Interview

Er soll die Nächte managen: Münchens Nachtbürgermeister im AZ-Gespräch

München steht ein neuer Partysommer bevor. Kay Mayer soll als Nachtbeauftragter Partys ermöglichen, aber auch Anwohner beschwichtigen. Ob und wie das zu schaffen ist, hat er der AZ erzählt.
von  Jan Krattiger
Kay Mayer findet, dass die Stadt nicht mehr nur reagieren sollte, wenn es um Streit um nächtliche Feierei geht. Die Verwaltung solle sich vielmehr überlegen, wie sie selbst aktiv werden kann, um mehr und alternative Möglichkeiten für junge Menschen zu schaffen.
Kay Mayer findet, dass die Stadt nicht mehr nur reagieren sollte, wenn es um Streit um nächtliche Feierei geht. Die Verwaltung solle sich vielmehr überlegen, wie sie selbst aktiv werden kann, um mehr und alternative Möglichkeiten für junge Menschen zu schaffen. © Foto: Bernd Wackerbauer

München - AZ-Interview mit Kay Mayer (38): Er ist seit einem Jahr der Leiter der "Fachstelle Moderation der Nacht". Dort kümmert er sich um Anliegen der Partyfreunde, aber auch der Anwohner und der Stadtverwaltung. Aktuelle Infos gibt es auf Instagram: instagram.com/mona.muenchen.

"Player des Nachtlebens": Kay Mayer über sein "vielfältiges Arbeitsfeld"

AZ: Herr Mayer, Sie sind seit ziemlich genau einem Jahr Moderator der Münchner Nacht. Wie blicken Sie auf dieses Jahr zurück?
KAY MAYER: Ich musste mich als jemand, der nicht aus dem Verwaltungskontext kommt, mit dem städtischen Umfeld auseinandersetzen und auch mit der eigenen Struktur. Der erste richtige Schritt nach draußen war, dass ich mit ganz vielen Leuten sprechen wollte. Mit Organisationen, Institutionen, mit Leuten hatte ich um die 80 Vernetzungsgespräche in den ersten drei Monaten, von Partyveranstaltern bis zur Polizei. Damit klarer wird, wer ich bin und was die Fachstelle vorhat. Dann war die Veranstaltung "München tanzt wieder" im Spätsommer ein erstes großes Projekt, das ich begleitet habe.

Da musste es recht schnell gehen.
Ja, das war nach zwei Monaten. Und man darf nicht vergessen, dass das mitten in der Coronazeit war. Damit haben die Clubs und Veranstalter auch sehr große Hoffnungen verbunden. Ich wollte nicht zu krasse Erwartungen erzeugen, aber da war viel Austausch notwendig.

AZ-Redakteur Jan Krattiger im Gespräch mit Kay Mayer.
AZ-Redakteur Jan Krattiger im Gespräch mit Kay Mayer. © Foto: Bernd Wackerbauer

Und Sie haben erstmal alle verschiedenen Parteien an einen Tisch geholt.
Dann haben wir angefangen, den Runden Tisch Nachtleben zu planen. Dieser widerspiegelt auch, wie vielfältig das Arbeitsfeld ist: Auf Amtsseite bis zur freien Szene und den verschiedenen Playern des Nachtlebens.

Kay Mayer: "Da kam recht schnell sehr viel Tagesgeschäft"

Haben Sie auch direkten Kontakt mit Partygängern?
Es ging schnell los, dass Leute mit ihren Anliegen auf mich zukamen. Ich habe zum Beispiel letztens eine coole Mail gekriegt von einer Dame, die sagt, sie sei im besten Alter und könne zu wenig Party machen in München. Clubbetreiber und Freizeit- und Jugendeinrichtungen melden sich auch bei mir. Da kam recht schnell sehr viel Tagesgeschäft.

Wo drückt da der Schuh?
Die Themenvielfalt ist unheimlich groß. Wir haben zum Beispiel das umfassende Thema "Flächen und Räume": Wo gibt es Platz, wie wird er genutzt, wie soll er aussehen und was soll er widerspiegeln. Und: Was sind die Interessen und Bedarfe, die dahinterstehen. Verschiedene Leute und Institutionen wollen Verschiedenes: Es gibt ein Recht auf Ruhe, ein Recht auf kulturelles Ausleben und Feiern, auf Aufenthalt und soziale Interaktion.

