Hoffnung, dass keiner sie liest", vermutet CSU-Fraktionschef Josef Schmid. „Diese Vorlage ist ein Skandal", schimpft er: „Noch nie war eine Strategie so durchsichtig, den Stadtrat schlecht zu informieren.“
Am Mittwoch wird der Stadtrat über den Revisionsbericht informiert. FDP-Fraktionschef Michael Mattar fordert schon jetzt „politische Konsequenzen“. Die Stadt muss bis zur Entscheidung des Amtsgerichts weiter bangen, ob sie doch mit Millionen haften muss.
Willi Bock