"Ob es Platz gibt? Kommt drauf an, wen man fragt. Ich sage ja"

Und neben der allgegenwärtigen Platzfrage?
Es gibt Fragen dazu, wie nachhaltig die Nachtkultur sein soll, wie divers und niedrigschwellig. Und auch wie sicher. Es stellt sich auch die Frage, welche Rolle Nachtkultur in einem institutionalisierten Sinn spielt. Also was für einen Wert sie hat, wirtschaftlich und auch kulturell. Wenn man Touristen oder Zuzügler fragt, was ihnen wichtig ist, kommt der Aspekt "kulturelle Vielfalt" ganz schnell.

Kay Mayer: "Es gibt viele Kollektive" 

Wie nehmen Sie denn die Münchner Nachtkulturszene wahr?
Wir haben ein riesengroßes Potenzial, zum Beispiel an nicht-kommerziell orientierten Organisationen. Die Demo "Mehr Lärm für München" hat es gezeigt: Es gibt viele Kollektive und junge Menschen, die sich zusammenfinden und sagen, "wir wollen gerne unsere Form der Kultur auf die Straße bringen". Dafür fordern sie Raum ein.

"Viele haben Gefallen daran gefunden, im öffentlichen Raum zu feiern"

Gibt es im öffentlichen Raum in München Platz für diese Kollektive, wo die auch nach 22 Uhr einmal nicht nur leise sein dürfen?
Es kommt darauf an, wen man fragt. (lacht)  Wenn Sie mich fragen, dann würde ich sagen, der Platz ist da. Es geht darum, herauszufinden, wo dieser Platz ist, wofür er da ist und wie ich ihn zugänglich machen kann. Das ist eine große Aufgabe. Dann geht es darum, einen Kompromiss zu finden zwischen allen, die etwas mit diesem Platz zu tun haben.

Und gibt es Orte, wo das klappen könnte?
Ich habe alle Bezirksausschüsse in München angeschrieben und gebeten, mir einfach mal zu sagen, was mögliche Plätze wären aus ihrer Sicht. Denn die wissen am besten Bescheid. Im Runden Tisch Nachtleben nehmen wir diese Plätze und andere Vorschläge und schauen uns an, wie man Nutzungskategorien anlegen kann. Dann kann man sich überlegen, wie man mit den Anwohnern in Kontakt kommt, und so weiter. Also aus meiner Sicht ist die Antwort: Platz ist da.

Der erste Sommer quasi nach Corona steht an. Der vergangene Sommer hat - Stichwort Türkenstraße - in Sachen Feiern im öffentlichen Raum für viel Aufsehen gesorgt. Wie blicken Sie auf diesen Sommer?
Daniel Hahn vom Bahnwärter Thiel (Zwischennutzung in Sendling, d. Red.) hat es beim Runden Tisch Nachtleben treffend gesagt: Der öffentliche Raum ist zum echten Konkurrenzplayer im Nachtleben geworden. Das wurde die letzten zwei Jahre deutlich. Viele haben Gefallen daran gefunden, im öffentlichen Raum zu feiern. Es ist billiger, es kontrolliert mich keiner, ich kann zusammenkommen, mit wem ich möchte.

Jetzt haben aber auch die Clubs wieder auf und es gibt wieder viele Veranstaltungen.
Die Öffnung der Clubs bringt den Jugendlichen unter 18 größtenteils gar nichts. Es ist auch eines meiner Anliegen, deren Interessen mehr in den Fokus zu rücken. Ansonsten haut die Szene ziemlich raus diesen Sommer. Es finden unheimlich viele Veranstaltungen statt in einer unheimlichen Breite. Ich glaube, dass es einzelne Zeiten und Spots geben wird, wo es einigen Leuten zu viel wird. Was allerdings auch nie ganz weggehen wird. Das gehört zu einer Stadt. Aber man muss sich drüber unterhalten und schauen, wie man damit umgeht. Es einfach nur hinzunehmen, ist nicht richtig.

Kay Mayer will die Kommunikationsketten verkürzen

Die Stadt hat im Sommer an verschiedenen Orten diese Container für Jugendliche aufgestellt, sind die eine gute Maßnahme in dem Zusammenhang?
Ich komme ja aus der Streetwork-Arbeit, und ich finde das vom Ansatz her eine sehr gute Geschichte. Abgesehen vom Regenschutz und Sitzgelegenheit sind die Container auch ein Signal: Es ist cool, dass ihr euch hier aufhaltet. Das finde ich richtig.

Was macht die Stadt denn anders diesen Sommer als im letzten?
Von mir aus gesehen sind wir gerade dran, mit dieser Kartierung mehr Klarheit in die Flächensituation zu bringen. Um zu ermöglichen, dass mehr veranstaltet werden kann. Das sind kleine Schritte, aber das entwickelt sich in die Richtung, dass mehr passieren kann.

Und abgesehen vom Platzproblem?
Dann sind wir beim Runden Tisch Nachtleben dabei, Kommunikationsketten zwischen den öffentlichen Institutionen wie Polizei, kommunaler Außendienst und Streetworker/Akim zu verkürzen. Dass man zum Beispiel schneller informieren kann, wenn Plätze krass vermüllt wurden. Und es gibt das neue Angebot Akim Flex, das flexibler agieren kann.

"Muss es immer dazu kommen, dass gleich die Polizei anrückt?"

Es ist zu erwarten, dass es wieder Vorkommnisse wie vergangenen Sommer in der Türkenstraße geben wird. Kann die Stadt da einfach nur reagieren oder gibt es auch andere Zugänge?
Alternativen schaffe? Muss es immer dazu kommen, dass die Polizei anrücken muss oder habe ich nicht vielleicht auch Institutionen wie Akim oder den kommunalen Außendienst oder Streetwork, die auf eine niedrigschwelligere Art auch präventiv agieren können und haben diese genug Ressourcen?

Und haben sie diese Ressourcen?
Das wird auch am Runden Tisch Nachtleben immer wieder besprochen. Ich denke, da liegt noch viel Potenzial drin. Strategisch gesehen geht es darum, sich zu überlegen, warum es immer um die gleichen Plätze geht. Also dass wir jetzt auch schon wieder an die Türkenstraße denken. Was macht denn diese Plätze aus und gibt es eine Möglichkeit, Vielfalt zu schaffen in dieser kleinen Großstadt?

Sind Sie da auch so etwas wie ein Übersetzer zwischen den einzelnen Parteien?
Absolut. Das hat sich zum Beispiel gezeigt bei "München tanzt wieder", wo ganz schnell viel hingestellt werden musste, das so noch nie stattgefunden hat. Das Übersetzen "wer meint was wie" ist da ein sehr wichtiger Teil meiner Arbeit.


Was macht der Runde Tisch Nachtleben? 

Eines der wichtigsten Projekte, die Kay Mayer als Chef der Fachstelle Moderation der Nacht (MoNa) angestoßen hat, ist der Runde Tisch Nachtleben: Dort treffen sich in regelmäßigen Abständen alle, die in irgendeiner Form am Nachtleben in München beteiligt sind: Von städtischer Seite sind das unter anderem KVR, Bezirksausschüsse, Planungsreferat, Referat für Klima- und Umweltschutz und natürlich die Polizei. Dann sind Vertreter der Fachstelle Pop, des Verbands der Münchner Kulturveranstalter und vom Hotel- und Gaststättenverband Dehoga mit dabei. Ebenfalls mit am Tisch sitzen Vertreter junger Partykollektive wie „Common Ground“, der Kreisjugendring und der Verein Condrobs.

Der Runde Tisch tagte bisher dreimal. Daneben gibt es regelmäßige Treffen von Arbeitsgruppen, die sich mit verschiedenen Schwerpunkten befassen. Eine Arbeitsgruppe arbeitet an einem Flächenkataster mit Informationen zu Zugang, Nutzung und rechtlichen Fragen zu Flächen im öffentlichen Raum. Diese soll auch teilweise öffentlich einsehbar sein. Mögliche Freiflächen, die diskutiert werden, sind zum Beispiel die Schwindinsel, der Friedensengel, das Siegestor sowie der stillgelegte S-Bahnhof am Olympiapark.

Eine weitere Arbeitsgruppe widmet sich dem Thema Sicherheit und Verträglichkeit. Da sind unter anderem ein Lärmschutzfonds, Maßnahmen im Umgang mit Müll und auch ein sicheres Heimkommen Themen, die besprochen werden. Die dritte Arbeitsgruppe widmet sich der „organisierten Nachtkultur“, also den Clubs, Bars und Veranstaltern.

MoNa-Chef Kay Mayer hat in Aussicht gestellt, dass künftig auch die Öffentlichkeit konkreter über den Runden Tisch und seine Ergebnisse informiert werden soll.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.